Abschied von Mikis Theodorakis

Von Hansgeorg Hermann, Chania, 11.9.2021 – JW

Ganz zum Schluss, am offenen Grab auf dem Friedhof seines Heimatdorfes Galata, begegnete Mikis Theodorakis noch einmal einem alten Freund. Zwei Musiker spielten und sangen ihm das Lied des Freundes und Dichters Tasos Livaditis von der weinenden Mutter. Der Komponist, Widerstandskämpfer und Politiker Theodorakis, am Donnerstag der vergangenen Woche in Athen im Alter von 96 Jahren verstorben, ist in den Armen seiner »Mutter Kreta« angekommen. Zehntausende gaben ihm in Athen das letzte Geleit, Hunderte holten ihn sieben Tage später im Morgengrauen im Hafen von Souda vom Schiff ab, Tausende Kreter nahmen in der Metropolis von Chania am Sarg Abschied von ihrem größten Sohn.

In Athen war der Leichnam seit Montag drei Tage lang aufgebahrt worden. Zur freudlosen Messe des Erzbischofs von Athen und seiner Gefolgschaft war ganz Athen gekommen: Prominenz aus Politik und Kultur – vor allem aber enge Freunde und das Volk, das ihn verehrte, das vor den schweren Türen der Metropolis ausharrte. Drinnen, wo Hieronymos II, Primas der griechisch-orthodoxen Kirche, und seine klerikalen Zeremonienmeister mit versteinerten Gesichtern der bewegenden Abschiedsrede des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), Dimitris Koutsoumbas, folgten, gaben auch Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou, der amtierende rechtskonservative Premierminister Kyriakos Mitsotakis und dessen linker Vorgänger Alexis Tsipras dem berühmten Griechen die letzte Ehre.

Koutsoumbas, dessen Worte – wie auch die der Staatspräsidentin – per Lautsprecher nach draußen übertragen wurden, vergaß unter dem Beifall der vielen tausend nicht zu erwähnen, wer den einstigen Widerstandskämpfer am Ende des Bürgerkriegs im Januar 1949 auf die Folterinsel Makronisos deportiert hatte. Der einst »schlimmste Feind« der politischen Rechten, wie die Athener Tageszeitung Efimerida ton Syntakton bilanzierte, starb nach den Worten Sakellaropoulous’ als »Symbol und Vorbild, als Lehrer der Nation«. Er selbst hatte vor einem Jahr in einem Brief an Koutsoumbas erklärt, dass er die Welt »als Kommunist« verlassen werde, weil er seine besten und wichtigsten Jahre »unter der Fahne der KKE« gelebt habe. (…)

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Dann lebt sein Geist weiter

Nachruf auf Mikis Theodorakis/ Von Mischi Steinbrück

Mischi Steinbrück

Mikis Theodorakis … Komponist und Poet. Musiker und Widerstandskämpfer. Exilierter und Gefolterter. Minister und Abgeordneter. Friedensstifter. Sämann. Wieder-Erfinder einer Kultur. (1) Er hatte eine glückliche Kindheit, überaus liebevolle Eltern und ein wundervolles Umfeld. Er selbst schreibt: „Bis zu meinem fünften Lebensjahr lebten wir auf Lesbos. An dieser Stelle setzen meine Erinnerungen ein… Das, was mich damals am meisten beeindruckte, waren das blaue Meer und das weiße Schiff ‚Alberta’… Noch heute versuche ich, den Eindruck jener unfassbaren Schönheit, die sich damals in meine kindliche Seele ergoss, musikalisch festzuhalten…“ (2) 

Dass einer das werden konnte, was er wurde, hat diese beiden entscheidenden Voraussetzungen: Die Liebe, die er auf so vielfältige Weise weitergab. Und die Schönheit, die ihn durchdrang. 

