Der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis und seine paneuropäische Partei DiEM25
Interview: Ferry Batzoglou, 10.5.2023 – TAZ

Mit dem Referendum vom 5. Juli 2015 lehnte die Mehrheit der Griechinnen und Griechen eine Fortsetzung des durch die Troika (EU, EZB und IWF) auferlegten Spardiktats ab. Dennoch kapitulierte Regierungschef Alexis Tsipras (Syriza) und machte aus dem „Nein“ (OXI) ein „Ja“. Der damalige Finanzminister Yanis Varoufakis folgte ihm nicht. Stattdessen gründete er 2015 die paneuropäische Bewegung „Demokratie in Europa“ (DiEM25).
Um bei Wahlen in den einzelnen EU-Ländern kandidieren zu können, musste DiEM25 lokale Parteien ausgründen, für Griechenland wurde es MeRA25, seit 2019 im griech. Parlament vertreten. Fast zeitgleich finden nun die Wahlen in Griechenland (21. Mai) und im Bundesland Bremen (14. Mai) statt. (…)
Frage: Wie hat sich DiEM25 entwickelt?
Wir haben rund 130.000 Mitglieder. Das ist nicht viel. Es müssten viel mehr sein. Wir sind in der ganzen EU präsent, aber auch darüber hinaus. Wir haben Basisgruppen in Israel, wo Juden und Palästinenser gemeinsam wirken, in Serbien, in der Türkei, in Großbritannien. (…)
Seit knapp vier Jahren regiert der Konservative Kyriakos Mitsotakis alleine in Athen. Eine gute Zeit für Griechenland?

Eine unerfreuliche Tragödie, in allen Bereichen. Die griechische Staatsschuld hat sich unter Mitsotakis um rund 50 Milliarden Euro erhöht, die Wirtschaftsleistung verharrt auf dem Niveau von 2019. Das hat den Staatsbankrott Griechenlands vertieft. Die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit sind eingeschränkt. Mitsotakis setzt auch auf Fremdenfeindlichkeit und Rassismus: Schauen Sie auf den Grenzzaun, diese Mauer der Schande, an der Grenze zur Türkei. Oder die Pushbacks in der Ägäis. Das passiert so oft, dass man getrost von einer vorsätzlichen Ermordung unserer Mitmenschen sprechen kann, die hilflos im Mittelmeer ertrinken. Das tut Mitsotakis nur, um die Rechtsradikalen zu umgarnen. Wir als Europäer können nicht einen Trump mit Häme und Spott überziehen und hier im gleichen Moment einen Mitsotakis feiern.
Ist das nicht überspitzt?
Überhaupt nicht. In der Migrationsfrage ist Mitsotakis wie Trump. Er hat zudem den Geheimdienst unter seine direkte Kontrolle gebracht und ihn dafür benutzt, Politiker, sogar seine Minister, Journalisten oder Militärangehörige abzuhören. In anderen Ländern Europas hätte ihn alleine das sein Amt gekostet. (…)
Tsipras hatte stets betont, eine Koalition „aller fortschrittlichen Kräfte“ anstreben zu wollen. Nun hat er Sie und MeRA25 kurz vor dem Urnengang als möglichen Koalitionspartner ausgeschlossen. Was sagen Sie zur Haltung von Tsipras?
Tsipras wollte von Anfang an nur mit der sozialdemokratischen Pasok koalieren. Nun wird klar, dass MeRA25 es abermals ins Parlament schafft. Beide Parteien, Mitsotakis’ Nea Dimokratia (ND) und Tsipras’ Syriza, sind in Panik geraten, aus unterschiedlichen Gründen. Ist MeRA25 wieder im Parlament, wird es für die ND schwieriger, alleine weiterzuregieren. Syriza wiederum müsste mit uns sprechen. (…)








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