First they take Exarchia

Von John Malamatinas, 26.8.19, re: volt magazine

„Das rebellische Viertel Exarchia in Athen, heute morgen: Die Bilder sprechen Horrorbände. Hunderte Riotcops mit Tränengas und zugehörigen Gasmasken stehen parat. Spezialeinheiten aller Art. Motorräder. Sogar Hubschrauber. Ein ganzes Viertel gesperrt. Jeder normal denkende Mensch würde vermuten, hier bricht gleich ein Bürgerkrieg oder schlimmeres aus. Logik oder irgendwas Ähnliches – fehl am Platz. Denn dann würde das hier nicht passieren: Der griechische Staat sendet seine ganze Repressionsarmada aus, um Besetzungen von geflüchteten Migrant*innen zu räumen. (…)

Unser Exarchia – ihr Exarchia

Wenn es nach den Wohlhabenden geht, soll Exarchia endlich zum Vorzeigeviertel von Athen verwandelt werden. Yuppiecafés, Massentourismus und schöne Aussichtspunkte sollen dies möglich machen. Zum Glück ist die Realität noch sehr fern von dieser Vision, die seit den 1990ern immer wieder in den Köpfen der Stadtplaner*innen und Herrschenden rumgeistert. (…)

Das Startsignal wurde gegeben

Widerstand in Griechenland wird aber wieder aufkommen – auf allen Ebenen. Nicht wegen dem „aufrührerischen griechischen Blut“ oder sonstigem mystischem Unsinn, aber wegen der kontinuierlichen Geschichte der sozialen Kämpfe seit Beginn des letzten Jahrhunderts. Es ist nicht die Geschichte von angezettelten Weltkriegen oder friedlichen Revolutionen, sondern die Geschichte von großen Widerständen gegen den deutschen und griechischen Faschismus und von Aufständen abseits von identitären Millieus. (…)

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Der Angriff hat begonnen

Räumung von ersten Besetzungen in Exarchia

Räumung von zwei besetzten Häusern in Exarchia, im April 2019

Schon im Juli kündigte Michaelis Chrisoxoidis, der neue „Minister für die öffentliche Ordnung“, an, den Hausbesetzungen im Athener Stadtviertel Exarchia ein Ende zu bereiten. Der Sicherheitsexperte Ioannis Michaletos erklärte gegenüber den Medien, dass seitens der autonomen Szene harter Widerstand zu erwarten sei. „Diese Reaktion ist normal. Die Anarchisten, Radikalen und sogenannten Autonomen waren in den vergangenen Jahren sehr aktiv. Sie haben bisher um die 60 Gebäude okkupiert und befürchten, dass die Polizei diese in den kommenden Monaten evakuieren will.“  (Quelle)

„Der erste größere Angriff auf Exarchia, dem widerständigsten Stadtteil in Europa, hat nicht lange auf sich warten lassen. Die Show muss ja irgendwie weitergehen. Sommerloch vorbei – konkrete Ergebnisse müssen her.Und somit ist es nicht bei vereinzelten Polizeiaktionen gegen ‚Dealerbanden‘ geblieben. Heute morgen wurden Besetzungen geräumt.

Diese erste Welle gegen das selbstorganisierte Leben in Exarchia ist Teil eines großangelegten Plans, das Viertel in das Montmartre von Athen zu verwandeln. (…) Am Ende des Tunnels steht der erfolgreiche Bau der Metrostation Exarchia. Zwischenstationen dafür sind die Räumung von Besetzungen, Vertreibung von Geflüchteten und die Durchsetzung der vollen polizeilichen Kontrolle über Exarchia. Zur Unterstüzung der Polizeiaktionen wurde eine Interventionstruppe aus verschiedenen Bereichen der Stadtverwaltung – von Sauberkeit über Umwelt bis Stadtinfrastruktur – gegründet. Graffitis sollen entfernt, smarte Laternen installiert und die Zerlegung der ‚Anarchie in Exarchia‘ organisiert werden.

