Europas einzige Erbdemokratie: Der Mitsotakis-Clan
Von Ferry Batzhoglou, 26.6.2023 – TAZ

ATHEN taz | Kyriakos Mitsotakis, der alte und seit der Wahl am Sonntag neue griechische Regierungschef, ist Spross einer alten Politdynastie. Sein Urgroßvater Konstantinos, der „Gero-Kosti“ (der „alte Kostis“), ist der Gründer des Mitsotakis-Clans. 1845 auf dem Peloponnes als Kind kretischer Eltern geboren, die vor Verfolgung auf Kreta geflüchtet waren, zog Kostis Mitsotakis 1872 nach Chania auf Kreta und gründete die „Partei der Barfüßigen“, wie sie seine politischen Gegner abschätzig nannten.
Eine grobe Unterschätzung: Denn Kostis Mitsotakis war Förderer und enger Vertrauter des jüngeren Eleftherios Venizelos, der von 1910 bis 1933 mit Unterbrechungen gleich sieben Mal Griechenland regierte. Kostis Mitsotakis heiratete auch Venizelos’ Schwester Katigo.
Das war der Grundstein für die Etablierung des Mitsotakis-Clans in der griechischen Politik. Der Enkelsohn des Dynastiegründers, also der Vater des jetzigen Regierungschefs Kyriakos, der nach alter Tradition den Vornamen seines Großvaters erhielt, prägte nach dem Zweiten Weltkrieg fast fünfzig Jahre lang die Politik in Griechenland, von 1990 bis 1993 als Regierungschef. Kyriakos’ Großvater, der selbstredend auch Kyriakos hieß und so sein Namensgeber war, war Abgeordneter.
In der Athener Politik bleibt die oikogeniokratia (Familienherrschaft) gut 200 Jahre nach der Befreiung vom osmanischen Joch und mehr als vierzig Jahre nach Griechenlands Beitritt zur EU so fest verankert wie die Vetternwirtschaft und der Klientelismus. Ob Weltkriege, regionale Kriege, ein Bürgerkrieg oder Staatspleiten: In Griechenland ist die oikogeniokratia nicht auszurotten. (…)
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.