Gedanken zur Flut

Die Legende vom gut organisierten Deutschland – Was in Griechenland besser klappt

Von Wassilis Aswestopoulos, 22.7.2021 – telepolis

Als Auslandskorrespondent betrachtet man die Politik im Land, über das berichtet wird, stets mit einem kritischen Auge. Denn insbesondere die Missstände fallen immer stärker ins Auge. Handelt es sich beim Gastland um einen ärmeren, schlechter organisierten Staat, schwingt ein „aber in Deutschland“ immer im Hinterkopf mit. Eigentlich, denn bei gleichartigen Ereignissen in beiden Ländern kann sich auch zeigen, dass Deutschland von Griechenland auch einiges lernen könnte. (…)

Ein elektronisches Warnsystem

Zu den von der Regierung Mitsotakis forcierten elektronischen Kommunikationsmitteln des Staats zählt auch ein Krisenwarnsystem, das 112 genannt wird. Wenn ein Katastrophenfall droht, wird vom staatlichen Katastrophenschutz an alle im griechischen Mobilfunksystem eingeloggten Telefone über Cell Broadcast eine Warnmeldung geschickt. Diese kommt bei SIM Karten griechischer Anbieter auf Griechisch, während es für die ausländischen in Griechenland betriebenen Telefone eine englische Version gibt. (…)

Wetterfesteres Mobilfunknetz

Während drei Flutkatastrophen in Griechenland, im November 2017 in Mandres Attika, im September 2018 und im August 2020 auf Euböa, blieb das Mobilfunknetz weitgehend intakt, auch wenn die Strom- und Wasserversorgung in den betroffenen Gebieten ausfiel oder aus Sicherheitsgründen abgeschaltet wurde. Umso überraschender war es, in Deutschland zu erleben, wie Kommunikation, aber auch Warnsysteme in der „Jahrhundertflut“ in Nordrheinwestfalen und Rheinland-Pfalz zusammenbrachen. (…)

Ein öffentlich-rechtlicher WDR, der ungerührt sein normales Programm mit der Popnacht im Radio und Dokus im TV weiterführt, während in Wuppertal die Überflutung im Gang war und in der Eifel Orte wie Schuld von den Regenmassen fortgespült wurden, wäre in Griechenland undenkbar. Sollte es doch geschehen, wären Rücktritte von Verantwortlichen fällig. Dies in einem Land, in dem Politiker selbst bei dicken Skandalen den Rücktritt als Konsequenz vermeiden. (…)

Die Wahlniederlage von Tsipras im Juli 2019 und vorher bei den Europawahlen im Frühjahr hängt auch mit dem schlechten Krisenmanagement der Syriza-Regierung beim verheerenden Waldbrand von Mati (Attika) zusammen. Seinerzeit, am 23. Juli 2018, war Tsipras eilig zu einem Krisentreffen geeilt und hatte sich locker den Kameras präsentiert, während es intern bereits Berichte über zahlreiche Tote gab. Das Tsipras die Kenntnis der Todesfälle nachgewiesen wurde, erwies sich als hohe politische Hypothek. (…)

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Scharfe Kritik an Abschiebeplänen in die Türkei

23. Juli 2021 – Griechenland Zeitung

Auf Initiative der Griechischen Vereinigung für Menschenrechte (HLHR) fand kürzlich in Athen eine online Pressekonferenz statt. Dabei äußerten sich Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Organisationen aus Hellas und anderen europäischen Ländern sowie zwei Geflüchtete zur aktuellen Situation und deren Auswirkungen auf ihre Lebensumstände.

Geplante Abschiebung
Anlass für diese Veranstaltung war in erster Linie eine Entscheidung Griechenlands, wodurch die Türkei als sicheres Drittland für Flüchtlinge aus bestimmten Herkunftsländern eingestuft wird. Begründet wurde dies damit, dass die betreffenden Asylsuchenden in dem Nachbarstaat keine Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder politischen Ansichten zu befürchten hätten. Daher sei es Geflüchteten durchaus möglich, einen Asylantrag in der Türkei, statt in Griechenland zu stellen; es handelt sich dabei um 67 Prozent aller Menschen, die in Hellas um Asyl ansuchen. Der Minister für Immigration und Asyl Notis Mitarakis hatte diese Entwicklung ausdrücklich begrüßt. Dies sei seiner Meinung nach ein wichtiger Schritt, um „illegale Flüchtlingsströme“ zu unterbinden. (…) –> weiterlesen

Siehe auch: EGMR – Griechische NGO klagt gegen Griechenland wegen Misshandlung von Flüchtlingen

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Zero-Waste-Verteilung von Produkten in der Fabrik von Vio.Me

Die Vio.Me Belegschaft schrieb am 30.6.21:

„Es ist uns eine große Freude, Ihnen das neue ‚Zero-Waste‘-Projekt vorzustellen, das in den Einrichtungen der Fabrik von Synergatiki BIO.ME. gestartet wurde!