Betroffen von den Räumungen sind die Projekte Spirou Trikoupi 17, Transito, Rosa de Fon und Gare. Insbesondere wurden 143 Personen aus zwei Gebäuden in der Sp. Trikoupi 17 mitgenommen und zur Ausländerbehörde Atticas gebracht, um zu untersuchen, ob sie eine legale Aufenthaltserlaubnis im Land haben. (…) O-Ton aus einer Erklärung der Besetzer*innen: ‚Der faschistische Staat hat uns heute um 06:00 Uhr vertrieben und sie bringen uns zur Polizeistation Petrou Rali (Ausländerbehörde). Sie haben uns aus unserem Haus geholt. Sie nehmen unsere Sachen aus dem Gebäude und schließen die Tür und blockieren den Eingang und die Fenster. Sie versuchen uns zu begraben. Sie wissen nicht, dass wir Samen sind.‘ “ (weiterlesen auf indymedia.org)

Ausführlicher Bericht (engl.): „Griechische Polizei überfällt Athener ‚Squats‘ und inhaftiert Migranten“

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Mitsokatis-Regierung macht den Durchmarsch

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Mitsotakis Regierung demonstriert ihre konservative Ideologie

von Wassilis Aswestopoulos, Telepolis, 9. 8. 19

„Griechenland: Es wird tief ins Arbeitsrecht eingegriffen, die Freiräume der Linken durch das „akademische Asyl“ werden abgeschafft und das Wahlrecht geändert

Das Parlament in Athen hat am Donnerstag im Eilverfahren ein so genanntes „Besen-Gesetzespaket“ verabschiedet. Mit diesem Begriff werden in Griechenland Gesetzessammlungen genannt, die in einer Art Rundumschlag zahlreiche, voneinander unabhängige Sachverhalte gesetzlich regeln.

Nach der im Parlament von Tumulten und Protesten begleiteten Absegnung der Gesetze durch die konservative Nea Dimokratia und, in einem Fall, mit Unterstützung der rechtspopulistischen Griechischen Lösung verabschiedete sich das Parlament für einige Tage in den Sommerurlaub. Sämtliche Gesetze haben einschneidende Wirkung in den Alltag der Griechen. (…)“

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Kein Schutz mehr auf dem Campus

von Theodora Mavropoulos, TAZ vom 9. 8. 19

ATHEN taz | Griechenlands Universitätsgesetz ist weltweit wohl einmalig. Es besagt, dass Griechenlands Polizei staatliche Hochschulen nicht ohne die offizielle Einwilligung von Rektorat und Studentenvertreter betreten darf. Selbst bei der Verfolgung von Kriminellen ist beim Eingang der Universität Schluss.

Das strikte Universitäts-Asyl hat eine blutige Geschichte. Es wurde in seiner letzten Form im Jahr 1982 beschlossen. Damals war die Zeit der Militärdiktatur vielen noch sehr präsent. Das Gesetz wurde zum Schutz gegen Polizeiinterventionen mit politischem Hintergrund eingeführt. Denn während der Obristenherrschaft von 1967 bis 1974 wurde ein Studentenaufstand am 17. November 1973 blutig niedergeschlagen. Es gab Tote und Verletzte. (…)

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SYRIZA: Sozialdemokratisierung noch zu verhindern?

Von Ralf Kliche (der Beitrag erschien zuerst auf griechenlandsoli.com)

Nach den enttäuschenden Ergebnissen für SYRIZA bei den Parlamentswahlen steht die Partei vor der Frage nach der strategischen Bewertung dieser Ergebnisse und den Schlussfolgerungen für das eigene Selbstverständnis und die zukünftige Perspektive.Die Richtung gab Tsipras vor, als er in der ersten Sitzung des Zentralkomitees nach den Wahlen am 13.07.2019 radikale Veränderungen in der Partei forderte. (1) Er beklagte den elitären Charakter der Partei, die zwar 32% der Stimmen aus der Bevölkerung bekommen habe, in der aber nur 3% der Bevölkerung organisiert seien. Deshalb müsse SYRIZA zu einer neuen, offenen Partei umgebaut werden. Im Einzelnen forderte er:

  • SYRIZA muss zu einer Massenpartei werden – mindestens 10% der Wähler müssen Parteimitglieder sein.
  • SYRIZA muss zu einer jungen Partei werden, angesichts eines Bevölkerungsanteils der 17-24 jährigen von 38% ist es nicht akzeptabel, dass die Partei keine eigene Jugendorganisation hat (die ehemalige Jugendorganisation war nach zahlreichen Parteiaustritten wegen der Politik des Jahres 2015 aufgelöst worden – RK).
  • SYRIZA muss zu einer Volkspartei werden, angesichts der Bedeutung der Partei in vielen Stadtvierteln müssen dort überall Massenorganisationen und Parteibüros sein
  • SYRIZA muss eine Partei mit starker Identität sein, mit einer Vision und dem Ziel eines Sozialismus mit Freiheit und Demokratie und mit der Beseitigung von Unterdrückung von Menschen durch Menschen.
  • SYRIZA muss eine linke Partei sein, nicht mit Worten sondern in der Praxis. Eine Linke, die die Unterprivilegierten verteidigt und schwierigen Problemen nicht ausweicht.
  • SYRIZA muss eine grüne Partei sein, mit einer starken Umweltidentität. Mit einem Programm zur ökologischen Transformation der Wirtschaft.
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Die „Operation Law and Order“ und das Abschaffen des Universitäts-Asyls

