Unis für Reiche

Griechische Regierung will Hochschulen privatisieren. Auch Einfluss privater Bildungsträger im Schulsystem könnte zunehmen

Von Hansgeorg Hermann, Chania, 22.7.2023 – junge Welt

An der Aristoteles-Universität von Thessaloniki werden auch Folgen der Bahnprivatisierung veranschaulicht

Die rechtsnationale griechische Regierung will mit einer für das Jahr 2025 anvisierten Verfassungsänderung das Hochschulsystem dem freien Markt überlassen. Schon jetzt sollen private Universitäten – vor allem aus den USA importierte Einrichtungen – als »zwischenstaatliche« Institutionen in die staatliche Bildung integriert werden. Regierungschef Kyriakos Mitsotakis, selbst ein Bildungs- und Sozialprodukt der US-Eliteuniversität Harvard, will offenbar nordamerikanische Verhältnisse auf sein Land übertragen. Griechenland ist ein fruchtbarer Boden für Privatisierung: Das staatliche Bildungssystem leidet permanent unter Lehrer- und Professorenmangel, die Lehrkräfte werden mit lächerlichen Gehältern kurzgehalten und müssen nachmittags oder abends oft an privaten Nachhilfeschulen Geld dazuverdienen, um ihre Familien über die Runden zu bringen.

Aus dieser Situation hat sich seit der Nachkriegszeit eine regelrechte Bildungsindustrie entwickelt – inzwischen eine Macht im Land, die politisch auch von der Orthodoxen Kirche unterstützt wird. Vor genau einem Jahr veröffentlichte das Staatliche Statistische Amt Griechenlands (Elstat) erstaunliche Zahlen: Landauf, landab kümmern sich inzwischen rund 5.000 private »Frontistiria« um jenen Teil der Ausbildung der Kinder und Jugendlichen, der eigentlich originäre Aufgabe staatlicher Schulen wäre. (…)

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600 ertrunkene Geflüchtete: Frontex und Küstenwache sahen zu

300 Wissenschaftler fordern eine Untersuchung auch gegen Frontex

Matthias Monroy, 14.07.2023 – nd

Am 3. Oktober 2013 sank ein hölzernes Schiff mit flüchtenden Menschen vor der italienischen Insel Lampedusa, weit über 300 Menschen sind dabei ertrunken. Anschließend startete Italiens Marine die Mission »Mare Nostrum«, in der rund 125 000 Menschen in Seenot zum europäischen Festland gebracht wurden. Die EU-Grenzagentur Frontex hat diese staatliche Seenotrettung nach einem Jahr abgelöst und durch Flugzeuge und Drohnen ersetzt.

Fast zehn Jahre später ist am 14. Juni im Ionischen Meer vor der griechischen Stadt Pylos der Fischtrawler »Adriana« mit Hunderten Geflüchteten gesunken. Über 600 von ihnen könnten gestorben sein, nur 104 Menschen haben überlebt. Behörden aus Griechenland sowie Frontex sahen den Ertrinkenden zu, ohne selbst Hilfe zu leisten. Dazu war die griechische Küstenwache aber verpflichtet, denn die »Adriana« befand sich in ihrer Such- und Rettungszone.

In einem Offenen Brief an die Regierung in Athen und an die EU fordern nun über 300 Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern eine umfassende, transparente Untersuchung des Unglücks. (…)

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Spendenkampagne erfolgreich – Vio.Me dankt!

#defendviome

Vielen Dank an unsere Solidaritätsfreunde aus Deutschland, vom Kölner Solidaritätskomitee für die Ausrüstungspende!!! (die Vio.Me-Belegschaft)

Ende Juni begonnen, hat die Spendenkampagne für den Transport verschiedener Geräte und Maschinen nach Thessaloniki mittlerweile die stattliche Summe von 3395,- € erbracht. Gespendet wurden die für Vio.Me nützlichen Teile von einem süddeutschen Chemieunternehmer, der seine kleine Fabrik zuvor geschlossen hatte. Ihm und allen Spender*innen gilt an dieser Stelle unser großer Dank.

Griechenland Solidaritätskomitee Köln (GSKK)

Die Spendenkampagne ist nunmehr beendet, kann in den Einzelheiten aber hier nachgelesen werden.

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Bitte unterschreiben: Stoppt die Gewalt an den Grenzen.

