Kommunikationsmanagement der Katastrophe durch die Regierung Mitsotakis
Die Kämpfe von Feuerwehrleuten und Freiwilligen an den Feuerfronten von Evros gehen auf zwei Wochen zu, während sich die Regierung Mitsotakis mit kommunikativen Ankündigungen über „sofortige Brandschutzmaßnahmen“ begnügt, um die Inkompetenz des berühmten „Beamtenstaates“ zu vertuschen.
Regionalbezirk Evros an der Grenze zur Türkei, erstreckt sich mit einer Nord-Süd-Ausdehnung von rund 100 km am östlichen Rand der griech. Rhodopen. Nord- und Ostgrenze sind durch die Ebene des Flusses Evros geprägt.
Die Löscharbeiten konzentrieren sich auf Gebiete wie Kotronia (wohin am Dienstag eine neue Feuerwehr 112 geschickt wurde), Lefkimmi, Leptokarya, Tres Vrisses und Kirki. Starke Südwestwinde in der Region drohen das Feuer im Norden der Präfektur Evros weiter auszudehnen. Zur gleichen Zeit gehen in den Rhodopen die Wiederaufflammungen in Kassiteras weiter.
Gleichzeitig versuchte die Regierung Mitsotakis, die tragische Bewältigung einer weiteren Krise zu vertuschen, indem sie während der Sitzung, die am Dienstag in der Villa Maximou zu den Bränden stattfand, Neologismen wie „Wiederherstellungsunternehmen“ für die verbrannten Gebiete und „neue Verwaltungsmodelle“ für verbrannte und nicht verbrannte Gebiete verwendete.
Im Nordosten Griechenlands machen selbsternannte Grenzwächter Jagd auf Migranten
Von John Malamatinas, 29.8.2023 – nd
Ein Video im Netz sorgt in diesen Tagen in Griechenland bei vielen Menschen für Fassungslosigkeit. Es zeigt drei Männer – Zivilisten –, die 13 Migranten in einer Anhängerbox gefangen halten. Es existiert ein weiteres, in dem vier gefangen genommene Menschen vorgeführt werden.
Dahinter verbergen sich Aktionen, für die mehrere Todesfälle bei den schweren Waldbränden im Dadia-Nationalpark in der Region des griechisch-türkischen Grenzflusses Evros der Anlass waren. In der vergangenen Woche hatten die Behörden in dem Gebiet mindestens 19 verbrannte Leichen geborgen, unter ihnen auch die von zwei Kindern. Bei den Opfern dürfte es sich um Migranten gehandelt haben, die aus der Türkei über den Grenzfluss geschleust worden waren. Solche Migranten verstecken sich häufig in dem Waldgebiet.
Rasch verbreiteten sich in den sozialen Medien Gerüchte, die von rechtsextremen Netzwerken genährt werden und den Ausbruch der Brände mit den Migranten in Verbindung bringen. In anderen Varianten werden türkische oder russische Agenten oder Angehörige der muslimischen Minderheit im Land für die Feuer verantwortlich gemacht. (…)
Liebe Freundinnen, liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren, in Griechenland brennen die Wälder, verbrennen Menschen!
Uns – die Griechenland-Solidarität Hannover – hat gerade ein dramatischer Hilferuf aus dem Norden Griechenlands erreicht. Die Regierung Mitsotakis hatte zwar Anfang des Sommers erklärt, in diesem Jahr sei sie bestens auf die Waldbrandgefahr vorbereitet.Doch bei der Brandbekämpfung fehle es ihr aktuell an fast allem, schreibt Elias Tsolakidis von der Bürgerinitiative „ O Topos Mou“ in Katerini (liegt 80 Kilometer westlich von Thessaloniki am Fuße des Olymp). Er bittet um Spenden, um vor allem Atemschutzmasken, feuerfeste Handschuhe und Erste-Hilfe-Kästen für Helfende kaufen zu können.
