Polizeigewalt, Abhörskandale, Pushbacks

Der griechische Rechtsstaat steht unter massivem Druck. Manche Kritiker warnen, die Grundrechte seien bedroht. Herrschen bald Zustände wie in Ungarn oder Polen?

Von Vincenzo Capodici, 12.4.2023 -Tagesanzeiger (Schweiz)

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Insgesamt neunmal hat die Staatsanwältin unterschrieben: neun Genehmigungen für den nationalen Geheimdienst, die Telefone von Georgios Kyrtsos für jeweils zwei Monate abzuhören. Die Begründung: nationale Sicherheit.

Der Mann, der also mutmasslich über 18 Monate eine Gefahr für den griechischen Staat darstellte, ist Abgeordneter des Europäischen Parlaments. Zu der Zeit gehörte er noch der konservativen Nea Dimokratia an, der Partei, die in Athen regiert. Allerdings hatte er öffentlich den Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis und die Arbeit seiner Regierung kritisiert.

Der Konflikt eskalierte, als Kyrtsos dem Premierminister eine «Orbanisierung» des Landes vorwarf. Ein Vergleich mit Ungarn unter Viktor Orban und dessen erklärtem Ideal einer illiberalen Demokratie? Das ging dem griechischen Regierungschef, der als moderner, liberaler Reformer angetreten war, zu weit. Er liess Kyrtsos im Februar 2022 aus der Partei ausschliessen.

Regierungschef will von Nichts gewusst haben

(…) Regierungschef Mitsotakis erklärte mehrmals öffentlich, er habe von nichts gewusst. Er entliess seinen Büroleiter – ein Neffe von ihm – und den Geheimdienstchef. Doch die Opposition wollte sich damit nicht zufriedengeben: Schliesslich hatte Mitsotakis kurz nach seinem Amtsantritt 2019 den Geheimdienst seiner direkten Kontrolle unterstellt.

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Europaparlamentarier Kyrtsos wollte zudem wissen, ob all das stimmte, was ihm Informanten aus Athen zutrugen: nämlich, dass auch seine Telefongespräche abgehört worden seien. Er wandte sich an die zuständige Behörde für Kommunikationssicherheit und Datenschutz. Diese schickte eine Delegation zum Telefonanbieter Cosmote, um in den dortigen Akten nach Hinweisen auf eine Überwachung zu suchen. Der griechische Generalstaatsanwalt aber untersagte umgehend die Ermittlungen, drohte, wenn die Beamten weitermachten, könnte dies für sie «unter bestimmten Bedingungen sogar zu einer vorübergehenden Freiheitsstrafe führen». (…)

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