Illegal nach internationalem Recht

WeMove Europe Team

Liebe Mitstreiter*innen, seit unserer Gründung haben wir uns für Würde, Solidarität und Menschenrechte an Europas Grenzen eingesetzt. Wir haben einiges erreicht, auch mit Ihrer Hilfe. Aber jetzt sind wir an einem kritischen Punkt. Wir müssen entscheiden, was wir als Nächstes tun. Und dazu würden wir gern Ihre Meinung hören.

Vor einem Jahr hat Griechenland das Recht ausgesetzt, Asyl zu beantragen. Familien, die Sicherheit suchten, wurden an der Grenze mit Tränengas, Rauchgranaten und Gewalt empfangen. Und Europas Staats- und Regierungschef*innen unterstützten das. [1]

Wir protestierten und machten mobil gegen dieses menschenunwürdige Vorgehen. Zuerst mit einer Petition. Sehr viele Unterschriften kamen zusammen. Aber dieses Mal reichte das nicht. Die Verantwortlichen sagten, sie seien zu beschäftigt, um unsere Forderungen zu hören. In der Zwischenzeit tauchten Videos auf, die zeigen, wie die griechische Küstenwache Migrant*innen auf See gewaltsam aus EU-Gewässern abweist – was nach internationalem Recht illegal ist. [2]

Innerhalb weniger Tage sammelten wir gemeinsam per Crowdfunding genug Geld, um eine offizielle Klage zu starten. Nach monatelanger Arbeit mit Partnerorganisationen, Anwält*innen und Menschen vor Ort in Griechenland reichten wir im September 2020 eine offizielle Beschwerde ein. In dieser Beschwerde forderten wir die Kommission auf, Griechenland wegen Verstoßes gegen EU- und internationales Recht zu verklagen. [3] Die EU-Kommission hat bereits bestätigt, dass sie unsere Beschwerde prüfen wird – sie hat bis September 2021 Zeit, um Maßnahmen zu ergreifen. Wir werden das sehr aufmerksam verfolgen.

Aber schlimmer noch, kurz nachdem wir unsere Beschwerde eingereicht hatten, deckten Journalist*innen auf, dass auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex an der gleichen Art von Menschenrechtsverletzungen in Griechenland beteiligt war – sie hinderte Migrant*innen in Seenot daran, sich in EU-Gewässern in Sicherheit zu bringen. Frontex bestritt, dass irgendetwas passiert sei. Also machten wir erneut mobil: Wir forderten den Rücktritt des Frontex-Direktors Fabrice Leggeri. [4]

Trotz unserer Petitionen, trotz E-Mails und Tweets an Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen bewegte sich nichts. Direktor Leggeri leugnete weiterhin, dass es irgendein Problem bei Frontex gab. Also wandte sich unser Team an eine der wenigen Personen, die in dieser Sache etwas bewegen können: EU-Kommissarin Ylva Johansson.

Aber sie nahm sich keine Zeit für uns, sondern verwies unser Team stattdessen an ihre Mitarbeiter*innen. Und die behaupteten, der Kommission seien die Hände gebunden. Wir waren nicht bereit, uns so leicht abspeisen zu lassen. Also bat unser Team Kommissarin Johansson erneut um ein Treffen mit unserer Community. Und wieder lehnte sie unsere Bitte um ein Treffen ab.

Ja, wir haben schon sehr viel gemeinsam unternommen, und wir sind nicht zufrieden mit den Ergebnissen. Aber die Wahrheit ist: Wir haben noch nicht einmal angefangen, all die Möglichkeiten auszuschöpfen, die uns zur Verfügung stehen. Es gibt so viel mehr, was wir tun können, um unsere Werte zu schützen. Wir haben ein ganzes Bündel an Ideen. Deshalb wollen wir Sie fragen: Was sollten wir jetzt tun, um noch mehr Druck zu machen und die Verantwortlichen zum Umdenken zu bewegen?

Was sollen wir als nächstes tun?

Hier sind einige unserer Ideen:Ein riesiges Wandbild in Warschau in der Nähe des Hauptsitzes von Frontex – es wird nicht einfach sein, das hinzukriegen, aber es kann eine starke Botschaft an den Vorstand der intransparenten Grenzagentur senden. Stellen Sie sich ein riesiges Kunstwerk vor, das die Frontex-Mitarbeiter*innen jeden Tag auf ihrem Weg zur Arbeit begrüßt und sie daran erinnert, was auf dem Spiel steht.

