Solidarität mit griechischen Stahlarbeitern

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

_wsb_220x122_iordanis+georgioumein Name ist Iordanis Georgiou. Ich wende mich mit diesem Aufruf an die demokratische Öffentlichkeit, insbesondere an alle GewerkschafterInnen. Dies aus einem alarmierenden Anlass. 23 Stahlarbeiter aus dem Stahlwerk Eliniki Halivourgiki Aspropirgos sind am 9. 4. 2014 bis zu 23 Monaten Gefängnis mit Bewährung verurteilt worden. Mit diesem skandalösen Urteil wird der heldenhafte, mutige und selbständige neunmonatige Streik vor zwei Jahren kriminalisiert.

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Solidarität mit griechischen Stahlarbeitern.

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Goldabbau auf der Chalkidike

Goldabbau auf der Chalkidike

Von Hubert Schönthaler (Köln)

Einleitung

In den Ländern der südlichen Erdhalbkugel, doch auch in südeuropäischen und osteuropäischen Ländern wie z.B. Rumänien wird die Erde ausgebeutet und die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört.
In diesen Regionen herrschen soziale Katastrophen mit hoher Arbeitslosigkeit, Armut, Zerstörung von Bildungs- und Gesundheitssystem, Verschleuderung öffentlichen Eigentums bis hin zu gestiegener Zahl von Selbstmorden.
Nun soll auf der Chalkidike in Nordgriechenland in einem umweltzerstörenden Projekt Gold abgebaut werden.

Die Chalkidike

Die Chalkidike ist eine Halbinsel in Nordgriechenland an der Ägäisküste. Drei Finger der Halbinsel, Kassandra, Sithoniua und Athos ragen hinaus in die Ägäis und haben schöne Sandstrände. Athos ist allerdings eine unabhängige Mönchsrepublik mit orthodoxen Klöstern und abgeschottet. Doch gehören diesen Athos-Klöstern große Ländereien in Griechenland.
Ganz in der Nähe liegt die zweitgrößte Stadt Griechenlands Thessaloniki.
Die Region wird landwirtschaftlich genutzt, es gibt Fischerei und große Waldflächen. Die Chalkidike ist deshalb auch eine beliebte Region mit viel Tourismus.

Goldabbau

Mitten in diesem Gebiet soll jetzt im Tagebau Gold abgebaut werden von dem kanadischen Konzern „Eldorado Gold“/ „Ellinikos Chrysos“. Dies hat bzw. hätte zur Folge Luftverschmutzung, Zerstörung der Umwelt, vor Allem von Waldflächen und brächte Gefahren für Mensch und Tier durch den Einsatz von Zyanid, zyanidhaltiges Grundwasser und durch den Transport giftigen Materials in den Hafen von Thessaloniki durch Dörfer und Städte hindurch. Ein ähnliches Projekt soll zur Zeit auch in Rumänien durchgezogen werden.

Widerstand der Einwohner

Seit Jahren kämpfen die Einwohner der betroffenen Dörfer gegen das Projekt, ebenfalls gibt es eine starke Solidaritätsbewegung in der Stadt und Region von Thessaloniki. Der Einsatz von Kampfformationen der Polizei und von Security-Einheiten hat inzwischen fast bürgerkriegsähnliche Formen in den betroffenen Dörfern geführt.
Die Bewegung gegen das Goldprojekt wählt verschiedene Kampfformen: Demonstrationen, Blockaden, Solidaritätskonzerte in den betroffen Dörfern (z.B. in Skouries, Ierissos) und in Thessaloniki mit bekannten Künstlern, wie die kürzlich in Ierissos mit etwa 10.000 Konzertbesuchern unter freiem Himmel

Zwangsenteignungen, „Gemeinnützigkeit“ und „öffentliches Interesse“

Vor Kurzem hat der griechische Staat beschlossen, Waldgebiete, die dem Athos-Kloster Iviron und privaten Eigentümern gehören, zwangszuenteignen. Dort soll nach Abholzung des Waldes Abraum gelagert werden sowie für Mensch und Tier gefährliche giftige Schlämme.
Der Staat begründet die Enteignung damit, dass der Goldabbau und die Profitmacherei des kanadischen Konzerns „Eldorado Gold“/“Ellinikos Chrysos“ einem „gemeinnützigen Zweck“ diene und ein „öffentliches Interesse“ daran bestünde.
Nach dem Entschluss zur Zwangsenteignung beschloss das Kloster Iviron, seine Flächen zu verkaufen. Mit einem Widerstand der reichen griechisch-orthodoxen Kirche und ihrer Klöster ist ja sowie nicht zu rechnen gewesen.

