Erstarken des rechten Randes

Die konservative Nea Demokratia hat die Parlamentswahlen gewonnen – trotz Stimmenverlusten. Aber der Preis dafür ist hoch.

Von Pascal Beucker, 26.6.2023 – TAZ

Foto: Pascal Beucker

Griechenland rückt nach rechts. Das ist das zentrale Ergebnis der Parlamentswahl vom Sonntag. Das macht sich weniger fest an dem erwarteten Wahlsieg des Konservativen Kyriakos Mitsotakis. Denn der von ihm erhoffte Erdrutschsieg ist ausgeblieben. Seine Nea Demokratia verzeichnete sogar einen leichten Stimmenrückgang. Aber dafür wurde der rechte Rand massiv gestärkt.

Das Kalkül von Mitsotakis ist zwar aufgegangen, sich nach der Wahl im Mai jeglichen Koalitionsverhandlungen zu verweigern und stattdessen auf umgehende Neuwahlen zu setzen. Dank des von ihm wieder eingeführten „verstärkten Verhältniswahlrechts“, bei dem – demokratietheoretisch höchst fragwürdig – der stärksten Partei zusätzliche Mandate geschenkt werden, kann sich die Nea Demokratia jetzt mit weniger als 41 Prozent der Stimmen über die absolute Mehrheit der Sitze im Vouli, dem griechischen Parlament, freuen. Aber der Preis, den dieses fragwürdige Manöver die griechische Demokratie kostet, ist hoch.

Neben der bisher schon im Parlament vertretenen rechtspopulistischen Elliniki Lysi (Griechische Lösung) haben auch erstmalig die ultranationalistische und ultrareligiöse Niki (Der Sieg) und die Spartaner, die als eine Nachfolgepartei der 2020 verbotenen Neonazipartei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) gesehen werden müssen, deutlich den Sprung über die Dreiprozenthürde geschafft. Zusammen kommen sie auf fast 13 Prozent. Seit dem Ende des Obristenregimes waren Rechtsaußenparteien noch nie so stark im Parlament vertreten.

Die Wahl vom Sonntag ist ein Einschnitt. Nur bei der ersten Wahl nach der Diktatur 1974 wählten die Griechinnen und Griechen mehrheitlich rechts der Mitte. Seitdem gab es stets eine Stimmenmehrheit für Parteien links der Mitte, auch wenn sich das aufgrund der Anzahl der sich als links verstehenden Parteien und des „verstärkten Verhältniswahlrechts“ nicht immer in entsprechenden Parlamentsmehrheiten widerspiegelte. Das hat sich jetzt geändert. (…)

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Solidarität mit Vio.Me – Aufruf für eine Spendenkampagne

Die Kampagne wurde am 19.7.2023 beendet – Spendenergebnis: 2495,- €

Ein süddeutscher Chemieunternehmer hat seine kleine Fabrik geschlossen und Vio.Me die Übernahme eines Teils seiner Anlagen, Geräte und Maschinen als Geschenk angeboten. Das sind u.a. Laborgeräte wie Trocken- und Kühlschränke, Magnetrührer etc., Betriebsgeräte wie Fassheizer, Rührkessel, mehrere Wannen, Wasserenthärter etc.

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Rechts, rechter, Mitsotakis

Griechischer Regierungschef kann mit Erdrutschsieg rechnen. Umfragen sehen ihn 25 Punkte vor Herausforderer Tsipras

Von Hansgeorg Hermann, 24.6.2023 – junge Welt

Die Zukunft der griechischen Linken scheint düster. Sämtliche Umfragen zu den Parlamentswahlen am Sonntag sagen einen klaren Sieg der bürgerlichen Rechten mit ihrem derzeit geschäftsführenden Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis voraus. Der Vollstrecker einer autoritären und restriktiven EU-Migrationspolitik ist in den zurückliegenden vier Regierungsjahren zum Liebling des transatlantischen Finanzkapitals aufgestiegen und könnte offenbar mit bis zu 25 Prozentpunkten vor seinem Herausforderer und Vorgänger im Amt, Alexis Tsipras, landen, dem Anführer der Koalition der radikalen Linken ­(Syriza). So bahnt sich eine Epoche rechter Herrschaft in Athen an, die an deutsche Verhältnisse unter Helmut Kohl oder Angela Merkel erinnert.

