Bis in alle Ewigkeit

Staatskirche ist in Griechenland Ordnungsfaktor und Machtinstrument rechter Regierungen. Besonders zur orthodoxen Osterzeit wird das deutlich

Von Hansgeorg Hermann, Chania, 30.4.2021 – junge Welt

Vereidigung Mitsotakis-Regierung 2019

Was die »freie Wirtschaft« und die Entwicklung der Finanzmärkte betrifft, ist Griechenlands rechter Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis ein echter Kapitalist neuen Zuschnitts. Seine Gesellschaftspolitik ergänzt das prächtig: Sie deckt die reaktionäre Komponente des Neoliberalismus ab. Mit den Mitteln des Polizeistaats werden Universitäten, Schulen und Sozialdienste kontrolliert und klein gehalten. Im Kabinett sitzen Minister, die als vormalige Führer faschistischer Bewegungen den äußersten rechten Rand der griechischen Wählerschaft bedienen. Für atmosphärischen Druckausgleich sorgt die orthodoxe Staatskirche. Wie jedes Jahr zum Osterfest, das die Ostkirchen dieses Jahr exakt einen Monat nach den vom Vatikan angeführten westlichen Gläubigen feiern, werden Metropoliten und Popen am kommenden Sonntag wieder die ganze Pracht und Herrlichkeit des liturgischen Firlefanz ausbreiten.

Ostern in Griechenland ist viel mehr, als es zunächst scheint. Es ist nicht nur ein Knüller im touristischen Milliardengeschäft, nicht nur ein Spektakel für die Fremden, die in kurzen Hosen staunend der »Heiligen Messe« folgen und im Kulturführer nachgelesen haben, dass es gilt, »Chronia polla« (langes Leben) und »Christos anesti« (Christus ist auferstanden) zu rufen, wenn am Sonnabend gegen Mitternacht die Glocken geläutet werden. Es ist eine Art Militärparade, die dem Volk vorführt, wie das Land sich glücklicherweise dem »wahren Glauben« – nichts anderes will Orthodoxie heißen – unterworfen hat und der Himmel sich jeder Regierung annimmt, die das ebenfalls tut, möglichst öffentlich. –> weiterlesen

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Neonazi Giannis Lagos in Brüssel verhaftet

Der (ex-) EU-Parlamentarier und Mitgründer der verbotenen Neonazipartei „Goldene Morgenröte“ wurde heute, Monate nach seiner Verurteilung, in Brüssel verhaftet. Die belgische Polizei vollstreckte den europäischen Haftbefehl. Zuvor wurden die Ergebnisse der gestrigen Abstimmung im EU-Parlament bekannt gegeben, bei der sich die Abgeordneten mit 658 „Ja“-Stimmen von insgesamt 693 abgegebenen Stimmen, also mit überwältigender Mehrheit, für die Aufhebung der Immunität von Giannis Lagos aussprachen. Im historischen Prozess gegen Mitglieder der „Goldenen Morgenröte“ im Oktober 2020 war Giannis Lagos zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. ( siehe dazu )

Christos Pappas, Chefideologe der Neonazi-Partei, konnte unter den Augen der griechischen Polizei entkommen und ist weiter flüchtig!

„Die Goldene Morgenröte ist Geschichte“ – von John Malamatinas, 22. 3. 2021 (Antifaschistisches Info-Blatt)

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Griechenland schmiedet eine „arabische Achse“

  • In den Konflikten mit der Türkei fühlt sich Griechenland von der Europäischen Union im Stich gelassen.
  • Besonders groß ist die Enttäuschung über Deutschland.
  • Die Regierung in Athen arbeitet deshalb an neuen Allianzen.

Gerd Höhler, 24.4.2021 – RND

Athen. Am Donnerstag donnerten Kampfflugzeuge in enger Formation über die Akropolis. Die Schau war Teil des Luftwaffenmanövers „Iniochos 2021“. Viele Athener zückten ihre Smartphones, um das Spektakel festzuhalten.

Die Flugschau demonstrierte militärische Stärke, übermittelte aber auch eine politische Botschaft. Neben Griechenland nahmen nicht nur die Nato-Partner USA, Kanada und Frankreich teil. Auch Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) schickten Kampfflugzeuge und Besatzungen. Der Allianzpartner und Nachbar Türkei war nicht dabei.

