Das Ende einer Flucht: 146 Jahre Haft

Von Alexandra Senfft, 16.1.2021 – ZDF

Menschenrechtsorganisationen sind alarmiert: Küstenwache und Behörden in Griechenland gehen zunehmend illegal gegen Geflüchtete vor – und die EU schaut zu.

79 Menschen an Bord eines für Kurzstrecken gebauten Taxiboots: So machte sich am Morgen des 24. Dezember vergangenen Jahres eine Gruppe von Syrern, Palästinensern und Afghanen weiter auf den Weg. In der Türkei nahe Izmir setzten maskierte Schlepper sie auf das zwölf Meter kurze Boot. 

Für die gefährliche Überfahrt durch die Ägäis nach Italien hatten die Flüchtenden hohe Summen gezahlt, teils ihre Häuser verkauft. Nach 160 Kilometern auf See fielen nahe der Kykladeninsel Paros beide Maschinen aus, das Boot kenterte. 16 Menschen ertranken, darunter drei Frauen und ein Säugling.

Von Geflüchteten zu Gefangenen 

63 Passagiere wurden nach Stunden im Wasser gerettet und nach Paros gebracht – unterkühlt, hungrig, schwer traumatisiert. Wenige Stunden später waren die Menschen jedoch nicht mehr hilfsbedürftige Geflüchtete, sondern Gefangene – beschuldigt der illegalen Einreise und des vorsätzlichen Mords. 

Die Küstenwache nahm ihnen Handys und Dokumente ab, unterband Kontakte nach außen, unterließ jegliche Rechtsbelehrung. Ihr Fokus lag einzig auf der strafrechtlichen Verfolgung: 

Wer sind die Schlepper? Wer steuerte das Boot?

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Krise revisited. Zur aktuellen sozialen Lage in Griechenland

Präsentiert vom 24. Griechischen Salon – Do., 03.02.2022 | 19:00 | Livestream aus dem RegenbogenKino

Online-Veranstaltung (Zoom) in deutscher und griechischer Sprache
Registrierung per Link, Details s.u.

Nicht nur konservative Kreise in Europa und europäische Institutionen werden nicht müde zu betonen, dass Griechenland die Krisenjahre hinter sich gelassen hat und sich durch die Regierung Mitsotakis auf dem Weg der Konsolidierung befindet.
Sind Armut und soziale Ungerechtigkeit in Griechenland aber tatsächlich auf dem Rückzug? 

Die Realität spricht eine andere Sprache: Gesellschaftliches Eigentum wird hemmungslos privatisiert, das Land wird auf die Bedürfnisse von Unternehmen und ausländischen Investoren ausgerichtet – und Polizeigewalt und die aggressive Abwehr von Geflüchteten ist an der Tagesordnung. (…)

Wir wollen diskutieren mit:

  • Tonia Katerini | Architektin und Aktivistin in Athen. Arbeitet in einer Gruppe, die sich gegen die Zwangsversteigerungen von Wohnungen und Häusern wendet, und ist Mitglied der „European Action Coalition for the Right to Housing and the City“
  • Apostolos Kapsalis | Arbeitswissenschaftler und Sozialforscher, Wissenschaftl. Mitarbeiter am Institut für Arbeit des griechischen Gewerkschaftsverbandes GSEE
  • Babis Dinakis | Aktivist des sozialen Stadtteilzentrums von Perama (Piräus).

Moderation: Ingrid Stipper, aktiv im Bündnis Griechenlandsolidarität Berlin. (…)

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Der Tod des Bischofs: Wie das Coronavirus die griechische Kirche spaltet

  • Während in Griechenland die Omikron-Infektionszahlen explodieren, tobt im orthodoxen Klerus ein erbitterter Glaubenskampf.
  • Weltfremde Corona-Leugner stehen aufgeklärten Geistlichen gegenüber.
  • Der Tod eines Bischofs facht die Corona-Kontroverse in den Reihen der orthodoxen Kirche weiter an.

