Dimitris Koufontinas droht zu sterben

Griechenland Der autoritäre Kurs der Regierung beschleunigt sich und geht weit über Corona-Maßnahmen hinaus. Jüngstes Beispiel ist die Willkür gegen einen Inhaftierten im Hungerstreik

Von Achim Rollhäuser, 23.2.2021 – derFreitag

“ Seit Jahrzehnten erleben wir ein „Rollback“ des Neoliberalismus, verbunden mit dem Abbau des Sozialstaats und staatlicher Für- und Vorsorge sowie einer Verpflichtung des Individuums zum Selbstschutz. In der Corona-Krise ist das besonders deutlich geworden. Gleichzeitig gilt auch: Es gibt wenig Widerstand gegen politische Maßnahmen und die sozialen Härten, die mit ihnen verbunden sind, weder durch Streiks oder gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen noch auf der Straße, also durch Demonstrationen und Protestkundgebungen, denn die Menschen sorgen sich vor allem um sich selbst. Das verschafft den Regierenden neue Spielräume. In anderen Staaten wird die Situation der Angst vor der Pandemie noch sehr viel mehr ausgenutzt als in Deutschland. Ich will das am Beispiel Griechenlands zeigen. (…)

Der Fall Dimitris Koufontinas

Das jüngste Beispiel dafür, dass der griechischen Regierung sogar ihre eigenen Gesetze gleichgültig sind, ist der Fall Koufontinas. Dimitris Koufontinas verbüßt ​​eine Haftstrafe von 11 Mal lebenslänglich zuzüglich 25 Jahre, nachdem er als Mitglied der Revolutionären Organisation 17. November (17N) verurteilt wurde. Der 17N war in Griechenland aktiv von 1975 bis 2002, bevor er nach einem missglückten Anschlag zerschlagen wurde. Er trat zuerst mit der Erschießung des amerikanischen CIA-Chefs für Südosteuropa in Erscheinung. (Später erfolgten noch drei weitere Anschläge auf US-Offizielle.) Seitdem war die Ausschaltung des 17N eine grundlegende Forderung der USA, mit großem Druck auf die jeweiligen griechischen Regierungen. 1989 erschoss der 17N den Politiker und Journalisten P. Bakogiannis, Schwager des jetzigen Premierministers und Vater des derzeitigen Bürgermeisters von Athen.

Dimitris Koufontinas stellte sich 2002 nach der Verhaftung mehrerer Mitglieder des 17N und erklärte, er sei Mitglied der Organisation und übernehme die politische Verantwortung für deren Handlungen. Er verteidigte sich nicht und machte nie Aussagen zu seinen Mitangeklagten. Diese Haltung brachte ihm Anerkennung in breiteren Teilen der griechischen Gesellschaft, nicht nur der Linken, ein. (…)“

Der Artikel schildernd ausführlich den Gefängnisaufenthalt von Dimitris Koufontinas seit 2002 und die seit 2019 erfolgenden Schikanen und Gesetzesverstöße der Nea Dimokratia und dann der Mitsotakis-Regierung, in Gestalt von willkürlicher Verlegung und Verschlechterung der Haftbedingungen wie der Verweigerung von gesetzlich vorgeschriebenen Hafterleichterungen.

Seit ungefähr 50 Tagen befindet sich Dimitris Koufontinas im Hungerstreit. Er hat „heute erklärt, dass er die weitere Zuführung von Flüssigkeit durch den Tropf ablehne. Da er nicht mehr selbständig trinken kann, bedeutet das den Beginn eines Durststreiks. Das bedeutet, dass, wenn die Regierung nicht einlenkt, Dimitris Koufontinas in drei, vier, maximal fünf Tagen sterben wird.