Streit um Erdgas

Das Manöver illustriert einen Paradigmenwechsel in der griechischen Außen- und Sicherheitspolitik. Die Türkei tritt gegenüber Griechenland zunehmend aggressiv auf. Staatschef Recep Tayyip Erdogan macht den Griechen Gasvorkommen streitig und meldet Gebietsansprüche in der Ägäis an.

Von den meisten EU-Staaten fühlt sich Griechenland in dem Konflikt allenfalls halbherzig unterstützt. Einzige Ausnahme ist Frankreich, das klar Partei für Griechenland ergriffen hat. Groß ist dagegen die Enttäuschung über die deutsche Haltung. Kanzlerin Angela Merkel gilt als wichtigster politischer Sponsor der Türkei in Europa. –> weiterlesen

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Festung Europa: Deutschland will Abschiebungen von Geflüchteten nach Griechenland erleichtern

Von Perspektive Online – 26. April 2021

Viele Geflüchtete kommen in Europa zunächst in Griechenland an. Deutsche Gerichte hatten Rückführungen dorthin in der Vergangenheit wegen der schlechten Lebensumstände mehrfach verhindert. Die Bundesregierung will das nun ändern.

Wie verschiedene Medien unter Berufung auf die Welt am Sonntag berichten, hat die Bundesregierung der Regierung Griechenlands finanzielle Unterstützung bei der Versorgung von Geflüchteten angeboten. Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte, sei allerdings noch offen, ob das Angebot in Athen angenommen werde.

Hintergrund ist die sogenannte „Dublin-Verordnung“, nach welcher Geflüchtete in dem Land in Europa bleiben sollen, in dem sie ankommen. Dennoch haben nach Angaben des Ministeriums allein im ersten Quartal dieses Jahres 2.900 Geflüchtete einen Asylantrag in Deutschland gestellt, die bereits in Griechenland einen ausgefüllt haben. (…) –> weiterlesen

Anerkannte Asylbewerber*innen landen in Griechenland häufig auf der Straße. Ziehen sie weiter nach Deutschland will die Bundesregierung sie auch loswerden.

Bund bietet Geld für Flüchtlings-Rücknahme (ntv 26.4.2021)

Die Zustände für Geflüchtete in Griechenland sind schlecht – das stellen auch deutsche Gerichte fest. Dennoch pocht das Bundesinnenministerium auf die Durchsetzung des Dublin-Verfahrens und will Tausende Schutzberechtigte zurückschicken. Athen soll dafür finanzielle Zuschüsse erhalten.

Die Bundesregierung hat Athen angeboten, sich finanziell an der Versorgung von aus Deutschland nach Griechenland zurückgeschickten Flüchtlingen zu beteiligen. Ob die griechische Regierung dieses Angebot annehmen werde, sei noch offen, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Nachfrage. Hintergrund sind Entscheidungen deutscher Verwaltungsgerichte, die aufgrund der schlechten Unterbringungs- und Versorgungssituation in zahlreichen Fällen verhindert haben, dass in Griechenland anerkannte Schutzberechtigte dorthin zurückgebracht werden. Das Bundesinnenministerium sieht dadurch die Architektur des gesamten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems gefährdet. (…) –> weiterlesen

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Viele verpasste Gelegenheiten

Kolumne von Michael Thumann, 23.4.2021 – Zeitonline

Erinnerung auf der einen, hartnäckiges Vergessen auf der anderen Seite: Die Verbrechen der Wehrmacht in Griechenland trüben bis heute das Verhältnis beider Nationen.

Es ist in Deutschland bisher kaum weiter aufgefallen, aber bevor der April vorbei ist, möchte ich zumindest in der Kürze dieser Kolumne darauf hinweisen, dass sich Griechenland gerade umfassend erinnert, auch an uns Deutsche. Vor 200 Jahren wurde das moderne Griechenland begründet, in einem Unabhängigkeitskrieg gegen das Osmanische Reich. Der erste König des modernen Griechenlands war Deutscher, ein Bayer namens Otto. Im April vor 80 Jahren, und hier kommen wir noch stärker ins Spiel, überfiel die deutsche Wehrmacht Griechenland, besetzte und verwüstete das unabhängige Land.