Nach vielen Gesprächen mit unseren solidarischen Unterstützern und unter Berücksichtigung der dringenden Notwendigkeit, den Plastikkonsum zu reduzieren, haben wir uns entschieden, die Produkte „in Kiloweise“ zu verkaufen! Sie können mit Ihren sauberen Leergebinden in die Fabrik kommen und diese direkt aus den großen Betonen befüllen.

In naher Zukunft wollen wir fast alle unsere Produkte auf diese Weise verfügbar machen.
Derzeit sind für jeden, der daran interessiert ist, durch die Fabrik zu gehen, um Zero-Waste zu erhalten, die verfügbaren Produkte:
◾ Cremeseife mit ätherischem Kiefernöl
◾ Flüssige Gesichtsseife mit ätherischem Lavendelöl
◾ Waschflüssigkeit – natürlich
◾ Konzentrierte Waschflüssigkeit – ökologisch“ 

griech. Originalversion

Siehe auch: „Occupy, Resist, Produce, … Repeat“ (Seiferei Augsburg)

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Misswirtschaft à la Mitsotakis

Griechenlands Ministerpräsident plant Straßenbaugroßprojekte. Korruption wird Tür und Tor geöffnet. Beschäftigte prekär bezahlt

Von Hansgeorg Hermann, 10.7.2021 – junge Welt

Für die Griechen ist »Misa« ein Begriff, der einen großen Teil der gesellschaftlichen Probleme ihres Landes in einem einzigen Wort zusammenfasst. »Misa« steht für »Schmiergeld«, seine politische Dimension ist enorm. Die gigantischen Straßenbauprojekte, die Premierminister Kyriakos Mitsotakis im Frühjahr in Athen der Öffentlichkeit vorstellte und um die seither in den Niederungen der Kommunalpolitik leidenschaftlich gestritten wird, dürften – in alter Tradition – die Tore für Korruption und Vetternwirtschaft weit öffnen. Begleitet wird der enorme Schub für den Autobahnbau von der Aufweichung verschiedener Gesetze zum Schutz der griechischen Wälder, die Mitsotakis’ Parlamentsmehrheit bereits beschlossen hat. Die Privatisierung öffentlichen Landes, beispielsweise für das kanadische Bergbaukartell »Eldorado« auf der Halbinsel Chalchidiki, sind für Ökologen und die betroffenen Dörfer zusätzliche Katastrophenszenarien.

Griechenlands größter Insel Kreta – dem »Kontinent«, wie ihre Bewohner die 300 Kilometer lange Landmasse im tiefen Süden der Ägäis nennen – droht im kommenden Jahr der Bau einer Trasse, die mitten durch eine Jahrhunderte alte Kulturlandschaft an der Nordküste geschlagen werden soll. Das Projekt nennt sich BOAK (»Nördliche Autobahnachse Kreta«) und soll den Westen mit der Provinzhauptstadt Chanià und den Osten mit der Inselhauptstadt Heraklion sowie den kleineren Städten Agios Nikolaos und Sitia verbinden. Der Startschuss soll bereits im kommenden Jahr fallen, die Kosten in Höhe von derzeit geschätzten zwei Milliarden Euro sind nach Angaben der Regierung bereits gedeckt. Ähnliche Projekte sollen auf der Peleponnes die Wildnis aus Wald und Felsmassiven durchschneiden. (…) –> weiterlesen

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Impfen gegen die Pleite

Wassilis Aswestopoulos, 11.7.2021 – telepolis

Der Tourismus und andere Wirtschaftsbereiche sollen nicht völlig zum Erliegen kommen. Daraus ergibt sich in Griechenland ein verworrenes, schwer umsetzbares Regelwerk. Foto: Wassilis Aswestopoulos

Prämien, Predigten und Influencer sollen die Impfbereitschaft in Hellas steigern, da ein weiterer Lockdown als unfinanzierbar gilt. Für Ungeimpfte wird es eng

Der erneute Anstieg der Infektionszahlen in Griechenland hat die Pläne der Regierung für eine Impfpflicht beschleunigt. Sie soll für einige Berufe bereits ab kommender Woche gelten. Darüber hinaus wird der Alltag von Ungeimpften immer weiter eingeschränkt. Mitten in der Tourismussaison steigt die Covid-19-Infektionsrate vor allem wegen der Delta-Mutation stark an. Einen erneuten Lockdown für die vierte Welle schließt die Regierung aus. Es fehlt schlicht an Geld in den Staatskassen, um einen weiteren Lockdown zu finanzieren.

