In herzlicher Anteilnahme wünschen wir seiner Gefährtin Paula Keller viel Kraft.

Gekannt haben einige von uns Erasmus Schöfer schon früh, aus seinen Aktivitäten und Veröffentlichungen im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt. Auch seine Romantetralogie „Die Kinder des Sisyphos“ über Lebensläufe von 68igern kannten wir als Teilnehmer:innen dieser Bewegungen. Seine literarischen Qualitäten haben wir gewürdigt, ohne sie beurteilen oder gar kritisieren zu wollen.
Persönlich kennen gelernt haben wir ihn dann auf verschiedenen Veranstaltungen, auf 1.Mai-Kundgebungen und Demonstrationen in Köln. Mit uns in Kontakt gebracht haben ihn sein Interesse an der griechischen Arbeiter:innenbewegung und seine Unterstützung der sozialen und politische Kämpfe in Griechenland. Dazu kam dann seine besondere Sympathie für die von den Arbeiter:innen seit mehr als 9 Jahren rückeroberte Fabrik Vio.Me in Thessaloniki.
Oft war er in Begleitung von Paula Keller auf unseren Veranstaltungen zu den Kämpfen der Arbeiter:innen und sozialen Bewegungen in Athen, Thessaloniki und anderswo. Paula wurde dann Mitkämpferin im Komitee und Erasmus begleitete sie auch gelegentlich auf unsere Treffs im Griechenrestaurant. Da war er ein ermunternder und anregender Gesprächspartner.
Zuletzt haben wir uns gesehen Anfang März diesen Jahres auf einer Veranstaltung
zum Kampf der 3 griechischen Kapitäninnen gegen die Osmanische Fremdherrschaft, mit Mischi Steinbrück und Sophia Georgallidis. Er war da mobil und hellwach.
Σας ευχαριστώ Erasmus, αντίο – Danke Erasmus, tschüss
(https://www.erasmusschoefer.de/)

Ingar Solty (Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin) schreibt: Heute ist ein sehr trauriger Tag. Ich habe soeben erfahren, dass heute, drei Tage nach seinem 91. Geburtstag, der Schriftsteller Erasmus Schöfer in Köln gestorben ist.
Schöfer war einer der Protagonisten vom „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“, der in der besten Tradition der kommunistischen Arbeiter:innenbewegung die Literatur realistisch, das heißt: welthaltig, sein lassen wollte und den Graben zwischen Kopf- und Handarbeiter:innen überwinden wollte, indem er Arbeiter:innen zum (auch kollektiven) Schreiben ermächtigte. In meinem Beitrag im letzten Band von Richtige Literatur im Falschen – „Literatur im politischen Kampf“ (erschienen im letzten Sommer im Verbrecher Verlag von Jörg Sundermeier und Kristine Listau, die auch Schöfers „Kalendergeschichten des Rheinischen Widerstandsforschers“ publiziert haben) habe ich in Bezug auf die Vorläufer in den Zwanziger und Dreißiger Jahren dies als die „Demokratisierung der Kunst durch die kommunistische Arbeiter:innenbewegung“ beschrieben.

Über diese Tradition hat Erasmus viel gelebte Geschichte zu erzählen gewusst. In seinem Hauptwerk, der phänomenalen Tetralogie „Die Kinder des Sisyfos“ (2001-2008) hat Erasmus die Erfahrungen der politischen Kämpfe seiner Generation verarbeitet, von 1968 bis 1989. Dieses Werk wurde auch im bürgerlichen Feuilleton gepriesen und braucht sich vor der „Ästhetik des Widerstands“ von Peter Weiss nicht zu verstecken.
Persönlich lernte ich Erasmus erstmals vor etwa 15 Jahren bei der InkriT-Konferenz vom Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus kennen. Als Enno Stahl und ich 2015 das Schriftsteller:innen-Netzwerk „Richtige Literatur im Falschen“ gründeten, um auszuloten, wie welthaltig die deutschsprachige Gegenwartsliteratur ist und kapitalistische Arbeitsverhältnisse darin vorkommen, war Erasmus von Anfang an beteiligt. Einer seiner Beiträge auf dieser Gründungskonferenz im Berliner Literaturforum im Brecht-Haus ist hier auszugsweise abgebildet. In ihm schimmert die Motivation hinter „Die Kinder des Sisyfos“ auf.
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