Am 2. September 2021 ist dieser unglaubliche Mensch im Alter von sechsundneunzig Jahren von uns gegangen. Wenn wir nur einen Bruchteil seiner Wärme, seiner Kraft, seiner Treue zur Idee in uns spüren und versuchen weiterzugeben, lebt sein Geist weiter; lebt weiter, was er uns geschenkt hat. Hören wir ihn uns wieder und wieder an! 

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Ein Aufruf, statt eines Nachrufs: Hört Mikis Theodorakis!

Heute morgen ist Mikis Theodorakis gestorben. Mit 96 Jahren, fast ein ganzes Jahrhundert alt. Was bleibt von ihm? Seine Musik und seine Vision von Verständigung und Verständnis in einer friedlichen Welt.

Wir, Sabine, Ludwig und Wolfram, das Chemnitzer Trio QUIJOTE, lieben seine Musik, seine Lieder. Sie beflügeln uns. Es gibt kaum ein Konzert, in dem wir nicht wenigstens einige seiner Lieder spielen. Ihre Melodien bringen die Herzen zum Klingen, die Augen zum Leuchten. Ihre Texte den Kopf zum Denken. Mit der Poesie der großen griechischen Lyriker wie Giorgos Seferis, Odysseas Elytis und Jannis Ritsos sind seine Vertonungen eine Symbiose eingegangen, die die Menschen weltweit erreicht.

Also bleibt Kunst für das Volk. Eine Kunst, die auf Traditionen aufbaut, die epochale Ereignisse widerspiegelt, Emotionen bindet und Hoffnung gibt.

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Vorerst keine Polizei auf dem Campus

Unmittelbar nach Regierungsantritt 2019 veranlasste die Mitsotakis-Regierung die Aufhebung des seit 1974 bestehenden Hochschul-Asyl-Gesetzes. Im Feb. 2021 brachte sie das Gesetz über die Schaffung einer Sondereinheit von 1000 Polizisten als „Universitätspolizei“, bewaffnet mit Schlagstöcken und Narkosegas und der zentralen Polizeibehörde sowie dem Ministerium für öffentliche Ordnung direkt unterstellt, durch das Parlament. Nun hat die Regierung ihre Entscheidung zur Stationierung der Polizei auf dem Universitätsgelände verschoben. Hier, in Thessaloniki, war die Polizei vorerst das letzte Mal auf dem Campus.

7.9. 2021 / Thestival-Team

<<Die Einrichtung einer Hochschulpolizei an den Universitäten wird aus mehreren Gründen auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt. Auf jeden Fall werden die ersten Polizisten des Sonderkorps erst ab Dezember in den universitären Einrichtungen zu sehen sein.

Einem Bericht der Zeitung „Kathimerini“ zufolge, der sich auf Quellen beruft, die mit der Angelegenheit vertraut sind, wird das Projekt nicht aufgegeben, aber es muss entsprechend vorbereitet werden. In der Mitteilung des Ministeriums für Bürgerschutz heißt es, dass die 400 Sonderwächter, die das OPPI (2) besetzen werden, eine mindestens dreimonatige Schulung durchlaufen werden.

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Das Ringen um Freiheit

Zum Tod von Mikis Theodorakis

Von Hansgeorg Hermann, 4.9.2021, Chania – junge Welt

Auf den Schultern eines ganzen Volkes getragen, geliebt und verehrt« – Michalis »Mikis« Theodorakis (29.7.1925–2.9.2021)

Im hohen Alter von 96 Jahren verstarb der Komponist, Widerstandskämpfer und Politiker Mikis Theodorakis am Donnerstag in Athen. Kaum zu glauben. Wo er doch das tägliche Leben seiner Griechen begleitete wie die Himmelsgestirne. Mit seiner Musik, morgens im Radio. Mit seinen vielen scharfsinnigen politischen Analysen, die – kaum hatte er sie öffentlich gemacht – gedruckt, verlesen und gesendet wurden. Die gehört und diskutiert wurden in Athen, Thessaloniki, auf den Inseln, in den Bergdörfern des Epiros und natürlich draußen in der Welt, in der Mikis Theodorakis zum Symbol des Kampfes eines elf Millionen Menschen kleinen Volkes für »Freiheit und Selbstbestimmung« wurde. Anderswo zur inhaltsleeren Phrase verkommen, war dieses »Ringen um Freiheit« Theodorakis über viele Jahrzehnte Lebenszweck.

