Volkes Zorn, Mitsotakis’ Furcht

Griechenland: Neues Wahlrecht im Anmarsch. Rechter Regierungschef sieht Macht schwinden

Von Hansgeorg Hermann, 26.4.2023 – junge Welt

Protest gegen Mitsotakis-Regierung (Mai 2022)

Ab 21. Mai soll es gelten. Griechenlands rechter Regierungschef Kyriakos Mitsotakis allerdings wittert in dem neuen, streng repräsentativen Wahlrecht, das ihm sein linker Vorgänger Alexis Tsipras 2016 bescherte, eine Falle. Obwohl Mitsotakis und sein Wahlverein Nea Dimokratia (ND) derzeit klare Favoriten auf den Wahlsieg sind, dürfte die Schlacht um die politisch-wirtschaftliche Macht im Land durch einen einzigen Wahlgang nicht entschieden werden können. Schon im Januar 2020 hatte der im Juli 2019 gewählte Rechtskonservative das von der Linken und der breiten Mehrheit der Bevölkerung begrüßte System zügig entschärft: Sollte der Sieger vom 21. Mai im Parlament (griechisch: Bouli) keine Mehrheit für eine Regierungsbildung zustande bringen, kann oder muss nun zwei Monate später noch einmal abgestimmt werden. Dann würde dem Gewinner wie in alten Tagen wieder ein »Bonus« zustehen – 20 Abgeordnete von insgesamt 300, der Rest der Sitze würde prozentual zum Wahlergebnis auf die einzelnen Parteien verteilt.

Die Falle, die das seit drei Generationen prosperierende politische Familienunternehmen Mitsotakis so fürchtet, präsentiere sich vor allem in der unsicheren Mehrheitsfindung im Parlament, spotten nicht nur Tsipras’ Anhänger in der Oppositionspartei ­Syriza (Bündnis der radikalen Linken), sondern auch die Kommunisten (KKE) und der ehemalige Finanzminister Yanis Varoufakis. Denn theoretisch könnte Tsipras – sollte er, wie es gegenwärtig alle Meinungsumfragen vermitteln, hinter Mitsotakis zurückbleiben – auch eine Minderheitsregierung bilden. Geduldet von den Sozialdemokraten der Pasok (Panhellenische Sozialistische Bewegung), vom früheren Tsipras-Kumpel Varoufakis und dessen »Ungehorsamsfront« Mera 25, vielleicht sogar von KKE-Anführer Dimitris Koutsoumbas, sollte dieser sich aus dem Schatten seiner inzwischen 77 Jahre alten orthodoxen Vorgängerin ­Alexandra Papariga lösen können. (…)

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