Großfeuer weiter außer Kontrolle. Bisher größte Katastrophe in EU. Rechtsregierung stochert bei Ursachenforschung im dunkeln
Von Hansgeorg Hermann, Chania, 30.8.2023 – junge Welt
Nach nahezu zwei Wochen Einsatz unter schwersten Bedingungen haben die griechischen Feuerwehren und ihre internationalen Helfer die katastrophalen Großbrände – am vergangenen Wochenende waren es mindestens vierzehn – immer noch nicht unter Kontrolle bringen können. Nach Einschätzung aus Brüssel handelt es sich um »die größte derartige Katastrophe, die je in der Europäischen Union verzeichnet wurde«, wie am Dienstag gemeldet wurde. »Alles Asche«, titelte am Sonnabend die regierungskritische Wochenzeitung Documento und zeigte im Bild den rechten Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, der lieber dem ukrainischen Kriegschef Wolodimir Selenskij die Hand schüttelt, als sich um die Not im eigenen Land zu kümmern. Mehr als 75.000 Hektar Wald und Ackerland sind inzwischen in der bis zu 43 Grad Celsius heißen Sommerhitze verglüht. Um »Erbarmen« flehte die Athener Tageszeitung Efimerida ton Syntakton (Efsyn) im Namen der elf Millionen erschütterten Griechen; »Wir sind erledigt«, verzweifelte der sozialdemokratische Ethnos.
»Erledigt« in der Tat, denn Mitsotakis’ Regierung sei auf rein gar nichts vorbereitet gewesen angesichts der sich immer unberechenbarer präsentierenden Klima- und Wetterverhältnisse. Statt dessen ergehe sich der Premier in sinnentleerten Allgemeinplätzen – »Wir sind im Krieg« – und schicke, wie immer in Krisensituationen, seine Untergebenen vor. Am Wochenende den verantwortlichen Minister für Klimakrise und Zivilschutz, Vassilis Kikilias, der auch in seinen vorherigen Ressorts für Gesundheit und für Tourismus »nicht besonders aufgefallen« sei, wie Efsyn anmerkte. Kikilias war nach Alexandroupolis gekommen, um sich in der Hauptstadt der Provinz Thrakien dem Feuersturm zu nähern. Der bedrohte dort nicht nur die nördlichen Wohnviertel – einige tausend Einwohner waren vorsorglich evakuiert worden –, sondern hat bereits mehr als die Hälfte des Naturschutzgebietes Dadia an den Ufern des türkisch-griechischen Grenzflusses Evros vernichtet. 18 Menschen waren in der vergangenen Woche in den dichten Wäldern umgekommen, vermutlich von den Flammen eingeschlossene Flüchtende aus der Türkei, die elendig verbrannten. (…)
Betroffen waren der Investigativjournalist Kostas Vaxevanis und seine Familie, während sie sich in einem Restaurant befanden.
Von Sarantis Michalopoulos, 28.8.2023 – EURACTIV.com
In einem weiteren Vorfall, der die prekäre Lage griechischer Journalisten verdeutlicht, wurden der investigative Reporter Kostas Vaxevanis – ebenfalls nominiert für den Daphne-Caruana-Galizia-Preis – und seine Familie am Freitag von einem Geschäftsmann verbal und körperlich angegriffen, dessen Name auf der „sündigen“ Lagarde-Liste stand, die rund 2.000 potenzielle Steuerhinterzieher enthielt und 2012 von dem Journalisten aufgedeckt worden war.
Vaxevanis aß am vergangenen Freitag mit seiner Familie und seiner achtjährigen Tochter in einem Restaurant, als sich der Geschäftsmann dem Tisch näherte und ihn zu beschimpfen begann. Nach Angaben des Journalisten schlug der verbale Angriff in körperliche Gewalt um. Der Geschäftsmann versuchte, die Frau von Vaxevanis zu schlagen, die das Kind auf dem Arm hatte, und als die Mutter versuchte, den Angriff zu stoppen, erhielt sie einen Schlag ins Gesicht.
„Ich wurde angegriffen, weil ich meine Arbeit gemacht habe. Die Lagarde-Liste enthielt 2.062 Namen von griechischen Einlegern bei der Schweizer Bank HSBC, die Christine Lagarde der griechischen Regierung übergab, um sie auf mögliche Steuerhinterziehung zu untersuchen. Die griechische Regierung hat die Liste dann versteckt. Als ich sie enthüllte, wurde ich zur Bestrafung verhaftet. Ich wurde in Handschellen vor Gericht gebracht, glücklicherweise freigesprochen und mit zwei internationalen Preisen ausgezeichnet“, so Vaxevanis gegenüber EURACTIV.