Junge Erwachsene bis zum Alter von 25 Jahren ködert der Staat mit Gutscheinen über 150 Euro, wenn sie sich impfen lassen. Ein Aluminium verarbeitendes Unternehmen bietet Angestellten, die sich impfen lassen, 500 Euro Prämie. Die Regierung bittet zudem die Kirche und lokale sowie landesweit bekannte Influencer um Hilfe. (…) –> weiterlesen

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Griechische Steuerzahler „retten“ Fraport

Fraport machte mit dem Betrieb der 14 Regionalflughäfen in Griechenland im Coronajahr 2020 nicht einmal Verluste, sondern „verzeichnete gemäß den Buchprüfern von Pricewaterhouse-Coopers für das Jahr 2020 mit dem Betrieb der Regionalflughäfen einen Bruttogewinn von gut 6,64 Millionen Euro vor Steuern. Gemäß einer Studie, die im Auftrag der griechischen Treuhand durchgeführt wurde, hätte Fraport ohne die Pandemie einen Gewinn von gut 187 Millionen Euro erwirtschaftet.“ (Quelle) Flugs brachte die Mitsotakis-Regierung ein Entschädigungsgesetz auf den Weg.

Damit steht das deutsche Staatsunternehmen in Griechenland hinsichtlich der Entschädigungen erheblich besser da, als manche Unternehmen in Deutschland. Denn diese können gegenüber dem Staat gemeinhin lediglich auf Kompensation ihrer Verluste, nicht aber auf Erstattung der ihnen gemäß ihrer Planung entgangenen Gewinne hoffen.

Allein für das Jahr 2020 kann Fraport auf rund 170 Millionen Euro Entschädigung setzen, wobei die darüber hinaus erlassenen Lizenzgebühren für die Jahre 2019, 2020 und 2021 einen weiteren fast dreistelligen Millionenbetrag bescheren.“ (https://www.heise.de/tp/features/Privatisierte-Flughaefen-Griechenland-bezahlt-jetzt-die-Kaeufer-6111774.html)

Ergebnis: Griechischer Staat zahlt Fraport und Athener Flughafengesellschaft 308 Millionen Euro für Corona-Verluste (griechenlandsoli.com)

DIE LINKE (Hessen) hat sich nun in einer Pressemitteilung (12.7.21) dazu geäußert:

Anlässlich der Medienberichte über die Subventionierung der von Fraport betriebenen Flughäfen in Griechenland aus der griechischen Staatskasse erklärt Jan Schalauske, stellvertretender Vorsitzender und haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag:

„Die Medienberichte, wonach der griechische Staat Fraport entgangene Gewinne in einer Größenordnung von bis zu einer viertel Milliarde Euro ersetzt, sind verstörend. Fraport hat mit seinen Flughäfen in Griechenland über Jahre gute Geschäfte gemacht. Wenn Fraport nun nach dem griechischen Staat ruft, sobald die Gewinne ausfallen, hat das nichts mit verantwortlichem unternehmerischen Handeln zu tun.“ (…) –> weiterlesen

Siehe auch: Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste (griechenlandsoli.com, Juli 2020)

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Ausbeutung zum Flex-Tarif

Proteste in Griechenland gegen ausgehöhltes Arbeitsrecht. Kommunisten: »Kriegserklärung an Arbeiter«

Von Elisabeth Heinze, Thessaloniki, 01.07.2021 – nd

Unnachgiebiger Kampf für das was uns gehört
Nein zum neuen arbeiterfeindlichen Gesetzentwurf
Selbstorganisation und Solidarität, damit wir nicht als Sklaven leben
Gewerkschaft der Arbeitnehmer von VIO.ME.

Große Proteste und landesweite Streiks in Griechenland haben eine Reform des Arbeitsrechts nicht abwenden können. Die Wut in der Bevölkerung über die Deregulierung des Arbeitsmarktes wird sich auch im Sommer nicht legen.

Das Mitte Juni verabschiedete Gesetzespaket zum Arbeitsrecht mit gravierenden Folgen für die Beschäftigten ist in Griechenland weiter ein zentrales Thema. 158 von 300 Parlamentariern hatten Mitte Juni in der Athener Vouli für eine Novelle des Arbeitsrechts gestimmt. Gegenüber Medien nannte Premierminister Kyriakos Mitsotakis von der rechtskonservativen Nea Dimokratia (ND) die Reform »philanthropisch« und »zutiefst entwicklungsfördernd«. Das Land passe sich damit an EU-Standards an, hieß es.

Um Schritte gegen die prekären Löhne im Land ging es den Reformern allerdings nicht. Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von weniger als vier Euro pro Stunde kommen Beschäftigte in Griechenland mit einer Vollzeit-Festanstellung inklusive Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld gerade mal auf ein Jahreseinkommen von etwa 9100 Euro. Der Mindestlohn liegt 2021 in Griechenland als einzigem EU-Staat niedriger als im Jahr 2010, wie Nasos Iliopoulos, Sprecher der linken Syriza als größter Oppositionspartei, betont. (…) –> weiterlesen

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