Reich des Chaos

Vor einem Jahr starb der griechische Komponist und Politiker Mikis Theodorakis Von

Von Hansgeorg Hermann, 2.9.2022 – junge Welt

Konzert in Hamburg (1971)

Als Mikis Theodorakis vor einem Jahr im hohen Alter von 96 Jahren starb, kam das dennoch unerwartet. Über Generationen gab es kein kulturelles oder politisches Leben in Griechenland ohne ihn. Er war überall. Einmal sogar in der Regierung. Ansonsten im Rundfunk, im Fernsehen, in den Zeitungen, bei seinen eigenen Konzerten oder solchen der vielen anderen Musiker, die ihn als ihren Meister verehrten. Er war in den Straßen Athens, zuletzt noch protestierte er im Rollstuhl vor dem griechischen Parlament, geschoben von seinem Kameraden Manolis Glezos. Auch der eine Legende des Widerstands gegen die deutschen Weltkriegbesatzer, drei Jahre älter als Theodorakis, der ihn in Trauer überlebte.

Nun ist er seit zwölf Monaten nicht mehr da, alle vermissen ihn, warten – wie es über Jahrzehnte üblich war – auf die Stimme, diese für einen fast zwei Meter großen Riesen merkwürdig hohe Stimme; warten, dass sie etwas sagen würde. Die Wahrheit vor allem. Zu dieser neuen rechten Regierung vielleicht, die vor drei Jahren eine »linke« ablöste, der er von Beginn an nicht getraut hatte. Mit Recht, wie sich herausstellte, als diese sich in Brüssel dem Finanzkapital unterwarf und dabei half, seinen elf Millionen Landsleuten die Sozialdienste zu zerstören, den Alten die Renten zu kürzen und eine halbe Million Kinder ins Ausland zu vertreiben.

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Veranstaltung: „Mikis Theodorakis – unsterblich“ am 9.9.2022 (19 Uhr), Altenberger Hof, Köln-Nippes (s. oben)

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Mitsotakis in der Bredouille

Nach Ausführungen von Giorgos Katsambekis (Politologe), 27.8.2022 auf Twitter

Während sich die griechische Regierung immer tiefer in den jüngst aufgedeckte Spionageskandal verstrickt (s. dazu), bei dem die Telefone des Oppositionsführers Nikos Androulakis vom Geheimdienst abgehört wurden, häufen sich die falschen bzw. irreführenden Behauptungen des Premierministers und wichtiger Minister. Gestern, im griechischen Parlament, scheint Premierminister Mitsotakis mindestens 6 falsche bzw. irreführende Behauptungen aufgestellt zu haben, von denen die meisten spektakulär widerlegt wurden.

  1. Mitsotakis behauptete, dass die legale Telefonüberwachung von Abgeordneten eine Schlüsselrolle bei der Zerschlagung der kriminellen Neonazi-Organisation Golden Dawn (GD) gespielt habe. Dies wurde sofort von Thanasis Kampagiannis widerlegt, einem Anwalt in dem emblematischen GD-Prozess, der auf der Grundlage der Prozessakten betonte, dass immer dann, wenn in dem Prozess Beweise durch das Abhören von Telefonen verwendet wurden, diese von einfachen Mitgliedern der Organisation stammten und nicht von Abgeordneten, und fügte hinzu, dass in den vielen Jahren der gewalttätigen Aktionen der GD der Geheimdienst nie zur Unterstützung bei der Zerschlagung der Organisation eingesetzt wurde.
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Völlig außer Kontrolle

Griechenland: Troika zieht ab und lässt rechte Regierung Mitsotakis von der Leine

Von Hansgeorg Hermann, 26.8.22 – junge Welt

Proteste in Athen gegen härtestes Kürzungspaket einer Industrienation seit dem 2. Weltkrieg