Von Gerd Höhler, 6.1.2022 – RND

Athen. Fast vier Wochen lang rang Kosmas, der Bischof von Aetolia, auf der Intensivstation des Athener „Evangelismos“-Krankenhauses um sein Leben. Am vergangenen Sonntag starb der 76-Jährige an Covid-19. Der Geistliche war ein fanatischer Kritiker der Corona-Maßnahmen, mit denen die griechische Regierung die Ausbreitung des Virus zu bremsen versucht. Die fünfte Welle der Pandemie überrollt das Land wie ein Tsunami. Die Sieben-Tage-Inzidenz hat sich in den vergangenen zwei Wochen auf 2445 verachtfacht.

Bischof Kosmas wetterte in Hasstiraden von der Kanzel gegen die Maskenpflicht und die Impfkampagne. Wer sich aus Angst vor einer Infektion nicht in eine vollbesetzte Kirche traue, sei ein „Ungläubiger“, predigte der Bischof. (…)

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Der Metropolit von Ätolia und Akarnania, Kosmas (links) ist am Montag (3.1.) im Athener Krankenhaus Evangelismos verstorben. (…) Der Metropolit, der sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen wollte, war bereits seit dem 1. Dezember im Krankenhaus von Agrinio in Mittelgriechenland behandelt worden. Als sich sein Gesundheitszustand drastisch verschlechterte, wurde er in die Hauptstadt verlegt: Auch hier konnten die Ärzte nichts mehr für ihn tun. (Griechenland Zeitung / eh)

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»Wir befinden uns in einer Postdemokratie« (Varoufakis)

Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis skizziert eine gesellschaftliche Dystopie, gegen die er sich auflehnt

Von Marta Moneva 04.01.2022 – nd

Der neue deutsche Finanzminister Christian Lindner hat erklärt, dass die griechische Sparpolitik in der Eurokrise als Modell für Deutschland dienen könnte. Was halten Sie davon? Er hat recht, aber ich habe eine besondere Theorie über die Austerität in Griechenland und Deutschland – das erste Land, in dem Austerität praktiziert wurde, war nicht Griechenland, sondern Deutschland unter dem Kanzler Gerhard Schröder. Als die Krise ausbrach, war es zunehmend der damalige Finanzminister Peer Steinbrück, der die Schuldenbremse und massive Austerität einführte. Dann, ein Jahr später, 2010, ging Griechenland pleite, und die Austerität wurde von Deutschland nach Griechenland exportiert. Was in Deutschland begann und über Griechenland die Runde in Europa machte, kommt nun nach Deutschland zurück.

Und Lindner verfolgt eine ähnliche Politik wie Wolfgang Schäuble (von 2009-2018 Bundesfinanzminister Anm. d. Red.), der als Libertärer einfach nur die Märkte befreien und in Deutschland Thatcher’sche Austerität betreiben wollte. Er wollte den Grexit, er wollte sogar Italien rauswerfen und den ursprünglichen Plan der Bundesbank umsetzen, der eine gemeinsame Währung für die Überschussländer Deutschland, Österreich, Holland, Belgien, vielleicht Polen, die Slowakei und die Tschechische Republik vorsah. (…)

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2022 – Literarisches Jahr für Iakovos Kambanellis

4.1.2022 – Griechenland aktuell

„Das Jahr 2022 ist dem Autor Iakovos Kambanellis gewidmet. Das Ministerium für Kultur und Sport hat 2022 zum Literarischen Jahr von Iakovos Kambanellis erklärt; seinen 100. Geburtstag würde er am 2. Dezember 2021 feiern. Im deutschsprachigen Raum ist der Überlebende des KZ Mauthausen vor allem durch die Mauthausen-Kantate in der Vertonung von Mikis Theodorakis bekannt. (…)“

Er, der mutige Kämpfer gegen den Faschismus, war auch Dramatiker, Drehbuchautor, Dichter und Schriftsteller und gilt als Vater des zeitgenössisichen griechischen Theaters.

„Kambanellis wurde am 2. Dezember 1921 auf der Insel Naxos geboren. Als eines von neun Kindern musste er die Schule vorzeitig verlassen und eine Arbeit suchen, nachdem die Familie nach Athen gezogen war, aber er setzte sein Studium an einer Abendfachschule fort und las Bücher, die er sich leisten konnte. 1942 wurde er nach einem Fluchtversuch aus dem von den Nazis besetzten Griechenland verhaftet und nach Mauthausen gebracht, wo er den Rest des Krieges verbrachte.

