Familie eines griechischen Journalisten, der mehr als 100 SLAPPs überlebte, körperlich angegriffen

Betroffen waren der Investigativjournalist Kostas Vaxevanis und seine Familie, während sie sich in einem Restaurant befanden.

Von Sarantis Michalopoulos, 28.8.2023 – EURACTIV.com

In einem weiteren Vorfall, der die prekäre Lage griechischer Journalisten verdeutlicht, wurden der investigative Reporter Kostas Vaxevanis – ebenfalls nominiert für den Daphne-Caruana-Galizia-Preis – und seine Familie am Freitag von einem Geschäftsmann verbal und körperlich angegriffen, dessen Name auf der „sündigen“ Lagarde-Liste stand, die rund 2.000 potenzielle Steuerhinterzieher enthielt und 2012 von dem Journalisten aufgedeckt worden war.

Vaxevanis aß am vergangenen Freitag mit seiner Familie und seiner achtjährigen Tochter in einem Restaurant, als sich der Geschäftsmann dem Tisch näherte und ihn zu beschimpfen begann. Nach Angaben des Journalisten schlug der verbale Angriff in körperliche Gewalt um. Der Geschäftsmann versuchte, die Frau von Vaxevanis zu schlagen, die das Kind auf dem Arm hatte, und als die Mutter versuchte, den Angriff zu stoppen, erhielt sie einen Schlag ins Gesicht.

„Ich wurde angegriffen, weil ich meine Arbeit gemacht habe. Die Lagarde-Liste enthielt 2.062 Namen von griechischen Einlegern bei der Schweizer Bank HSBC, die Christine Lagarde der griechischen Regierung übergab, um sie auf mögliche Steuerhinterziehung zu untersuchen. Die griechische Regierung hat die Liste dann versteckt. Als ich sie enthüllte, wurde ich zur Bestrafung verhaftet. Ich wurde in Handschellen vor Gericht gebracht, glücklicherweise freigesprochen und mit zwei internationalen Preisen ausgezeichnet“, so Vaxevanis gegenüber EURACTIV.

Für den Journalisten hat die Tatsache, dass er 11 Jahre später von einer Person auf dieser Liste angegriffen wurde, nichts mit den aktuellen Umständen zu tun.

„Investigativer Journalismus und meine Zeitschrift Documento wurden von der griechischen Regierung wegen unserer Enthüllungen ins Visier genommen. Der Premierminister selbst nannte mich im Parlament, wie auch andere Journalisten, einen Kriminellen für die Enthüllungen über den Novartis-Skandal, und meine Verfolgung war geplant. Politische Persönlichkeiten führen ständig methodische Prozesse, um mich einzuschüchtern“, sagte er.

Über 100 SLAPPs

Vaxevanis hat wegen seiner Arbeit über 100 so genannte „strategische Klagen gegen die Öffentlichkeit“ (SLAPPs) erhalten und alle gewonnen.

Erst letzten Monat wurde er nach einer Klage des ehemaligen Justizministers Charalambos Athanasiou freigesprochen, weil er enthüllt hatte, dass der Minister Drogenhändler begnadigt hatte.

„Als ich freigesprochen wurde, kündigte er [der Minister] an, dass die Staatsanwaltschaft Berufung gegen die Gerichtsentscheidung einlegen werde“, sagte Vaxevanis.

Laut der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) steht Griechenland auf Platz 107, was die Medienfreiheit angeht, und schneidet unter den EU-Mitgliedstaaten am schlechtesten ab.

„Wir verurteilen den feigen verbalen und physischen Angriff auf Kostas Vaxevanis und seine Familie. Nach der Anzeige des Verlegers müssen die Behörden den Täter rasch vor Gericht stellen. Wir fordern auch alle griechischen politischen Parteien, die sich selbst als demokratisch bezeichnen, auf, den Angriff auf Kostas Vaxevanis‘ Familie entschieden zu verurteilen“, sagte Pavol Szalai, RSF-Leiter der EU/Balkan-Abteilung, gegenüber EURACTIV.

Szalai fügte hinzu, dass dies das zweite Mal in weniger als einem Monat sei, dass ein griechischer Medienvertreter bedroht wurde. Er erwähnte den Fall des Journalisten Lefteris Charalambopoulos, der einen ernsthaften Drohanruf erhielt, nachdem er in einem Artikel einen berühmten griechischen Fußballverein kritisiert hatte.

„Wir halten es für sehr bedenklich, dass mächtige Leute meinen, sie könnten Journalisten ungestraft und schamlos bedrohen. Die griechische Politik und Justiz muss deutlich machen, dass dies in einem demokratischen Land völlig inakzeptabel ist“, so Szalai.

Der Verband der Redakteure der Athener Tageszeitungen, die größte Oppositionspartei Syriza und die Kommunistische Partei verurteilten den Angriff. Die Regierungspartei Neue Demokratie (EVP) und die Sozialisten (Pasok) gaben hingegen keine offizielle Erklärung ab.

Von der Regierung verurteilte nur der von Vaxevanis häufig kritisierte Arbeitsminister Adonis Georgiadis den Angriff öffentlich.

„Einen Menschen vor den Augen seiner Familie und seines kleinen Kindes verbal oder anderweitig anzugreifen, ist ohne Wenn und Aber verwerflich […] Wir stehen in dieser Sache an der Seite von Kostas Vaxevanis, und ich akzeptiere kein solches Gerede“, sagte Georgiadis.

Daphne-Caruana-Galizia-Preis

In der Zwischenzeit wurde Vaxevanis für den Daphne Caruana Galizia-Preis für Journalismus nominiert, weil er eine Liste mit über 100 Namen von Ministern, Armeechefs, Journalisten, Politikern und institutionellen Akteuren enthüllte, deren Telefone im Rahmen des so genannten „griechischen Watergate“ mit der illegalen Spionagesoftware Predator abgehört wurden.

Obwohl die Regierung Vaxevanis anfangs als „Lügner“ bezeichnete, bestätigten die beiden unabhängigen griechischen Datenschutzbeauftragten die Liste, so der Journalist.

Vaxevanis betonte, dass die illegale Spionagesoftware „in Kombination“ mit den griechischen Geheimdiensten eingesetzt wurde, die unter der persönlichen Kontrolle des griechischen Premierministers stehen.

Die Regierung ihrerseits beharrt darauf, dass sie Predator nie gekauft hat, obwohl die gerichtliche Untersuchung über ein Jahr nach Aufdeckung des Skandals zu nichts geführt hat.

„Diese Nominierung ist eine große Ehre für mich. Kurz bevor die Kriminellen in Malta Daphnes Auto in die Luft sprengten, hatten wir als Kämpfer für die Pressefreiheit zusammen mit Daphne und 17 weiteren Kollegen Interviews in einer gemeinsamen Veröffentlichung des Europarats gegeben. Das Buch wurde vom Europarat leider erst nach dem tragischen Tod von Daphne veröffentlicht“, so Vaxevanis.

„Die Offenlegung dieses Systems der internen Spionage durch die Regierung zielte in Wirklichkeit darauf ab, ein Erpressungssystem zu schaffen, das derzeit in Griechenland aktiv ist und die Demokratie bedroht. Meine Nominierung für einen Preis zum Gedenken an Daphne und für eine solche Enthüllung ehrt mich sehr“, so Vaxevanis abschließend.

Originaltext (engl.)

Dieser Beitrag wurde unter Griechenland abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.