Im Aufwind scheinen auch kleinere faschistoide, nationalistische Bewegungen zu sein, wie die Elliniki Lysi (Griechische Lösung), die mit bis zu fünf Prozent wohl locker die in der Verfassung festgeschriebene Dreiprozenthürde passieren wird, oder die Niki (Sieg), der zur Zeit bis zu 4,4 Prozent prognostiziert werden. Mit ihren aktuell vorhergesagten 43,5 Prozent würde Mitsotakis’ Partei Nea Dimokratia (ND) um die 170 Sitze und damit ungefährdet die absolute Mehrheit in der 300 Abgeordnete versammelnden Bouli, dem griechischen Parlament, erreichen. Weit dahinter käme Tsipras, der mit 17 bis 18 Prozent das Ergebnis der Syriza vom Juli 2019 halbieren würde. Nicht besser dürfte es der Partei seines ehemaligen Finanzministers Giannis Varoufakis gehen, dessen Partei des Ungehorsams (MERA 25) mit derzeit 1,7 bis 2,5 Prozent um den Einzug ins Parlament und somit um die Existenz bangen muss. Zwischen den Fronten wiederauferstanden ist die sozialdemokratische Formation Pasok (Panhellenische sozialistische Bewegung), deren laue Oppositionspolitik sie immerhin zurück auf ein womöglich zweistelliges Ergebnis von zehn bis 13 Prozent führen könnte. (…)

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»Hoffnungslosigkeit – das hat Tsipras geschafft«

Über den Zustand der griechischen Linken und die Folgen der Regierungszeit unter Syriza. Ein Gespräch mit Stathis Kouvelakis

Interview: Hansgeorg Hermann, 24.6.2023 – junge Welt

Ausgabe von Essen in einer Suppenküche in Athen (20.1.2015)

Sie verließen 2015 als Mitglied des Zentralkomitees die »Koalition der radikalen Linken«, griechisch »Synaspismos Rizospastikis Aristeras« (Syriza). Am 25. Januar hatte Syriza die Wahlen zum griechischen Parlament gewonnen, die griechische Linke – im politischen Spektrum Griechenlands gilt die sozialdemokratische Pasok nicht als »links« – stellte zum ersten Mal in der Geschichte des Landes den Ministerpräsidenten, Alexis Tsipras, und eine Koalitionsregierung mit der rechtsnationalen Partei der »unabhängigen Griechen« (Anexartiki Ellines, Anel) als Koalitionspartner. Knapp sechs Monate später war es mit der Einheit der Gewinner vorbei, was war passiert?

Die Syriza hatte seit 2012 insgesamt elf Bewegungen zusammengefasst, sechs davon als hauptsächliche Träger der Koalition. Es handelte sich um teilweise sehr unterschiedliche Gruppen und Gruppierungen, die verschiedene Vorstellungen davon hatten, wohin eine linke Regierung das Land führen sollte. Es ging zum Beispiel um die Antwort auf die Frage, ob Griechenland den Euro als Währung abschaffen, aus der Euro-Zone austreten sollte, ob wir die von rechten und sozialdemokratischen Regierungen angehäuften Schulden bezahlen oder die Begleichung dieser Schulden verweigern sollten – wie das andere Länder vor uns getan hatten.

Was war Ihre persönliche Position?

Ich gehörte zu einer der bedeutenden Bewegungen, der Linken Plattform, deren Thesen und Programm marxistisch geprägt waren. Uns war klar, dass unsere Vorstellungen in der Euro-Zone, im Euro, nicht realisiert werden konnten. Eine echte politische Wende war in diesem Rahmen nicht möglich. Tsipras’ Position war diffus und in der Minderheit. Er hat es allerdings geschafft, das ist in der Tat auch heute noch seine Stärke, seine Gegner auseinanderzudividieren.

Tsipras wurde im Januar 2015 gewählt, das war ein Ereignis für die gesamte europäische Linke, sah man einmal von Pessimisten wie Ihrem Landsmann Mikis Theodorakis ab, der Tsipras von Beginn an für einen »Verräter« hielt …

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«Nicht die Zeit zu trauern, sondern zu kämpfen»

Syriza hat bei den Wahlen im letzten Monat eine schwere Schlappe erlitten, doch die griechischen Linke ist entschlossen, den Kampf fortzusetzen.

Von Danai Koltsida, Friedrich Burschel, 19.6.2023 – RLS

2. Wahlgang 2023: Das Sieben-Punkte-Programm der Linkspartei SYRIZA für die Parlamentswahlen (Griechenlandzeitung, 8.6.2023)

(…) Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 21. Mai hatten Tsipras und Syriza versucht, mit ihrer Stammwähler*innenschaft und unter Einbeziehung jener Mitte-Links-Wähler*innen, denen der griechische Rechtsruck seit 2019 Unbehagen bereitet, eine breite Front gegen die Mitsotakis-Regierung aufzubauen. Obwohl sich Syriza laut Umfragen gewisse Chancen zum Sturz der ND ausrechnen konnte, war das Wahlergebnis am Ende eine politische Demütigung für die führende sozialistische Partei Griechenlands: 20,07 Prozent, das schlechteste Ergebnis seit zehn Jahren und weniger als halb so viel wie Mitsotakis. Was ist falsch gelaufen, und kann sich Syriza davon noch einmal erholen? Mit Blick auf den nächsten Wahltermin, die Neuwahl am 25. Juni, hat Friedrich Burschel von der Rosa Luxemburg Stiftung mit Danai Koltsida, der Direktorin des Nicos-Poulantzas-Instituts in Athen, darüber gesprochen, was die Wahlniederlage bedeutet und wie Syriza zurück an die Macht kommen will.