Seit einer Woche darf der rechte griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis das Haushaltsgeld des elf Millionen Menschen zählenden Volkes der Hellenen ganz alleine verteilen. Die Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, die den Wirtschafts- und Finanzpolitikern Athens seit mehr als zehn Jahren im Nacken saß, hat das Land an Europas südöstlichem Rand wieder in die Reihe der als kapitalistisch seriös akzeptierten Partner eingeordnet. Seit 2010 diente Griechenland als Experimentierfeld der demokratischen Krisenverwaltung in Europa. Das Ergebnis dreier Memoranden, mit denen die »Freunde« in Berlin, Paris und Brüssel die attische Volkwirtschaft in die Knie zwangen, dürfte künftig als Beispiel dafür dienen, wie selbst eine traditionell im politischen Widerstand geübte Gesellschaft vom Kapital ohne weiteres an die Kandare genommen werden kann.Seit einer Woche darf der rechte griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis das Haushaltsgeld des elf Millionen Menschen zählenden Volkes der Hellenen ganz alleine verteilen. Die Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, die den Wirtschafts- und Finanzpolitikern Athens seit mehr als zehn Jahren im Nacken saß, hat das Land an Europas südöstlichem Rand wieder in die Reihe der als kapitalistisch seriös akzeptierten Partner eingeordnet. Seit 2010 diente Griechenland als Experimentierfeld der demokratischen Krisenverwaltung in Europa. Das Ergebnis dreier Memoranden, mit denen die »Freunde« in Berlin, Paris und Brüssel die attische Volkwirtschaft in die Knie zwangen, dürfte künftig als Beispiel dafür dienen, wie selbst eine traditionell im politischen Widerstand geübte Gesellschaft vom Kapital ohne weiteres an die Kandare genommen werden kann.

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Führender Oppositionspolitiker und Journalist illegal vom Inlandsgeheimdienst überwacht

"Ein führender Oppositionspolitiker #Griechenland|s und ein Journalist wurden vom Inlandsgeheimdienst überwacht. Premier Mitsotakis hat sich im Fernsehen entschuldigt. Statt einer Regierungskrise gibt es bislang nur offene Fragen." #υποκλοπες #Ανδρουλάκης #κυβερνηση_Μητσοτακη

"Nikos Androulakis hat nun endgültig Gewissheit: Das was er seit eingen Wochen befürchtet hatte, wurde von offizieller Seite bestätigt. "Heute habe ich erfahren, dass der Inlandsgeheimdienst EYP, der direkt dem Premierminister unterstellt ist,"

via @ScherenaVaelter #Griechenland

"..mich während des parteiinternen Wahlverfahrens um den Vorsitz der Sozialdemokraten überwacht hat", gab er vor einer Woche bekannt. Androulakis ist nicht nur Vorsitzender der ?? Sozialdemokratischen Partei PASOK, sondern auch #EU-Abgeordneter."
#Griechenland

"Ist das alles ein Zufall, Herr Mitsotakis?", fragt Androulakis. "Acht Jahre lang habe ich im ?? Parlament mit aller Kraft für die nationalen Interessen unseres Landes gekämpft. Ich hätte nie erwartet, dass die ?? Regierung mich mit den dunkelsten Praktiken überwacht."

Originally tweeted by Greekphase (@greekphase) on 14. August 2022.

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Ablenken und abwarten

Griechenland: Premier will Abhörskandal aussitzen. Abgeordnete der Regierung hetzen gegen türkische Minderheit im Land

Von Hansgeorg Hermann, Chania, 16.8.22 – junge Welt

Will nichts von der Spähaffäre gewusst haben: Mitsotakis in Athen (30.9.2021)

Der rechte griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis versucht, den Abhörskandal, der seine Regierung seit Wochen erschüttert, einfach auszusitzen. Statt der Opposition im Parlament Rede und Antwort zu stehen, warum sein Geheimdienst monatelang die Telefone eines gegnerischen Parteichefs und eines Wirtschaftsjournalisten belauschte, setzte der Athener Chefpolitiker in der vergangenen Woche auf seine Heimatinsel Kreta über und feierte mit seinen Getreuen den 15. August, das nach Ostern zweithöchste Fest der griechisch-orthodoxen Glaubensgemeinde. Noch am Mittwoch hatte er einen Parteifreund, den als christlich-reaktionären Hetzer bekannten Charalambos Athanasiou, auf die Bouli, das Parlament, losgelassen. Für jedermann erkennbarer Auftrag des streng religiösen Politikers: das Epizentrum des Bebens nach links zu verschieben. (…)

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Abhörskandal in Griechenland: Harte Kritik an Regierung

Die Presse, 22.8.22

Nikos Androulakis (Pasok-Kinal)

Der griechische Geheimdienst hatte offenbar das Handy von Nikos Androulakis ausspioniert. Das Parlament unterbricht nun seine Sommerpause für Beratungen.

