Über den Zustand der griechischen Linken und die Folgen der Regierungszeit unter Syriza. Ein Gespräch mit Stathis Kouvelakis
Interview: Hansgeorg Hermann, 24.6.2023 – junge Welt

Sie verließen 2015 als Mitglied des Zentralkomitees die »Koalition der radikalen Linken«, griechisch »Synaspismos Rizospastikis Aristeras« (Syriza). Am 25. Januar hatte Syriza die Wahlen zum griechischen Parlament gewonnen, die griechische Linke – im politischen Spektrum Griechenlands gilt die sozialdemokratische Pasok nicht als »links« – stellte zum ersten Mal in der Geschichte des Landes den Ministerpräsidenten, Alexis Tsipras, und eine Koalitionsregierung mit der rechtsnationalen Partei der »unabhängigen Griechen« (Anexartiki Ellines, Anel) als Koalitionspartner. Knapp sechs Monate später war es mit der Einheit der Gewinner vorbei, was war passiert?
Die Syriza hatte seit 2012 insgesamt elf Bewegungen zusammengefasst, sechs davon als hauptsächliche Träger der Koalition. Es handelte sich um teilweise sehr unterschiedliche Gruppen und Gruppierungen, die verschiedene Vorstellungen davon hatten, wohin eine linke Regierung das Land führen sollte. Es ging zum Beispiel um die Antwort auf die Frage, ob Griechenland den Euro als Währung abschaffen, aus der Euro-Zone austreten sollte, ob wir die von rechten und sozialdemokratischen Regierungen angehäuften Schulden bezahlen oder die Begleichung dieser Schulden verweigern sollten – wie das andere Länder vor uns getan hatten.
Was war Ihre persönliche Position?
Ich gehörte zu einer der bedeutenden Bewegungen, der Linken Plattform, deren Thesen und Programm marxistisch geprägt waren. Uns war klar, dass unsere Vorstellungen in der Euro-Zone, im Euro, nicht realisiert werden konnten. Eine echte politische Wende war in diesem Rahmen nicht möglich. Tsipras’ Position war diffus und in der Minderheit. Er hat es allerdings geschafft, das ist in der Tat auch heute noch seine Stärke, seine Gegner auseinanderzudividieren.
Tsipras wurde im Januar 2015 gewählt, das war ein Ereignis für die gesamte europäische Linke, sah man einmal von Pessimisten wie Ihrem Landsmann Mikis Theodorakis ab, der Tsipras von Beginn an für einen »Verräter« hielt …
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