Dass die Griechen sich erinnern, die Deutschen sich ihrer Verbrechen aber so wenig entsinnen, ist symptomatisch für das latent stets etwas getrübte Verhältnis beider Nationen. Viele in Deutschland wissen vielleicht, dass aus Athen regelmäßig Reparationsforderungen kommen, aber die erscheinen uns dann unangemessen – ist doch schon so lang her, der Krieg. Immerhin gibt es bemerkenswerte Ausnahmen, von denen später. (…) Weiterlesen

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Geschichtsrevisionistische Fiesta auf Kreta

Von Wassilis Aswestopoulos, 20.4.21 – Telepolis

Erschießung griechischer Zivilisten durch deutsche Fallschirmjäger, Kreta, 2. Juni 1941. Bild: Bundesarchiv, Bild 101I-166-0525-30 / Weixler, Franz Peter / CC-BY-SA 3.0

Fallschirmjägervereinigung mit Verbindung zur Nato und zur Ukraine wollte Überfall der deutschen Nazi-Truppen auf die Insel positiv gedenken. „Wir werden ihre Tapferkeit nie vergessen“

Auf Kreta wollte eine Fallschirmjägervereinigung, die European Paratroopers Association, der Premiere der „first strategic airborne operation in history“, ersten strategischen Luftlandeoperation der Geschichte, gedenken. Sie wollten ihre gefallenen „airborne brothers“ ehren.

Zum Event hatten sie ein Plakat veröffentlicht, auf dem sie explizit schrieben, dass „80 Jahre vergingen seit die Elite-Truppen des Dritten Reichs absprangen und die Insel Kreta eroberten. Wir werden ihre Tapferkeit nie vergessen“.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Vereinigung in Griechenland mit Feierstunden aktiv wird. Im vergangenen September, am 21. des Monats, marschierten sie von Lamia nach Sparta, um der Schlacht der Spartaner gegen die Perser in der Antike zu gedenken. (…)

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Krasse „Erinnerungslücke“ in der Bundeswehr

Vor zwei Jahren holten zwei Bundeswehrsoldaten auf Kreta die griechische Flagge ein und tauschten sie gegen die deutsche Flagge aus. Sie wurden von einem griechischen Gericht zu 10 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt und in demselben Jahr aus der Bundeswehr entlassen. Im kürzlich stattgefundenen Berufungsprozess des einen der beiden Bundeswehrsoldaten argumentierte dieser u.a., dass „er sich nicht über die Geschichte im Zweiten Weltkrieg bewusst gewesen“ sei. Die Berufung wurde abgelehnt.

Angriff der Wehrmacht auf Kreta Mai 1941

Dies verweist auf das eigentliche Problem: ein Bewusststein über die zahllosen Wehrmachtsverbrechen in Griechenland existiert kaum, weder in der Bundeswehr noch in der deutschen Bevölkerung. Stattdessen blinde Flecken und Ignoranz. Ein Versäumnis sämtlicher bisheriger Bundesregierungen, die nicht nur die Reparationsfrage „entsorgt“, sondern es auch versäumt haben, eine würdige Erinnerungskultur in Bezug auf Griechenland aufzubauen. Am 20. Mai jährt sich zum 80. Mal die «Schlacht um Kreta», bei der die Nazis die Insel einnahmen. Sie gilt als eine der brutalsten Luftlandeoperationen des Zweiten Weltkriegs. Zahlreiche Kreter kamen damals beim Angriff sowie im anschließenden Partisanenkampf und bei Kriegsverbrechen der Wehrmacht an der Zivilbevölkerung ums Leben.

Griechische Flagge mit Steinen beschwert liegen gelassen – Die Männer waren am Sonntag zu einem bekannten Aussichtspunkt gewandert, hatten dort die griechische Flagge eingeholt und stattdessen die deutsche gehisst. Die griechische Fahne ließen sie mit einem Stein beschwert am Boden liegen. Wie das griechische Boulevardblatt „To Proto Thema“ berichtet, sollen an der Aktion insgesamt fünf Marinesoldaten beteiligt gewesen sein, die sich in einem Nato-Trainingszentrum nahe der kretischen Küstenstadt Chania aufhielten.“ (April 2019) (Quelle)

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