Kambanellis schrieb den Zyklus von Mauthausen-Liedern, um seine Memoiren bekannt zu machen; später schrieb er auch ein Erinnerungsbuchüber seine Jahre im Lager. Die Memoiren “Mauthausen“ (“Die Freiheit kam im Mai“ in deutscher Übersetzung) wurden erstmals 1965 in Athen veröffentlicht und unter anderem ins Englische und Deutsche übersetzt. (…)“

„Obwohl er selbst kein Jude war, entschied er sich, im Lager zu bleiben, bis der letzte griechische Jude ging. Nach seiner Rückkehr nach Griechenland begann Kambanellis in Athen eine Kolumne für eine Zeitung zu schreiben, bevor er sich dem Theater und dem Film zuwandte. (…)“

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Ein jüdisches Archiv kehrt heim

Von Wassilis Aswestopoulos, 3.1.2022 – Jüdische Allgemeine

Deportation von Juden aus Ioannina (CC BY-SA 3.0 DE)

Fast 80 Jahre nach dem Raub durch die deutschen Nationalsozialisten am 11. Juli 1942 kehren die Archive der jüdischen Gemeinden Griechenlands sowie Kultusgegenstände und Bücher aus jüdischen Stiftungen in ihre Heimat zurück. Sie befanden sich seit Mai 1945 zunächst im Besitz der Sowjetunion und später der Russischen Föderation.

Das Archiv zum jüdischen Leben in Griechenland war von Soldaten der Roten Armee durch Zufall entdeckt worden. Der Legende nach suchten zwei Rekruten nach einem Ort für ihre Notdurft, als sie auf einen Eisenbahnwaggon stießen, der das Archiv enthielt.

GESCHICHTE Die Geschichte des Judentums in Griechenland reicht mehr als 2500 Jahre zurück. Manche sagen, sie sei die Geschichte Griechenlands. Mit dem Archiv kehrt nun ein wesentlicher Teil der griechischen Geschichte wieder zurück. Das Archiv wird, wenn das Holocaust-Museum in Thessaloniki fertiggestellt sein wird, allen Interessierten zur Verfügung stehen. (…)

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Siehe auch: Gespaltene Erinnerungen an NS-Verbrechen, Holocaust und Bürgerkrieg

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Die kurzen Beine des Kyriakos Mitsotakis

Von Niels Kadritzke, 23.12.2021 – Le Monde diplomatique

„Das Schicksal der Flüchtlinge an der polnisch-belarussischen Grenze hat erneut ein Thema ins Blickfeld gerückt, das in der europäischen Öffentlichkeit längere Zeit erfolgreich verdrängt wurde. Aber auch jetzt war die Berichterstattung unserer Medien auf das zynische Kalkül des Lukaschenko-Regimes und die unnachgiebige Haltung der Warschauer Regierung konzentriert. Dagegen wurde das Versagen der Europäischen Union nur am Rande erwähnt. Dabei sind die ungerügten Pushback-Praktiken, die das polnische Militär an der EU-Ostgrenze durchführt, auch dadurch ermutigt worden, dass die EU-Partner und die Brüsseler Kommission die langjährigen Praktiken anderer Mitgliedstaaten hingenommen haben.

Bild: Yorgos Konstantinou

Diese Nachsicht würde etwa gegenüber Ungarn und Kroatien geübt, aber auch gegenüber Griechenland. Dabei gibt es zwischen Polen und Griechenland einen interessanten Unterschied. Weil die PiS-Regierung offen erklärt, die „Souveränität“ Polens stehe über dem internationalen Recht, braucht sie ihre Pushback-Aktionen nicht zu leugnen. Dagegen behauptet die Regierung Mitsotakis, sie respektiere die völkerrechtlich verbrieften Rechte der Flüchtlinge, die aus der Türkei nach Griechenland gelangen wollen. Damit sieht sie sich allerdings gezwungen, die Praktiken ihrer Küstenwache in der Ägäis zu leugnen und diejenigen zu verfolgen, die fortwährend illegale Pushbacks dokumentieren. Im folgenden Text wird versucht, das Lügengebäude der Regierung Mitsotakis darzustellen und zu untergraben. (…)

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Zur Journalistin Ingeborg Beugel und ihrer Auseinandersetzung mit Mitsotakis in der Frage der illegalen Pushbacks, sieht hier.

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