In den Tagen und Wochen vor den Parlamentswahlen am 21. Mai lag Syriza laut Prognosen konstant nur wenige Prozentpunkte hinter der Nea Dimokratia, der Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, doch im Wahlergebnis stürzte die Partei um über 10 Prozent gegenüber den Umfragen ab. Wie kam es zu dieser überraschenden und erschütternden Niederlage? (…)

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Auf den U-Bahn-Baustellen in Thessaloniki herrscht Hochbetrieb

Wut über die massiven Entlassungen von Vertragsarbeitern, die Ende des Monats anstehen. Streik für nächsten Dienstag angekündigt.

Von Apostolos Lykesas, 22.6.2023 – efsyn

Die erste Arbeitsmobilisierung in Thessaloniki nach den Wahlen wird bei der Metro Thessaloniki stattfinden. Die Arbeiter haben gestern in einer Vollversammlung, die auf Initiative der Baugewerkschaft von Thessaloniki auf der Baustelle „Aktor“ in Kalochori stattfand, einen entsprechenden Beschluss gefasst.

Die Entscheidung ist für diejenigen, die die Ereignisse verfolgen, nicht überraschend und wurde von „Ef.Syn.“ ausführlich dokumentiert. (9.6.2023, „Explosion des Zorns über die Massenentlassungen“), da die Mitarbeiter der archäologischen Projekte der Metro (fast 280 Personen) am Ende des Monats mit der Begründung entlassen werden, dass das Projekt ausläuft und es keine Arbeit mehr gibt.

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Inwieweit beeinflusst die Flüchtlingskatastrophe den 2. Wahlkampf?

Von Niels Kadritzke, 21.6.2023 – BLOG GRIECHENLAND (Nachtrag)

In die „patriotische“ Agenda, mit denen Mitsotakis und die ND den Kleinparteien zu ihrer Rechten noch mehr Stimmen abjagen will, versuchen sie im zweiten Wahlkampf auch die Flüchtlingstragödie vom 14. Juni einzubauen. Dass die griechische Küstenwache mittlerweile in den Verdacht unterlassener Hilfeleistung geraten ist, braucht den kommenden Wahlsieger in keiner Weise zu stören. Mitsotakis fühlt sich in seiner harten Linie bestätigt, mit der er schon bei der ersten Wahl vom 21. Mai erfolgreich geworben hat.

„Gebt Kyriakos Stimmen mit seinen 40 Häusern, seinem Offshore-Vermögen, seiner Großfamilie und seiner Bande,
damit er unserere Menschlichkeit verbrenne, soweit er es bisher nicht geschafft hat, jedenfalls hat er sie kaputtgemacht.“ (@sofilakis)

Die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer, bei der in der Nacht zum 15. Juni mindestens 600 Menschen – Kinder, Frauen und Männer – mit ihrem seeuntüchtigen Boot in die Tiefe gerissen wurden, ist in ihrem genauen Ablauf noch nicht aufgeklärt. Das gilt auch für die Rolle der griechischen Küstenwache (HCG wie Hellenic Coast Guard), die nach internationalem Recht für die Rettung der Schiffbrüchigen zuständig war, weil sich der 30 Meter lange, mit etwa 750 Menschen überlastete Fischereitrawler mehr als 24 Stunden lang innerhalb der griechischen „Save and Rescue“-Zone befand. Die SAR-Zone gehört nicht zur Hoheitszone, aber der jeweilige Küstenstaat ist in diesem Seegebiet für die Seenotrettung zuständig. (…)

Schon jetzt ist absehbar, dass die Regierung das Unglück trotz der ungeklärten Fragen über die Rolle der HCG erfolgreich in ihrem Sinne instrumentalisieren kann. Sie schiebt die ausschließliche Verantwortung auf die Gruppe der ägyptischen Gang, die mit dem Trawler die Flüchtlingsroute Libyen-Italien bedient und von ihren „Passagieren“ für die Fahrt in den Tod pro Person zwischen 3000 und 6000 Dollar kassiert haben soll. Die griechischen Behörden haben unter den 104 geretteten Flüchtlingen (durchweg Männer) neun Ägypter verhaftet, die jetzt in Kalamata unter Anklage stehen.

Die nationale Pflicht zur Trauer wurde mit dem Ausrufen einer dreitägigen Staatstrauer abgeleistet. Aber das bleibt eine zynische Geste, wenn zugleich jede Stimme, die Fragen nach der „griechische Verantwortung“ stellt, als unpatriotisch oder gar als „nationaler Verrat“ denunziert wird. Und wenn Regierungschef Mitsotakis bei seinen letzten Wahlkampfauftritten unbeirrt verkündet, Griechenland werde an seiner „harten aber gerechten“ Flüchtlingspolitik festhalten. (…)

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