Die Küstenwache griff nicht ein

Mehrere Hundert Tote befürchtet. Die griechischen Behörden hatten das überfüllte Fischerboot mehr als 10 Stunden lang begleitet, statt einzugreifen.

Von Ferry Batzioglou, 15.6.2023 – TAZ

A migrant who was rescued at open sea off Greece along with other migrants, after their boat capsized, reacts outside a warehouse used as a shelter, at the port of Kalamata, Greece, June 15, 2023. REUTERS/Stelios Misinas

ATHEN taz | Mitunter trifft unbeschreibliches Flüchtlingselend auf ungeheuren Reichtum. Am Mittwoch, kurz vor 12 Uhr, war so ein Moment. Die mondäne, 2008 von der Hamburger Großwerft Blohm+Voss gebaute, 93 Meter lange und geschätzte 175 Millionen US-Dollar teure Luxusyacht „Mayan Queen IV“ der milliardenschweren mexikanischen Familie Baillères fährt mit einhundert Geretteten des verheerenden Bootsunglücks vor der Südwestküste der griechischen Halbinsel Peloponnes in den Hafen der Großstadt Kalamata ein.

Noch tief in der Nacht zu Mittwoch, um genau 2:04 Uhr Ortszeit, hatte der Kapitän eines mehrere Stunden zuvor herbeigeeilten Schiffes der griechischen Küstenwache seiner Einsatzzentrale mitgeteilt, dass das vom ostlibyschen Tobruk in See gestochene Fischerboot mit Kurs auf Italien mit mehreren hundert Flüchtlingen und Migranten an Bord zunächst eine Steuerbord-, dann eine steile Backbord- und schließlich eine weitere Steuerbordwende vollzog.

Sie war so stark, dass das Fischerboot kenterte. Die nautische Terminologie dafür lautet: „Flopping“. Zehn bis fünfzehn Minuten später sank das völlig überfüllte Schiff vollständig. Manche Flüchtlinge und Migranten auf den Außendecks sprangen oder fielen über Bord. Die Griechen starteten eine groß angelegte Such- und Rettungsaktion.

Für das Gros der Bootsinsassen kam jede Hilfe zu spät. Informationen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt des Bootsunglücks bis zu 750 Menschen an Bord des Fischerboots. Die insgesamt 104 Geretteten, darunter vier Personen, die direkt von der Unglücksstelle per Hubschrauber nach Kalamata geflogen wurden, waren ausschließlich Männer im Alter von 16 bis 40 Jahren. Laut Medienberichten stammen sie aus Syrien, Pakistan sowie Ägypten. Sie kommen in das Flüchtlingslager in Malakassa nördlich von Athen.

Es bleibt unklar, wie viele Schutzsuchende ums Leben kamen (…)

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