Repression des Staates

Die Repression des Staates, der dem Betreiber des Goldabbaus die Rechte darauf „für einen Appel und ein Ei“ verkauft hat, ließ nicht lange auf sich warten: Hunderte von Menschen wurden wegen ihres Widerstandes wegen „Terrorismus“ angeklagt, mehrere Aktivisten waren monatelang in Haft. Die Gegner des Projektes sollen durch diese Anklagen und Prozesse finanziell ausgeblutet und natürlich demoralisiert werden.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die staatlichen Repressionskräfte sich wie eine fremde Besatzungsarme aufführen und auch von den Einwohner so wahrgenommen werden.

Ein Solidaritätskonzert mit und für die kämpfenden Einwohner

Eine der Kampfformen der Bewegung sind künstlerische Veranstaltungen direkt vor Ort auf der Chalkidike oder in der Großstadt Thessaloniki.
Am Samstag, 27. September 2014 fand ein solches Konzert in dem Ort Ierissos mit etwa 10.000 Besuchern statt. Gruppen von Menschen aus fast allen Dörfern der Halbinsel kamen, Busse und Autos aus Thessaloniki und aus anderen Städten Griechisch-Mazedoniens, Thessaliens und Griechisch-Thrakiens, d.h. Nord- und Mittelgriechenlands waren gekommen. Sogar von weiter weg aus Athen bis hin nach Kreta kamen Leute, um ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen.
Die Einwohner des Dorfes schmückten den Ort mit kämpferischen Transparenten. Am Eingang von Ierissos prangte ein Transparent mit der Parole: „Wartet nicht darauf, dass wir uns auch nur einen Augenblick beugen.“

Internationale Solidarität notwendig

Jetzt ist gegen dieses und ähnliche Projekte weltweit grenzüberschreitender Widerstand notwendig, Austausch von Erfahrungen, gemeinsame Aktionen, Vernetzung des Widerstandes europaweit und international.
Erste Schritte sind bereits unternommen worden. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Partei DIE LINKE nahesteht, hat im September diesen Jahres eine Rundreise von Aktivisten des Widerstandes auf der Chalkidike unterstützt. In den Städten Leipzig, Jena, Köln, Hamburg und Berlin sind Aktivisten aus Ierissos und Megali Panagia aufgetreten und haben über das Thema berichtet. Anwesend war eine Vertreterin vom Koordinierungskreis der Trägervereine in Ierissos und ein Vertreter des Kampfkomitees von Agia Panagia.
Dies war ein erster Schritt, dem in Zusammenhang mit der Griechenland-Solidarität weitere Aktivitäten in Deutschland und international folgen müssen.

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Almosen vom Staat | junge Welt

Griechenland
Almosen vom Staat
Millionen Griechen leben an oder unter der Armutsgrenze. Ein geringes
garantiertes Grundeinkommen wird daran kaum etwas ändern
Premierminister Antonis Samaras wird nicht müde, die Folgen der in Griechenland seit vier
Jahren angewandten Austeritätspolitik als Erfolgsgeschichte zu verkaufen. Ausländische
Gläubiger und ihre Medien untermalen dies mit einem Lob für Griechenlands Reformen und
Hinweisen auf gestiegene Aktienkurse und wiedererlangte Kreditwürdigkeit. Immer verbunden
mit der Mahnung, auch in Zukunft bloß nicht vom rechten, sprich neoliberalen Weg abzuweichen.

 

 

Almosen vom Staat | junge Welt.

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Die Ausrangierten | junge Welt

Die Ausrangierten

Das unbeschreibliche Elend italienischer Rentner Am härtesten sind alte Menschen von der sich verschärfenden Krise der kapitalistischen Gesellschaft betroffen. Die Ausrangierten, deren Arbeitskraft für das Kapital keinen Wert mehr hat. Nach einer dieser Tage vom italienischen Nationalinstitut für Soziale Fürsorge (INPS) veröffentlichten Statistik erhält die Hälfte der Rentner, das sind 6,8 Millionen, weniger als 1.000 Euro im Monat. 52 Prozent von ihnen sind Frauen. Diese Menschen leben bereits unter der Armutsgrenze, die mit 999,67 Euro angegeben wird.

 

 

Die Ausrangierten | junge Welt.