Veröffentlicht von Georg Brzoska auf griechenlandsoli.com

Europäische Bürgerinititative „Stop Border Violence !“

Nicht erst durch das ungeheuerliche Versenken des Bootes mit über 700 Menschen vor Pylos ist die Politik der EU gegenüber Geflüchteten unerträglich für jeden, der noch ein Gewissen hat. Wir meinen deshalb, dass wir uns gegen diese Politik auflehnen müssen. Wir sollten versuchen, alle Wege, die wir dafür nutzen können, zu gehen. Eine europäische Bürgerinititative ist ein solcher Weg. Uns ist die europäische Bürgerinititative gegen Wasserprivatisierung noch in guter Erinnerung: Sie konnte 1,66 Millionen Unterstützer gewinnen und hatte weitreichende Konsequenzen.
Wir bitten alle, die Forderungen der europäischen Bürgerinititative Stop Border Violence, zu unterschreiben und – wenn möglich – Unterschriften zu sammeln.
Georg Brzoska
für das Bündnis Griechenlandsolidarität Berlin

Ziele der europäischen Bürgerinititative Stop Border Violence

Im Zusammenhang mit den gemeinsamen Zuständigkeiten der EU im Bereich „Justiz, Freiheit, Sicherheit“, in dessen Rahmen insbesondere Artikel 78 AEUV auf die entsprechenden politischen Verantwortlichkeiten bezüglich der Grenzkontrollen, des Asyls und der Einwanderung verweist, fordern wir die Ergreifung von geeigneten normativen Instrumenten, um eine wirksame Anwendung des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu gewährleisten. Dies bedeutet zugleich, die Verwendung von Gewalt und Folter sowie von unmenschlichen und erniedrigenden Behandlungsformen bei der Kontrolle der Grenzen innerhalb des EU-Raums sowie in Drittländern, mit denen die europäischen Behörden oder ein oder mehrere Mitgliedstaaten Abkommen zur Einschränkung der Einreise von Migranten oder Asylbewerbern nach Europa unterzeichnet haben, zu unterbinden, wie auch bei der Abwicklung der Aufnahmemaßnahmen von Migranten und Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten selbst und zwar durch die Schaffung und Auferlegung von Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung der festgelegten Verpflichtungen.

Mehr zur Europäischen Bürgerinitiative „Stop Border Violence“

Hier unterschreiben!

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VIO.ME – vom Betriebskampf zum politischen Projekt

Von Hans Bürger | 09.07.2023 – ISO

Anfang Februar dieses Jahres wurden die gesamten Grundstücke des Mutterunternehmens FILKERAM JOHNSON – die alte Fabrik der VIO.ME war eine ihrer Tochterfirmen – in einer digitalen Zwangsversteigerung zu einem Preis in Höhe von 9 237 500 Euro an einen südafrikanischen Investmentfonds vergeben. Es war der einzige Interessent, der an der Zwangsversteigerung teilnahm. Sein Gebot lag um einen Euro höher als der geforderte Startpreis der Auktion, und er bekam auch den Zuschlag. Anscheinend haben die neuen Eigentümer vor, ein neues Einkaufszentrum und Gebäude mit Büroflächen zu errichten. Wie zu erwarten, ist die zurückeroberte und selbstverwaltete VIO.ME in höchster Gefahr. Doch die Kolleg*innen werden unter keinen Umständen ihr Lebenswerk aufgeben. Ein breiter Widerstand ist schon im Aufbau und ein beachtlicher Teil der griechischen Gesellschaft beteiligt sich an den Solidaritätskampagnen zur Unterstützung ihres Kampfes.

Dieser kurze Artikel greift nicht mehr die Historie der Besetzung, des Kampfes gegen die Zwangsversteigerungen und der Wiederaufnahme der Produktion auf, sondern fokussiert hauptsächlich auf die gesellschaftspolitische Dimension von zeitweise erfolgreichen Betriebsbesetzungen am konkreten Beispiel der VIO.ME. Es werden einige der Grundsituationen präsentiert, die politische Entscheidungen im weitesten Sinne erforderten. Die Kolleg*innen der VIO.ME haben bis heute all diese Grundprobleme mit einer erstaunlichen Originalität und Kreativität bewältigt.