„Politische Persönlichkeiten führen ständig methodische Prozesse, um mich einzuschüchtern“
Kostas Vaxevanis – investigativer Journalist und Dorn im Auge von Mitsotakis
Das europäische Portal Euractiv veröffentlicht einen ausführlichen Bericht über den dreisten Angriff, dem der Journalist und Documento-Redakteur Kostas Vaxevanis und seine Familie am Freitagabend während ihres Urlaubs auf Euböa zum Opfer fielen.
Neben der Beschreibung des Angriffs enthält Euractiv auch Aussagen des Redakteurs, der betont: „Ich wurde angegriffen, weil ich meine Arbeit gemacht habe. Die Lagarde-Liste enthielt 2.062 Namen von griechischen Einlegern bei der Schweizer Bank HSBC, die Christine Lagarde der griechischen Regierung übergab, um sie auf mögliche Steuerhinterziehung zu untersuchen. Die griechische Regierung hielt die Liste daraufhin zurück. Als ich sie enthüllte, ordnete sie als Strafe meine Verhaftung an. Ich wurde in Handschellen vor Gericht gebracht und glücklicherweise freigesprochen und mit zwei internationalen Preisen ausgezeichnet.
Großbrände, Landraub, Immobilienhandel. Griechenland ist fest in der Hand des Kapitals
Von Hansgeorg Hermann, 22.8.2023 – junge Welt
Vom Klimawandel wie vom Kapital zugerichtet (abgebrannte Hotelanlage in Kiotari im Südosten von Rhodos am 26. Juli 2023)
Im Fall Griechenland kann selbst den einigermaßen neutralen lokalen Beobachter fast gar nichts mehr überraschen. Nicht in diesem schönen, vielleicht schönsten Land des Kontinents. Im Südosten, wo das Meer immer noch türkisblau schimmert und die Oligarchen einfach immer weitermachen, und sie sich vielleicht für die winzig kurze Zeit von vier Jahren ein bisschen sorgten. Doch Alexis Tsipras, den sie in Brüssel, Paris und Berlin völlig zu Unrecht als »extremen Linken« verschrien und verachteten, ist neulich von der politischen Bühne abgetreten, seine »Koalition der Radikalen Linken«, Syriza (Synaspismos Rizospastikis Aristeras), ist von der Regierungspartei (2015 bis 2019) zu einer undisziplinierten, machtlosen Oppositionsdarstellerin verkommen. Eine charismatische Führungsnatur zeigt sich bisher nicht. Aber gut, Hoffnung ist noch da – eventuell schafft es ja diesmal eine Frau an die Spitze: Eftychia Achtsioglou, 38 Jahre alt, aus dem Kaff Giannitsa im Nordwesten der Universitäts- und Hafenstadt Thessaloniki, die unter dem Regierungschef Tsipras Arbeits- und Sozialministerin war. (…)
Durchmarsch der Rechten
Die eigentliche Überraschung für die vielen Journalisten aus aller Herren Länder, die – siehe oben – für die heimischen Lohnschreiberinnen und -schreiber der knapp 300 Printmedien freilich keine mehr war: Gleich drei mindestens stramm rechte, eher faschistische Parteien – Spartiates (Spartaner), Elleniki Lysi (Griechische Lösung), Dimokratiko Patriotiko Kinima (Patriotische Bewegung) – zogen am 25. Juni ins Parlament ein, die »Vouli« genannte, 300 Köpfe zählende Nationalversammlung in Athen, wo sie die absolute Mehrheit des alten und neuen rechten Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis ideologisch unterfüttern. Soll heißen: In Mitsotakis’ Partei Nea Dimokratia (ND) gibt es ohnehin einen Flügel, in dem sich Volk tummelt, das der emsige Stimmensammler aus dem kretischen Hafenstädtchen Chania aus einigen inzwischen verbotenen Formationen der äußersten Rechten absorbiert hat. Was der Regierungschef natürlich von sich weist. (…)
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