Der Abhörskandal rund um den Chef des linken Oppositionsbündnisses Pasok-Kinal, Nikos Androulakis, schlägt in Griechenland weiterhin hohe Wellen. Bevor am heutigen Montag das griechische Parlament verfrüht aus der Sommerpause zurückkehrt, um über den Fall zu beraten, sorgen vor allem kritische Stimmen für Schlagzeilen. Der konservative Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis (Nea Dimokratia/ND) weist aber weiter jede Verantwortung von sich, auch wenn „Fehler“ passiert seien. (…)

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Siehe auch

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Hetzjagd beendet

Erst nach einem Monat nimmt Athen Dutzende Geflüchtete auf, die am Grenzfluss Evros hin- und hergetrieben wurden

Von Hansgeorg Hermann, Chania, 18.8.22 – junge Welt

Die EU lässt ein fünfjähriges Mädchen auf einer Sandbank im Evros-Fluss zwischen der Türkei und Griechenland sterben. Maria und ihre Familie waren zum 2. Mal auf der griechischen Seite gestrandet. Sie wurden seit drei Wochen immer wieder hin und her gepushed.

Menschenjagd am Evros. Einen Monat lang irrten 39 syrische Kriegsflüchtlinge durch die wilde Uferlandschaft des griechisch-türkischen Grenzflusses, unter ihnen sieben Kinder und eine hochschwangere Frau. Das fünf Jahre alte Mädchen Maria starb, von einem Skorpion gestochen, zu Beginn der vergangenen Woche. Ihre Eltern versuchten, den kleinen Leichnam im kühlen Wasser zu konservieren, bevor ihre Leidensgenossen das tote Kind schließlich auf einer kleinen Insel mitten im Grenzgewässer beerdigten. Dimitra Kalogeropoulou, die Präsidentin des griechischen Roten Kreuzes, sprach am Montag von einem neuen Beweis für »die allseits bekannte Barbarei, die an allen Grenzen Europas stattfindet«. Am Montag zur Mittagszeit schließlich erlaubten die Grenzposten den Flüchtlingen offenbar, auf griechischer Seite an Land zu gehen.

Statt der erbetenen Hilfe eines Arztes und eines Krankenwagens für die blutende Schwangere empfing die Menschen zunächst die Polizei, berichteten Athener Tageszeitungen am Dienstag. Seit Tagen hatten internationale Hilfsorganisationen und das Rote Kreuz die griechische Polizei aufgefordert, den auf der kleinen Insel im Fluss verlorenen Familien einen sicheren Transport an Land zu ermöglichen und ihnen ihr Recht auf einen Asylantrag zu gewähren. Ein Gebot, auf das jüngst auch der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte noch einmal ausdrücklich hingewiesen hatte. (…)

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Geflüchtete im Niemandsland an der griechisch-türkischen Grenze

Seit ungefähr 2 Wochen sitzt eine Gruppe von etwa 40 syrischen Geflüchteten im Gebiet des griechisch-türkischen Grenzflusses Evros fest. Die Geflüchteten brauchen dringend medizinische Versorgung und Schutz – aber die griechische Polizei verweigert die Rettung. Ein fünfjähriges Mädchen, Maria, ist bereits an einem Skorpionbiss gestorben.

Sie müssten dringend in Sicherheit gebracht werden, forderten am Sonntag (14.8.) griechische Parlamentsabgeordnete sowie Menschenrechtsorganisationen. Die griechische Polizei erklärte jedoch, die Kleininsel liege auf der türkischen Seite der Grenze und somit außerhalb des griechischen Hoheitsgebiets. Die türkischen Behörden seien bereits zweimal informiert worden, hätten aber bislang nicht reagiert. Auch die griechische Regierung leugnet ihre Verantwortung, trotz einer Aufforderung des Europ. Gerichtshofs für Menschenrechte, die Geflüchteten zu retten.

Die Metadaten von den Fotos der Geflüchteten beweisen jedoch, dass die Gruppe sich auf griechischem Territorium befindet. (Stand 15. August)

Sie waren sich all der „Fake News“-Erzählungen bewusst, die in den letzten Tagen in Griechenland kursierten. Und gestern Abend und heute wurden mehr Videos und Fotos geteilt.

Rettung ist jetzt erforderlich. @112Greece Notrufnummer wird alarmiert. Verschiedene Hilfsorganisationen tun alles Menschenmögliche, um die Sicherheit der Gruppe und den Zugang zu Asyl zu gewährleisten. Anscheinend waren die einzigen, die die Flüchtlinge nicht ausfindig machen konnten, die griechische und (wenn die Berichte stimmen) die türkische Polizei. (Posts auf Twitter:Giorgos Christides.)

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