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Bewusstlos geprügelt | junge Welt

Festung EuropaBewusstlos geprügeltSchläge an der EU-Außengrenze: Videoaufnahmen belegen Misshandlung von Flüchtlingen durch Polizisten in der spanischen Exklave MelillaAndré Scheer

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Gregor Kritidis, Griechenlands angebliche „Success-Story“: Verelendung statt Demokratie

Griechenlands angebliche „Success-Story“: Verelendung statt Demokratie

Bei diesem Text handelt es sich um die leicht gekürzte und überarbeitete Fassung eines Aufsatzes aus dem Buch von Gregor Kritidis: Griechenland – auf dem Weg in den Maßnahmestaat?
Autoritäre Krisenpolitik und demokratischer Widerstand. Offizin-Verlag, ISBN 9783945447024, 148 Seiten, 15,00 Euro.

 

artikel_0000113_b_1In keinem anderen Land der EU ist es im Zuge der Weltfinanzkrise zu derart starken sozialen und politischen Verwerfungen gekommen wie in Griechenland. Die Ursache der Misere, so die vorherrschende Lesart, sei eine Mischung aus südeuropäischem Schlendrian und balkanischer Vetternwirtschaft. Diese Deutung steht jedoch insofern auf wackeligen Füßen, als der Anstieg der staatlichen Neuverschuldung infolge der Bankenrettungs-Programme keinesfalls eine griechische Besonderheit war. Das Besondere an Griechenland war und ist, dass die sozialen und politischen Eliten aus eigenem Antrieb zur Umsetzung des Austeritätsprogramms auf die Hilfe der EU und des IWF zurückgegriffen haben. Historisch ist dieses Vorgehen keinesfalls einzigartig, die griechischen Eliten haben sich bei schwerwiegenden innenpolitischen Krisen stets der Unterstützung ausländischer Mächte rückversichert.

Knebelverträge zur Staatsrettung

Seit dem Abschluß der Kreditverträge vom Mai 2010 zwischen den Staaten der Eurozone sowie dem IWF einerseits und der Republik Griechenland andererseits steht das Land unter Kuratel. Seit 2010 bestimmen die Vertreter der Gläubiger die politische Agenda, und zwar in umfassender Weise. So wurde nicht nur das Budgetrecht des Parlaments vollkommen ausgehebelt, es gibt kaum einen gesellschaftlichen Bereich, der nicht durch die Vorgaben der Gläubiger betroffen wäre. Durch die Verträge und die mit ihnen verbundenen Memoranda wird der griechischen Regierung genau vorgeschrieben, welche Maßnahmen in welchem Zeitraum zu vollziehen sind. Zur Überwachung dieser Vorgaben ist eine eigene Institution geschaffen worden, die Troika, bestehend aus Vertretern des IWF, der EZB sowie der EU-Kommission. Deren Legitimation ist ebenso zweifelhaft wie die der Task-Force, die nach offizieller Lesart im Auftrag der EU-Kommission der griechischen Regierung bei der Umsetzung der Reformen beratend zur Seite steht.

Durch die Kreditverträge ist ganz Griechenland mitsamt allen mobilen und immobilen Sachwerten praktisch verpfändet. Das gilt sowohl für das gesamte öffentliche Vermögen, aber auch – vermittelt über Steuern und Abgaben – für privates Eigentum und sogar für noch nicht entdeckte unterseeische Bodenschätze. Es gibt auch keine Möglichkeit, die Verträge nachträglich zu modifizieren oder juristisch anzufechten. Sie unterliegen auch nicht etwa EU-Recht, wie man annehmen sollte. Ihre Grundlage ist vielmehr das britische Recht, in dem die Position des Gläubigers besonders stark ausgestaltet ist. Der Staatsrechtler Giorgos Kassimatis spricht in diesem Zusammenhang von einer “Aufhebung der Verfassung” sowie einer “Abtretung von Souveränitätsrechten” und hat darüber hinaus eine Reihe von Verstößen gegen das EU- und Völkerrecht ausgemacht.  Sein Kollege Kostas Chrysogonos spricht von einer „de-facto“Abtretung der Souveränität, da die „Memoranden gleichbedeutend sind mit der Übertragung der Zuständigkeit für die Implementierung und Durchführung der Wirtschafts-, Haushalts- und Sozialpolitik des Landes an die Troika.