Eine neue Website, die alle verfügbaren Dokumente von Frontex sammelt und veröffentlicht, auch die durchgesickerten Dokumente – Frontex macht es Journalist*innen und zivilgesellschaftlichen Beobachter*innen schwer, ihre Arbeit zu machen, denn sie deklarieren alle Dokumente, die sie veröffentlichen, als vertraulich. [5] Diese Praxis wird bereits von der Europäischen Bürgerbeauftragten untersucht. Wir können mit einer Website helfen, endlich mehr Transparenz zu schaffen.

Ein Treffen mit unseren gewählten Vertreter*innen im Europäischen Parlament zum Thema Frontex – Kommissarin Johansson hat unsere Einladung abgelehnt, aber wir können immer noch ein Treffen mit Politiker*innen organisieren, denen gegenüber Frontex rechenschaftspflichtig ist. Ein solches Treffen zwischen Hunderten von uns in unserer Community und unseren Europaabgeordneten kann unseren Entscheidungsträger*innen zeigen, dass die Rechenschaftspflicht von Frontex für die Europäer*innen höchste Priorität hat.

Eine neue Petition, die sich an mehr Politiker*innen und Beamt*innen richtet und etwas Neues fordert – im letzten Jahr haben wir immer wieder erleben müssen, dass Frontex nicht wirklich rechenschaftspflichtig ist. Und dazu kommt, dass die Politik der EU-Kommission voller Widersprüche ist. Verschiedene Kommissar*innen vertreten völlig unterschiedliche Positionen zu Migration und Asyl in Europa. Vielleicht ist es an der Zeit zu fragen: „Wer ist für die EU-Migrationspolitik verantwortlich?“ oder „Ist Frontex in seiner jetzigen Form überhaupt reformfähig oder respektiert es grundlegende Menschenrechte?“

Was sollen wir als nächstes tun?

Schon jetzt halten wir die Politiker*innen in Sachen Frontex weiter auf Trab. Erst letzte Woche hielten unsere Europaabgeordneten ein wichtiges Treffen ab, bei dem sie Kommissarin Johansson und Frontex-Direktor Leggeri befragten. Aber am Tag vor dem Treffen wurde bekannt gegeben, dass das Treffen privat sein würde. [6] Also wandten wir uns an die Vorsitzende des Ausschusses, um Zugang für die Öffentlichkeit zu beantragen. Wir hatten Erfolg, und die Sitzung wurde für die Öffentlichkeit live gestreamt. [7]

Gemeinsam haben wir schon viel erreicht. Für die Menschen in Europa und darüber hinaus. Und für die Zukunft unseres Planeten. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, gegen Hass, Ungerechtigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber unseren Mitmenschen aufzustehen – und wir bewirken etwas. Trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse werden wir die grundlegenden Menschenrechte nicht aufgeben. Und wir werden dafür sorgen, dass die EU das auch nicht tut. Sagen Sie uns, wie wir es am besten anpacken: Was wäre der beste nächste Schritt?

In Solidarität,

Annemarie Botzki (Berlin)
Virginia López Calvo (Madrid)
David Schwartz (London)
Marta Tycner (Warschau)
Alexandre Naulot (Marseille)
Giulio Carini (Rom)
für das gesamte WeMove Europe Team

Referenzen:

[1] https://act.wemove.eu/campaigns/menschlichkeit-hat-vorrang
[2] https://www.independent.co.uk/news/world/europe/migrant-child-killed-greek-coast-lesbos-syria-refugee-deaths-a9369826.html
https://www.nytimes.com/2020/03/02/world/europe/migrant-death-greece.html
[3] https://www.oxfam.org/en/press-releases/rights-groups-press-european-commission-investigate-violations-eu-law-greece-over
[4] https://www.bellingcat.com/news/2020/10/23/frontex-at-fault-european-border-force-complicit-in-illegal-pushbacks/
https://act.wemove.eu/campaigns/leggeri-ruecktritt
[5] https://euobserver.com/migration/150918
[6] https://euobserver.com/migration/151097
https://act.wemove.eu/campaigns/frontex-fswg-secret
[7] https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20210303IPR99105/first-meeting-of-the-frontex-scrutiny-group-with-leggeri-and-johansson
https://multimedia.europarl.europa.eu/en/committee-on-civil-liberties-justice-and-home-affairs_20210304-1215-COMMITTEE-LIBE_vd

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