Seit langem treten europäische Behörden am Evros-Fluss, der griech.-türkischen Grenze, das europäische Recht mit Füßen. Illegale Pushbacks und menschenverachtender Umgang mit Geflüchteten sind an der Tagesordnung. Immer wieder schieben sich die Regierungen Griechenlands und der Türkei gegenseitig die Schuld zu. So hat z.B. die griechische Regierung behauptet, die kleine Insel im Evros-Fluss, auf der viele Geflüchtete strandeten, gehöre zur Türkei und habe daher mit Griechenland nichts zu tun, eine offenkundige Lüge. (Wir berichteten mehrmals darüber: Griechische Behörden lehnen Rettung für gestrandete syrische Familien ab (Mai 2022); Ausflüchte und Lügen (Juli 2022); Geflüchtete im Niemandsland an der griechisch-türkischen Grenze (August 2022).)

Nun ereignete sich ein Skandal, der eine größere Presseresonanz als üblich hervorgerufen hat. Nach Angaben griechischer Ministerien waren am Freitag 92 Migranten aufgegriffen worden, die von der Türkei aus nackt über den Grenzfluss nach Griechenland getrieben worden seien. Die geflüchteten Menschen sollen aus Afghanistan, Syrien und Pakistan stammen. Griechenland verurteilte das „barbarische Verhalten“ der türkischen Sicherheitskräfte, während der türkische Vize-Innenminister Ismail Catakli die Nachricht für erfunden erklärte.
Internationale Kritik nach Ankunft von 92 fast nackten Migranten
16.10.22 – ZEIT ONLINE
<< Nachdem in Griechenland 92 fast nackte und teils verletzte Migrantinnen und Migranten aufgefunden wurden, beschuldigen sich die Türkei und Griechenland gegenseitig, für den Vorfall verantwortlich zu sein. Die Menschen sollen nach Angaben der griechischen Regierung von der Türkei über den Fluss Evros nach Griechenland geschickt worden sein. Der griechische Katastrophenschutzminister Takis Theodorikakos sprach von einem „unmenschlichen Bild“ und warf der Türkei vor, „illegale Einwanderung“ zu „instrumentalisieren“.
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex bestätigte die Ankunft der 92 Menschen am Freitag, die meisten seien Afghanen und Syrer. Die für Grundrechte zuständige Stelle der Agentur sei über eine mögliche Rechtsverletzung informiert worden.>> (…) –> weiterlesen
Die griechische Regierung, vor allem MP Kyriakos Mitsotakis und der Migrations- und Asylminister Notis Mitarakis, hat jedoch keinen Grund, ihre Hände in Unschuld zu waschen.
Pushbacks an der EU-Grenze: Am Grenzfluss Evros schickt Griechenland Flüchtlinge zurück
Athen weist alle Vorwürfe von sich und auch die europäische Grenzschutzagentur Frontex hüllt sich in Schweigen.
Von Florian Schmitz, 13.10.2022 – TAGESSPIEGEL
<< Omar Alshakal ist der Schock ins Gesicht geschrieben, als er von seinen Erlebnissen in der griechsich-türkischen Grenzregion Evros berichtet: „Ich bin auf der Straße entlang der Grenze mit dem Auto gefahren. Da habe ich eine Gruppe von Flüchtenden gesehen. Ich hielt an und habe die Behörden informiert. Ich habe Bilder von ihnen gemacht und Kontaktdaten ausgetauscht.“ Am nächsten Tag kontaktierten sie ihn wieder und teilten mit, man hätte sie zurück in die Türkei gebracht.

Eigentlich lebt der 28-jährige Syrer auf Lesbos, wo er 2017 die NGO Refugees 4 Refugees gründete. An den Evros war er gekommen, um seinen minderjährigen Bruder aus dem Empfangs- und Registrierungszentrum Fylakio zu holen. In den wenigen Tagen in der Region sei er mehrmals Zeuge von Vorfällen geworden, bei denen Asylsuchende von der griechischen Seite verschwanden und dann in der Türkei auftauchten.
Laut dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen erreichten in diesem Jahr 4751 Asylsuchende das griechische Staatsgebiet über die gut 200 Kilometer lange Evros-Grenze. Die Dunkelziffer dürfte sehr viel höher liegen. Menschenrechtsorganisationen werfen den griechischen Behörden vor, Menschen auf der Flucht systematisch den Zugang zu Asyl verwehren. Betroffene berichten von exzessiver Gewalt durch die griechische Polizei. (…) >>
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