von Theresa Bauer, Lower Class Magazin, 9. 8. 19

Räumung von zwei besetzten Häusern in Exarchia, im April 2019

„(…) Schon bevor Kyriakos Mytsotakis am 7. Juli mit seiner rechtskonservativen NeaDemokratia die Parlamentswahlen in Griechenland gewann, wurde in der griechischen Öffentlichkeit hart daran gearbeitet das Feinbild „Anarchistische Szene“ auszubauen. Die Zeitungen sind in langer, bürgerlicher Tradition, voll von Berichten über unerträgliche, gewaltvolle Auseinandersetzungen im Stadtteil Exarchia in Athen, über die Terroristen, die zusammen mit der Mafia Unschuldige angreifen und über den Drogenhandel, der von den Unversitäten aus gesteuert werden soll. Am Wahlabend klauten dann auch noch Vermummte die Wahlurne des Viertels und sollen sie auf der Platia, dem Platz in der Mitte von Exarchia, verbrannt haben.

„Sauber machen“ werden sie das geschichtsträchtige Viertel, „alles räumen“ und die ein oder andere anarchistische Gruppe „jagen“, versprechen Mytsotakis und seine Minister. Dafür haben sie schon die ersten Anpassungen vorgenommen. 2.000 neue Polizist*innen sollen eingestellt werden. 1500 werden die sogenannte Delta Einheit wiederaufbauen, die berüchtigte Motorradstaffel, die vor allem für ihr brutales Vorgehen bekannt ist. Das Universitätsasyl soll abgeschafft werden und den ersten Squats wurde der Strom und das Wasser abgestellt. Auch ein Gesetz, welches es ermöglicht, Menschen ohne gültige Papiere bis zu 12 Monaten einzusperren, ist schon auf den Weg gebracht. Das Ministerium für Migration wurde abgeschafft, der Mindestlohn soll gesenkt werden, eine 7 Tage Woche eingeführt und die Krankenversorgung reformiert werden. (…) „

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Neue, alte Herren in Griechenland

von Sebastian Lotzer, 23. 7. 19 und 5. 8. 19, non.copyriot

Der repressive Angriff

„Viereinhalb Jahre, nachdem SYRIZA die landesweite Revolte gegen das IWF Spardiktat beerbt und sich eine Agonie über das Land gelegt hatte, hält die Rechte unter der Führung der Nea Dimokratia wieder die Schalthebel der politischen Macht in den Händen. In dem Regierungssofortprogramm der “sechs Säulen“ nimmt die „Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung“ eine zentrale Rolle ein. Schon seit Tagen sieht man schwerbewaffnete Polizeieinheiten demonstrativ in der Innenstadt von Athen patrouillieren. (…) „

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Der Widerstand formiert sich

“ Bisher sind auf die Ankündigungen der neuen rechten Regierung in Griechenland (1), Exarchia „aus der Hand der Anarchisten zu befreien“, noch wenig konkrete Taten gefolgt. Zwar patrouillieren in der Innenstadt öffentlichkeitswirksam schwerbewaffnete Bulleneinheiten, ansonsten erfolgten aber bisher noch keine größeren repressiven Operationen. Ob dies der „traditionellen Ruhe“ im heißen Athener Hochsommer geschuldet oder anderer Genese ist, sei an dieser Stelle dahin gestellt.

Die Ankündigung, das Universitätsasyl abzuschaffen, ein Erbe des Widerstandes gegen die faschistische Obristen Diktatur der 70iger, löste einiges an politischen Widerspruch aus, unter den Gegner des Vorhabens finden sich sowohl die ehemalige Regierungspartei SYRIZA als auch die letzte stalinistische Partei von Bedeutung in Europa, die KKE. Eine erste Demonstration gegen das Vorhaben fand jedoch eher wenig Zuspruch und blieb für griechische Verhältnisse ungewohnt friedlich. Trotzdem wurde die Entscheidung über eine Umsetzung des Vorhabens erst einmal auf Mitte der kommenden Woche vertagt.

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