Schock-Therapie zur „inneren Abwertung“

Die drastische Senkung der Masseneinkommen, die sogenannte „innere Abwertung“ ist das ausdrückliche Ziel der Politik der Troika, hinter dem andere Ziele wie die Reform der öffentlichen Verwaltung oder des Steuersystems deutlich zurückstehen. Das liegt in der Logik des Bündnisses zwischen den Gläubigern und ihren Vertretern einerseits und der griechischen Oberschicht sowie ihrer politischen Repräsentanten andererseits begründet. Keine griechische Regierung hat ein Interesse, die eigene Machtbasis ernsthaft zu gefährden. Folglich können keine Reformen umgesetzt werden, die zentrale Interessen der griechischen Oberschicht berühren. Exemplarisch dafür ist die Reform des Steuerwesens, dass – sollte sie jemals ernsthaft in Angriff genommen werden – die de jure und de fakto bestehende Steuerfreiheit der Oberschicht und der oberen Mittelschicht beseitigen müßte. Das bedeutet, dass die traditionellen Formen der politischen Herrschaft, insbesondere der ausgeprägte Klientelismus, nicht beseitigt sondern im Gegenteil noch befestigt werden. Mit zunehmender Verarmung nimmt die soziale Abhängigkeit der ums Überleben kämpfenden Bevölkerung zu, sodass Formen der Vorteilsgewährung und –nahme einen besonders guten Nährboden finden.

Wirtschaftliche Folgen der Austeritäts-Politik

Durch die Politik der Ausgabenkürzungen und Lohnsenkungen ist die gesamtwirtschaftliche Nachfrage dramatisch geschrumpft, die Steuereinnahmen sind trotz massiver Steuererhöhungen gesunken und der Schuldenberg ist sowohl in absoluten Zahlen als auch relativ zum BIP gestiegen. Die griechische Ökonomie ist laut dem Ökonomen Yannis Varoufakis „klinisch tot“, allen Behauptungen der griechischen Regierung über eine „Success-Story“ zum trotz. Selbst der IWF betrachtet die Resultate der von ihm mitverantworteten Politik im Gegensatz zur EU mittlerweile kritisch, und dafür gibt es handfeste Gründe: Die Austerity-Politik hat die Grundlage für eine massive Umverteilung des Eigentums gelegt, nicht nur durch die nach deutschem Vorbild eingesetzte Privatisierungs-Agentur, sondern auch durch Firmenpleiten und private Notverkäufe. Zudem haben die großen Kapitalgruppen in Griechenland von der Senkung der Masseneinkommen erheblich profitiert. Durch die Rezession sinkt jedoch auch die Schuldentragfähigkeit des griechischen Staates, sodass die Bedienung der Schulden zunehmend in Frage steht – eine Kuh kann man schlachten, gleichzeitig melken kann man sie nicht. Eine erneute Umschuldung in welcher Form auch immer ist daher auf absehbare Zeit unumgänglich.

Verarmung der Bevölkerung

Für die Mehrheit der Lohnabhängigen, Rentner und kleinen Selbstständigen hat die Politik der Troika dramatische Auswirkungen: Die Einkommen sind nach Schätzungen mittlerweile um 35 bis 40 Prozent gesunken, die Arbeitslosigkeit lag im im zweiten Quartal 2014 offiziell bei 27%, bei jungen Leuten unter 25 Jahren fast 60%. Zehntausende Familien vor allem in den städtischen Zentren sind ohne Einkommen und auf die Unterstützung durch Suppenküchen und Lebensmittelhilfen angewiesen. Betroffen sind vor allem die ohnehin verwundbarsten Teile der Gesellschaft, d.h. diejenigen Bevölkerungsschichten, die bereits vor der Krise nur über ein geringes Einkommen verfügten. Besonders dramatisch sind die Auswirkungen der Kürzungsvorgaben der Troika im Gesundheitssektor. Offiziell sind rund 30% der Bevölkerung nicht mehr krankenversichert. Inoffizielle Schätzungen gehen davon aus, dass mittlerweile etwa jeder Zweite keine Krankenversicherung mehr hat. Einen Hinweis auf das Ausmaß der Verschlechterung der öffentlichen Gesundheitsversorgung gibt die Rate der Kindersterblichkeit, die zwischen 2008 und 2010 um 43% angestiegen ist. Nicht weniger dramatisch ist die psychische Situation großer Teile der Bevölkerung. So ist die Selbstmordrate zwischen 2007 und 2011 um 45% gestiegen.