Natürlich gab es gegen diese Behandlung von Koufontinas Proteste in der griechischen und auch der außergriechischen demokratischen Öffentlichkeit. Es haben sich Politiker, Intellektuelle, Kunstschaffende und Wissenschaftler zu Wort gemeldet. Auch im Fall Koufontinas kommt der Regierung zupass, dass sie Presse, Fernsehen und andere Medien zu Beginn der Corona-Krise weitgehend gleichgeschaltet hat. (…)“

Gegen die zahlreichen öffentlichen Proteste wird mit Polizeistaatsmethoden vorgegangen.

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Leben von Dimitris Koufontinas in akuter Gefahr

Von Wassilis Aswestopoulos, 23.2.2021 – telepolis

Kontroverse um Hungerstreik von Dimitris Koufontinas. Appell an Ministerpräsident Mitsotakis

Dimitris Koufontinas. Bild: gefangenen.info

„In Griechenland sorgt der Hungerstreik eines Politgefangenen für Aufstehen. Dimitris Koufontinas verweigert seit fast 50 Tagen die Nahrung, um seine Rückverlegung in das Gefängnis zu erreichen, in dem er ursprünglich einsaß. Nun wandte sich der bekannte griechisch-französische Regisseur Costa Gavras an Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, um eine Lösung zu erreichen und das Leben Koufontinas zu schützen. Mitsotakis solle sich für eine Rückverlegung in das Korydallos-Gefängnis einsetzen, so Costas Gavras. (…)“

„Seitens der Nea Dimokratia, damals Oppositionspartei, gab es scharfe Proteste, als Koufontinas 2018 erste Hafturlaube bekam und in ein Agrargefängnis verlegt wurde. In diesen Agrargefängnissen können die Inhaftierten mit Feldarbeit ihre Strafzeit mindern. Für Koufontinas, der im Zivilleben als Imker gearbeitet hatte, bedeutete die Verlegung auch ein Stück „Normalität“. (…)“

Die Nea Dimokratia verkündete bereits damals, dass sie die Verlegung von Koufontinas rückgängig machen und dessen Hafterleichterungen streichen würde. Kaum an der Regierung schuf die Mitsotakis-Regierung eine Art Sondergesetz, das die Verlegung von Dimitris Koufontinas in die Haftanstalt Domokos-Gefängnis zur Folge hatte. Hafturlaube wurden gestrichen, alle Anträge auf Verlegung in das Korydallos-Gefängnis, in dem Koufontinas ursprünglich in Haft war, wurden abgelehnt. Sämtliche Unterstützer des Anliegens von Koufontinas werden seitens der Regierung als Förderer des Terrorismus zu diffamiert.

„Koufontinas wird indes intensivmedizinisch behandelt. Ein Aussicht auf Haftentlassung gibt es für ihn kaum. Als ehemaliges Mitglied der linken bewaffneten Organisation 17. November ist er zu elf Mal lebenslänglich plus fünfundzwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt.(…)“

Der seit nunmehr 50 Tagen andauernde Hungerstreik von Dimitris Koufontinas richtet sich gegen die die sehr schlechten Haftbedingungen im Domokos-Gefängnis und gegen die Willkür und die Racheakte der Mitsotakis-Regierung. Sein Leben ist in akuter Gefahr. Seit Wochen finden – trotz brutaler Polizeieinsätze – Solidaritätsaktivitäten im ganzen Land statt.

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siehe auch: Bericht vom Dez. 2020


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O Topos Mou – die Vorgeschichte (2013) und heute

Revolte gegen das Nichtstun

Von Hans von der Hagen und Sonja Sydow, 10. März 2013 – SZ

„Was tun, wenn das Leben schief läuft? Bürger der griechischen Stadt Katerini direkt am Fuß des Olymp haben eine Antwort darauf gefunden: Viele von ihnen haben sich der Initiative „O topos mou“ („Mein Ort“) angeschlossen, die nicht nur Probleme in der Region lösen will, sondern auch Menschen günstig mit Lebensmitteln versorgt.“