Theodorakis, dessen Namen, übersetzt, den Begriff »Gottesgeschenk« in sich trägt, dürfte wohl der einzige auf diesem Planeten gewesen sein, dessen Musik entscheidend dazu beitrug, eine Diktatur zu stürzen. Doch »Mikis«, wie ihn in der Heimat alle nannten, meist liebevoll, manchmal abschätzig, war in Wirklichkeit ein Mann der Harmonie, ein Versöhner. (…)

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Generalprobe für ein „neues Gesundheitssystem“

Kommentar „Unsere Sichtweise“ von „Rizospastis“, 2. September 2021 (dt. Übersetzung)

Protest gegen die Zustände im Gesundheitswesen (April 2020)

„Eine „Generalprobe“ für das „neue Gesundheitssystem“ im Zuge der allgemeinen Kommerzialisierung und unternehmerischen Tätigkeit im Gesundheitswesen ist die Suspendierung von Tausenden von Arbeitnehmer*innen in den Krankenhäusern und anderen öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, weil sie nicht geimpft sind. (…)

Die Regierung nutzt die schmerzhaften Folgen und die Sackgassen ihrer Politik im öffentlichen Gesundheitssystem als „Gelegenheit“, um ihre reaktionären Pläne „ins Laufen zu bringen“. (…)

Anstatt Schritte zu unternehmen, um Krankenhäuser und Gesundheitszentren substanziell zu stärken, treibt die Regierung in einer Zeit, in der die Pandemie wütet, Fusionen von Kliniken und Abteilungen voran und gibt einen „Vorgeschmack“ auf die Umsetzung der inakzeptablen Ankündigungen über eine Schließung von Krankenhäusern, die – basierend auf dem Kilometerabstand – „nicht benötigt“ werden!

Sie sorgt dafür, dass das Personal von Klinik zu Klinik und von Krankenhaus zu Krankenhaus wechselt, und zwar auf Positionen, die nichts mit dem Fachgebiet des jeweiligen medizinischen Personals zu tun haben, so dass eine gefährliche „Suppe“ von Personal entsteht, wie es auf dem Höhepunkt der Pandemie der Fall war, als die Situation in den Krankenhäusern auf „rot“ war.

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Freunde und UnterstützerInnen der KKE in Österreich

Von Φραγκίσκος Ρωτόκριτος, 2. Sept. 2021: Ich möchte mit euch noch einen Brief teilen, den Mikis Theodorakis am 5.10.2020 an den Genossen Generalsekretär des ZK der KKE, Dimitris Koutsoumbas schrieb. (Quelle)

„Lieber Genosse Dimitris!

Jetzt, am Ende meines Lebens, in der Stunde der Rechenschaftsberichte, verschwinden aus meinem Denken die Einzelheiten und es bleiben die ‚Großen Dinge‘ zurück.
So sehe ich, dass ich meine entscheidendsten, die stärksten und meine reifen Jahre unter der Flagge der KKE verbrachte.
Aus diesem Grund möchte ich die Welt als Kommunist hinter mir lassen.
Ich wollte dich also bitten, dass du dich in jener Stunde persönlich annimmst, damit nicht nur meine Ideologie geachtet wird, sondern auch meine Kämpfe für die Einigkeit der Griechen. Sowie natürlich auch all das, was ich bereits in Abstimmung mit meiner Sekretärin Rena Parmenidou und dem Freund und Vorsitzender des kretischen Vereins der Freunde Mikis Theodorakis, Giorgos Agorastakis, geregelt habe.

Mikis Theodorakis“

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