Ein Aufruf, statt eines Nachrufs: Hört Mikis Theodorakis!

Heute morgen ist Mikis Theodorakis gestorben. Mit 96 Jahren, fast ein ganzes Jahrhundert alt. Was bleibt von ihm? Seine Musik und seine Vision von Verständigung und Verständnis in einer friedlichen Welt.

Wir, Sabine, Ludwig und Wolfram, das Chemnitzer Trio QUIJOTE, lieben seine Musik, seine Lieder. Sie beflügeln uns. Es gibt kaum ein Konzert, in dem wir nicht wenigstens einige seiner Lieder spielen. Ihre Melodien bringen die Herzen zum Klingen, die Augen zum Leuchten. Ihre Texte den Kopf zum Denken. Mit der Poesie der großen griechischen Lyriker wie Giorgos Seferis, Odysseas Elytis und Jannis Ritsos sind seine Vertonungen eine Symbiose eingegangen, die die Menschen weltweit erreicht.

Also bleibt Kunst für das Volk. Eine Kunst, die auf Traditionen aufbaut, die epochale Ereignisse widerspiegelt, Emotionen bindet und Hoffnung gibt.

Für uns als deutsche Künstler ist besonders faszinierend, wie sich in der Musik von Theodorakis die Lebenslust Bahn bricht. Wie schwer das Thema eines Liedes auch ist, wie präsent der Tod in manchen Versen sein mag, seine Musik hält alles und alle am Leben. Das, was die Verse beschreiben, hat er selbst erlebt: die faschistischen deutschen und italienischen Besatzer in Griechenland; die britische Besatzung während des anschließenden, sogenannten Bürgerkrieges; die Militärjunta 1967-1974. Schwere physische und psychische Folter, mehrfach knapp dem Tod entronnen, Verbannung, Exil. Wie viel Kraft muss das alles gekostet haben? Kraft, die Theodorakis nicht verlor, sondern vervielfacht in seine Kompositionen gegeben hat. Es sind über 1.000 Lieder, symphonische Werke, Opern, Ballettmusiken, Oratorien, Filmmusik…

Es bleiben die Erinnerungen an drei Begegnungen mit ihm: im Jahr 2000 in Ferropolis, dem ehemaligen Tagebau Gräfenhainichen, wo wir ihm eine Kassette mit ersten Aufnahmen übergaben. 2009 ein Besuch in Athen, gemeinsam mit dem Journalisten Hansgeorg Hermann, der eine Biografie über ihn geschrieben hatte, die wir in Deutschland und Griechenland vorstellten. 2013 besuchten wir ihn noch ein Mal in seinem Haus am Fuß der Akropolis. Es ging um die Geschichte des Oratoriums „Canto General“, die wir in den Zwischentexten unserer kammermusikalischen Version in deutscher Übertragung erzählen wollten. Geduldig hat er alle Fragen beantwortet. Vor uns breitete sich die Welt-Geschichte eines halben Jahrhunderts aus. Griechenland, Frankreich, Chile, Kuba, Nikaragua, Israel…Salvador Allende, Pablo Neruda, Che Guevara, Fidel Castro… Eine Episode folgte der anderen. Und immer dieser Schalk, dieser Witz, wenn er etwas erzählte.

In allem übernahm Theodorakis Verantwortung: als Musiker, als Widerstandskämpfer, als Politiker. Er war zutiefst aufrichtig. Sein Handeln entsprach seinen Überzeugungen und keinem billigen Kalkül. Er war ein Weltbürger und weltbekannt. Bleibend das Bewusstsein, dass wir für alles was wir tun, Verantwortung tragen – auch und gerade als Künstler.

Mikis Theodorakis wird bleiben, im Ohr und im Gedächtnis, indem wir seine Musik hören und spielen. Darum lautet unsrer Aufruf: Holt die Schallplatten und CDs hervor, schaut Euch Filme an und besucht Konzerte, in denen seine Musik erklingt.

Oder hört Mikis-Radio, eine digitale Datenbank der Musik von Mikis Theodorakis, mit 7.000 Musiktiteln aus 300 Alben und unveröffentlichten Aufnahmen: https://mikisradio.blogspot.com/.

Chemnitz, 2. September 2021, Sabine Kühnrich, Ludwig Streng, Wolfram Hennig-Ruitz

Dieser Beitrag wurde unter Kultur und Kunst, Musik abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.