„O Topos Mou“ wurde eine Erfolgsgeschichte, mit zahlreichen sozialen Projekten, einer großen Zahl von Mitwirkenden und internationalen Unterstützer*innen, mit herrlichen Räumen in einem ehemaligen Tabakforschungszentrum. Doch die Corona-Pandemie wurde zu einer großen Herausforderung. Der zusammenbrechende Tourismus führte zu grassierender Arbeitslosigkeit und der Verarmung tausender Menschen. Für das Projekt „Soziale Küche“ , das Abhilfe leisten soll, wurden in einem großen Kraftakt neue Räume geschaffen und ein großes Angebot an Nahrungsmitteln und täglichen Bedarfsartikeln bereitgestellt. Die Anforderungen sind riesig. Daher kämpft die Initiative mit Geldproblemen und hohen Belastungen. Finanzielle Hilfe wird weiterhin dringend benötigt.

Hilferuf der Bürgerinitiative „O Topos Mou“ aus Katerini

Fotogalerie zu den Bauarbeiten, Räumen und Ausstattung der „Sozialen Küche“

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„Angriff auf das öffentliche Bildungssystem“

Griechenland: Neues Gesetz soll Universitäten zum Nachteil der Studierenden umgestalten. Ein Gespräch mit Gregor Kritidis

Interview: Andreas Schuchardt, 16.2.2021 – Junge Welt

„Die konservative Regierung von Kyriakos Mitsotakis will in Griechenland eine spezielle Universitätspolizei einführen. Was ist der Hintergrund?

Proteste vor dem griechischen Parlament in Athen gegen das neue Bildungsgesetz (10.2.2021) Foto: imago images/ANE Edition

Mit der Universitätspolizei soll ein aus Sicht der Regierung chronisches Problem gelöst werden: Die Hochschulen als Ort sozialer Unruhe sollen autoritär befriedet werden. Der Gesetzentwurf steht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Veränderungen im Bildungssektor, die in den vergangenen Jahren von verschiedenen Regierungen vorangetrieben wurden. Insbesondere ist der Zugang zur Hochschulbildung erschwert worden. Das hat immer wieder zu Auseinandersetzungen geführt.

Wie sollen die Hochschulen in Zukunft aussehen?

Geplant ist eine Verschärfung der Zugangsbeschränkungen, ein Disziplinar- und Überwachungssystem, das kulturelle und politische Aktivitäten von Studierenden stark beschränkt, und die Zwangsexmatrikulation derjenigen, die die Regelstudienzeit überschreiten. Das trifft vor allem Studierende aus ärmeren Familien, die unter ohnehin prekären Bedingungen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen müssen. Zudem sollen die privaten Kollegs den öffentlichen Hochschulen gleichgestellt werden. Es handelt sich um einen Generalangriff auf das öffentliche Bildungssystem.

Gibt es Widerstand dagegen?

Ja. Neben Schülern und Studierenden beteiligen sich auch Gewerkschaften, linke Parteien und zahlreiche Professoren am Widerstand gegen die Regierungsvorlage. Selbst die Hochschulleitungen sind dagegen. (…)“

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Griechische Regierung führt Campus-Polizei ein und attackiert Studierende

Von Robert Stevens, 15.2.2021 – wsws.org

„Die griechische Regierung unter der rechten Nea Dimokratia (ND) hat am Donnerstagabend trotz großer Proteste ihr autoritäres Hochschulgesetz verabschiedet.

Der Gesetzentwurf sieht eine spezielle Campus-Polizei für die Überwachung von Universitäten vor. Die Universitätspolizei ist befugt, den Campus zu „bewachen“ und darf jeden verhaften, der von den Behörden als Unruhestifter angesehen wird. Die Campus-Polizei untersteht der nationalen Polizei und nicht den Bildungseinrichtungen, in denen sie patrouilliert. Gemäß dem Gesetz wurde außerdem ein „Disziplinarrat“ eingerichtet, der Studierende suspendieren oder ausschließen kann. (…)

Thessaloniki (10.2.)