Die griechische Variante der Postdemokratie

Da sich die Durchsetzung der Austeritätspolitik explizit gegen die wirtschaftlichen Interessen der Mittel- und Unterschichten und damit gegen ihre soziale Integration richtet, macht sie folglich eine  Aufhebung demokratischer Partizipationsmöglichkeiten notwendig bzw. setzt sie zu ihrer Durchsetzung  geradezu voraus. Die Austeritätspolitik der Troika geht mit einer Aushöhlung der demokratischen Institutionen einher. Faktisch ist in Griechenland eine neue Form der politischen Herrschaft etabliert worden, die mit den Begriffen der Postsouveränität und Postdemokratie zutreffend beschrieben werden kann: Formal verabschiedet zwar immer noch das Parlament die Gesetze, ihrem Inhalt nach handelt es sich aber um einen Vollzug der Vorgaben der durch die Troika vertretenen Gläubiger, wobei die kommerziellen Medien, die sich fast ausnahmslos in den Händen weniger Kapitalgruppen befinden, die Regierungspolitik in weitgehendem Maße unterstützten. Es gibt keine größere Versammlung gegen die Maßnahmen der Troika, der nicht mit exzessiver Polizeigewalt begegnet worden wäre. Legitimiert wird das häufig von parastaatlichen Schlägertrupps flankierte Vorgehen der Behörden mit der angeblichen Gewaltbereitschaft der Demonstranten. Das Arbeits- und Streikrecht ist in den letzten Jahren massiv ausgehöhlt worden, mittlerweile werden Arbeitskämpfe mit der Anwendung von Notstandsgesetzen niedergeschlagen, die Streikende mit Gefängnisstrafen und Entlassung bedrohen. Charakteristisch für das Selbstverständnis der gegenwärtigen griechischen Regierung ist das Regieren per Dekret. Allein für 2012 zählt der Verfassungsrechtler Kostas Chrysogonos 25 derartige Notverordnungen. Das international bekannteste Beispiel für diese Praxis ist die handstreichartige Abschaltung des staatlichen Rundfunks ERT im Frühsommer 2013. Dieses Vorgehen ist vor allem deswegen pikant, weil dadurch die Pressefreiheit und die politische Meinungsbildung tangiert worden ist.

Diese Beispiele für die sukzessive Zerstörung der Demokratie ließen sich fast beliebig fortsetzen, insbesondere wenn man die Suspendierung der Menschen- und Bürgerrechte für Gruppen wie Häftlinge oder Migranten einbezieht. Die teilweise unverhohlene Kooperation zwischen staatlichen Institutionen und der faschistischen Goldenen Morgendämmerung, über deren Regierungsfähigkeit vor dem Mord an dem linksgerichteten Rapper Pavlos Fyssas im Herbst 2013 in den Medien offen spekuliert wurde,  ist ebenso exemplarisch für den autoritären Charakter staatlicher Politik wie der Skandal um den Generalsekretär der Regierung Panajotis Baltakos, dessen Kooperation mit der Goldenen Morgendämmerung ein deutlicher Beleg für die Funktion faschistischer Parteien zur Durchsetzung kapitalistischer Herrschaftsinteressen sind. Die parlamentarische Demokratie ist in Griechenland nur noch eine Attrappe, hinter der sich ein postdemokratischer autoritärer Maßnahmestaat formiert hat.


Gregor Kritidis

studierte Politische Wissenschaft, Soziologie und Sozialpsychologie an den Universitäten Hannover und Athen und promovierte 2007 in Hannover. Seit 2000 ist er Redakteur des Internetmagazins www.sopos.org.

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10.10.2014: Erster Akt in Renzis Reformagenda (neues-deutschland.de)

Erster Akt in Renzis Reformagenda

Der italienische Ministerpräsident hat die Vertrauensfrage im Senat überstanden / Beschäftigungsgipfel endete ohne Einigung auf Maßnahmen

Der »Job’s Act«, die Reform des italienischen Arbeitsmarktes, hat die erste Hürde genommen. Mit der Verabschiedung im Senat verschäft sich allerdings die Spaltung der Demokratischen Partei.

Italiens Premier Matteo Renzi

Italiens Premier Matteo Renzi

Foto: dpa/Matteo Bazzi

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi wollte unbedingt ein sichtbares Pfand: Am Tag, an dem in Mailand das EU-Gipfeltreffen zum Thema Arbeit stattfand, sollte sein »Job’s Act« auf den Weg gebracht werden. Jedoch verabschiedete der Senat erst am späten Abend nach einer äußerst hitzigen Sitzung, bei der Beschimpfungen aber auch Akten und Bücher durch den Saal flogen, das Gesetz, mit dem im Wesentlichen der Kündigungsschutz aufgegeben wird.

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