Die selbstverwaltete VIO.ME[1] mag vielleicht jetzt schon eine schöne Legende sein, sie ist aber in Wirklichkeit organisch in den sozialen Widerstand der griechischen Gesellschaft eingebettet. (…)

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Griechenland nach der Wahl: Zementierte Verhältnisse

Die rechtskonservative Regierungspartei und die extreme Rechte sind die Gewinner der Parlamentswahl in Griechenland

Von John Malamatinas, Athen, 26.6.2023 – nd

Mitsotakis und Hiernonymus II. in bestem Einvernehmen

»Zum zweiten Mal in Folge ist ganz Griechenland blau.« Mit diesem Satz leitete Kyriakos Mitsotakis am Sonntagabend in Athen seine Siegesrede ein. »Die Nea Dimokratia ist heute die stärkste Mitte-Rechts-Partei in Europa. Wir haben genau die gleiche Anzahl von Abgeordneten wie 2019, aber der Unterschied zu unserem Hauptkonkurrenten beträgt 24 Punkte, während er damals 8 Punkte betrug.« Mit dem Erdrutschsieg scheinen die Wähler über die Verstrickung der ND-Regierung in eine Reihe von Skandalen hinwegzusehen und ihr das Versprechen von »anhaltender wirtschaftlicher Stabilität und Wohlstand« abzunehmen.

Bei der vorangegangenen Wahl am 21. Mai, die ohne Bonussitze durchgeführt wurde, fehlten der ND fünf Sitze zu einer absoluten Parlamentsmehrheit. Das Nichtzustandekommen einer Regierungskoalition hatte die erneute Wahl erforderlich gemacht. Die Wahlbeteiligung ist mit 52,83 Prozent im Vergleich zu der Wahl im Mai (61,10 Prozent) stark gesunken. Acht Parteien werden nun in das Parlament einziehen, im Mai hatten sich fünf qualifiziert.

Bei der zweiten Wahl vergrößerte sich der Abstand zwischen ND und Syriza geringfügig. Die Linkspartei ist damit noch einmal der große Verlierer. Die ND erreichte 40,55 Prozent und 158 Sitze, während Syriza lediglich auf 17,84 Prozent und 48 Sitze im 300 Abgeordnete zählenden Hellenischen Parlament kam. Die sozialdemokratische Pasok schaffte 11,85 Prozent und 32 Sitze. Es folgen die kommunistische KKE mit 7,69 Prozent (20 Sitze) und die drei extrem rechten Parteien Spartaner mit 4,64 Prozent (12 Sitze), Griechische Lösung (4,44 Prozent,12 Sitze) und Niki mit 3,69 Prozent (10 Sitze). Die Partei Kurs der Freiheit der ehemaligen Syriza-Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou errang 8 Sitze (3,17 Prozent), während die ebenfalls linke Partei von Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis Mera 25 erneut unter der 3-Prozent-Hürde blieb. (…)

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Zurück zur Oligarchie

Griechenland: Rechter Premier Mitsotakis siegt bei Wahlen. Linke verliert Hochburgen, Faschisten gestärkt

Von Hansgeorg Hermann, Chania, 27.6.2023 junge Welt

»Kyriaarchia«: Die Schlagzeilen verkünden weitere vier Jahre unter dem rechten Premier Kyriakos Mitsotakis (Athen, 26.6.2023)

Gleich drei Parteien mit faschistischem Hintergrund haben am vergangenen Sonntag den Einzug ins griechische Parlament geschafft. Der Wahlsieger heißt allerdings Kyriakos Mitsotakis, der nach seinem Erfolg vor vier Jahren und dem ersten Wahldurchgang am 21. Mai mit 40,5 Prozent der Stimmen die linke Formation Syriza (Koalition der radikalen Linken) des Herausforderers Alexis Tsipras um mehr als 20 Prozentpunkte hinter sich ließ. Mit nur noch 17,9 Prozent unterbot der nun schwer angeschlagene Oppositionsführer sein Ergebnis vom Juli 2019 um fast zwölf Prozentpunkte. In der Partei wurden zum ersten Mal Stimmen laut, die eine »Erneuerung« Syrizas forderten. Die lautstärkste Oppositionsgruppe werden in den kommenden Jahren die nationalistisch-faschistischen Parteien Elliniki Lysi (»Griechische Lösung«, EL) mit 4,6 Prozent, Spartiates (Spartaner) mit 4,7 und Niki (Sieg) mit 3,6 Prozent der Wählerstimmen stellen. Mit 47 Prozent erreichte die Wahlenthaltung Rekordhöhe.

Mitsotakis’ Partei Nea Dimokratia (ND) gewann wie schon im Mai mit einer Ausnahme (Rhodopen) in allen Wahlbezirken. Die Linke verlor alle ehemaligen Hochburgen wie etwa auf Kreta (Heraklion) oder rund um die Hafenstadt Piräus. (…)

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