Die Regierung gewann die Abstimmung im 300 Sitze umfassenden Parlament mit einer Mehrheit von 166 Abgeordneten, 132 stimmten dagegen. ND erhielt die Unterstützung der zehn Abgeordneten der rechtsextremen Partei Elliniki Lysi (Griechische Lösung), die nach dem Verbot der faschistischen Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) aufgestiegen ist.

Die wichtigste Oppositionspartei Syriza (Koalition der radikalen Linken) stimmte dagegen, ebenso wie die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), die Bewegung für den Wandel (KINAL) und MeRA25 (Europäische Realistische Ungehorsamsfront). (…)

Studierende und Lehrkräfte erheben u.a. folgende Forderungen, die sich gegen die autoritären Maßnahmen und die Unterhöhlung des öffentlichen Bildungswesens richten: Rücknahme des Gesetzes; keine Universitätspolizei; die Wiedereröffnung der Fakultäten im Sommersemester; keine Studienbeschränkungen oder Exmatrikulation von Studierenden; kein Disziplinargesetz; keine strikteren Zugangsbeschränkungen der staatlichen Universitäten; keine Gleichstellung der Hochschulabschlüsse von privaten und staatlichen Universitäten; öffentliche, kostenlose Bildung für alle und Hände weg von den Studierendenverbänden. (…)“

Der Artikel berichtet ausführlich über massive Polizeigewalt und über die Verleumdungen durch MP Mitsotakis, der die Universitäten als Hort der Kriminalität und Gewalt darstellte. Weitere Einzelheiten des neuen Gesetzes werden ebenfalls erläutert (z.B. die Möglichkeiten zur Exmatrikulation).

Der wochenlange Widerstand gegen das neue Gesetz ist mit der Geschichte des Kampfes um das Universitätsasyl eng verbunden. Der Ruf nach „Brot, Bildung, Freiheit“ steht in der Tradition des Kampfes gegen die Junta.

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Kurs auf Polizeistaat

Griechenlands Regierung will Uniformierte in Universitäten. Tausende Studierende protestieren

Von Hansgeorg Hermann, Chania, 13.2.2021 – Junge Welt

„Tausende Studierende und Professoren haben am Mittwoch und Donnerstag in Griechenland gegen die von der rechtskonservativen Regierung gewollte Präsenz der Polizei in den Universitäten protestiert. Ein neues Gesetz, das am Donnerstag abend im Parlament in Athen beschlossen wurde, sieht den Einsatz einer uniformierten Spezialtruppe in den Hochschulen vor, die nach den Worten des Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis »der täglichen Gewalt einer Minderheit« ein Ende setzen solle. Nach Ansicht der Opposition stellt der Schritt jedoch den Versuch dar, das gesetzlich verankerte Recht der Universitäten auf Selbstverwaltung unwirksam zu machen und die aufbegehrende Jugend des Landes im direkten Kontakt zu kontrollieren. (…)

Während die Regierung in den vergangenen Monaten Milliarden Euro in den Kauf neuer Waffensysteme aus Frankreich investierte, genannt sei die Anschaffung hochmoderner Kampfflugzeuge und Fregatten, bleiben im Staatshaushalt für den Bildungssektor nur Krümel. Gegen Mitsotakis’ Polizeieinsatz in den Akademien verwahren sich inzwischen auch ausländische Hochschulen. Die englische Oxford University solidarisierte sich am Mittwoch per Twitter und versprach »Studenten, Professoren und Bürgern« ihre »Unterstützung gegen die Polizei«. Die griechischen Polizeigewerkschaften begrüßen zwar das Gesetz, verlangen aber eine »klare Trennung« zwischen Universitätsordnungskräften und normaler Polizei.“

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Die Solidarität ist unsere Waffe!

Vio.Me-Belegschaft und Kulturschaffende Seite an Seite – besonders in Zeiten der Pandemie:

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