Corona-Preisschock in Griechenland

Von Wassilis Aswestopoulos, 4.12.2021 – Telepolis

Steigende Energiepreise sorgen für Unternehmenspleiten

Michalis Epitrapidis hat in einem dramatischen Appell unlängst auf die Lage der Gastronomie in Griechenland hingewiesen. Viele seiner Kollegen müssen ihre Geschäfte aufgeben, weil sie ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen könnten, so Epitrapidis, der im Raum Thessaloniki den Verband der Schnellrestaurants vertritt.

Gerade von diesen Geschäften müssten viele derzeit schließen: Nicht nur wegen der Corona-Pandemie, sondern auch wegen der immens gestiegenen Energiekosten. Diese treffen Unternehmer und Verbraucher.

Die Gastronomie als Opfer einer doppelten Krise

„Es gibt bereits Geschäfte, die schließen mussten, weil ihnen der Strom abgestellt worden ist, da sie die Rechnung nicht bezahlen konnten. Die Unternehmer sind nicht schuld am Strompreisanstieg“, klagt Epitrapidis. Er fürchtet, dass die Hälfte der Lokale bis Weihnachten aufgeben muss.

Es ist das Zusammentreffen zweier Krisen, das die Situation für Gastronomen besonders brenzlig macht. Wegen der Pandemie und plötzlich angeordneter Lockdowns sind viele Lebensmittel verdorben und mussten entsorgt werden.

Hinzu kamen strenge Maßnahmen wie Tests und schließlich die 2-G-Regel. (…)

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„Die EU ist doch nur eine große Bank, die Kredite vergibt“

Kein Land der EU ist von der Demokratie so enttäuscht wie Griechenland. Das Leben von Helen Pasiali zeigt, wie nachhaltig die Sparpolitik die Gesellschaft verstört hat.

Von Benjamin Hindrichs, 8.12.2021 – Thessaloniki

Schlange vor einem Geldautomaten in Thessaloniki (2015)

Helen Pasiali hält den Rücken gerade. Ihr Blick wandert durch das Wohnzimmer, streift die Bilder ihrer zwei Kinder auf der Kommode, das weiße E-Piano, eine Kuchenhaube. Sie atmet aus. „Es ist hart“, sagt sie knapp. Die Rechnungen, die steigenden Preise im Supermarkt, die ausbleibenden Aufträge ihres Mannes, die Kraftlosigkeit, wenn sie spätabends nach Hause kommt. „Aber so ist das Leben.“

Pasiali lacht. Schatten liegen unter ihren blauen Augen. In ihren Händen hält sie eine Tasse Kaffee. Manchmal, sagt sie, wünsche sie sich, sie könne die Zeit zurückdrehen. „Aber das wünschen sich alle hier.“

Helen Pasiali war gerade geboren, als Ministerpräsident Konstantinos Karamanlis den Beitritt Griechenlands zur Europäischen Gemeinschaft unterzeichnete. Sie war 21, als das Land den Euro einführte, 32, als die Staatsschuldenkrise begann, und 37, als sie ihr Vertrauen in die Demokratie verlor. (…)

Pasiali ist das, was Politikerinnen und Sozialwissenschaftler oft „politikverdrossen“ nennen: Von der griechischen Politik fühlt sie sich allein gelassen, genau wie von der Europäischen Union. Den Medien glaubt sie nicht. Und den aktuellen Premierminister Griechenlands, Kyriakos Mitsotakis, würde sie nicht einmal dann wählen, „wenn der der letzte Politiker auf der Welt wäre“.

Nirgendwo in der EU sind die Bürgerinnen und Bürger so demokratiemüde wie in Griechenland. (…)

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Droht Griechenland die nächste Schuldenkrise?

Von Wassilis Aswestopoulos, 6.12.2021 – Telepolis

Griechenlands Nationalbank. Bild: Petr Kratochvil, CC0 1.0

Im Schatten der Pandemie wachsen die Rückstände des Staates erneut auf Rekordhöhe

In Griechenland kann zur Bekämpfung der Pandemie die Boosterung fortan schon drei Monate nach der Zweitimpfung mit den Vakzinen von Biontech, Moderna oder Astrazeneca erfolgen. Die Regierung versucht mit Impfungen einen erneuten Lockdown zu verhindern. Sie kann ihn sich nämlich nicht leisten. Der Schuldenberg wächst, das Defizit im Staatshaushalt auch.

Daher versucht Griechenland, in der Eurozone Verbündete für eine Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu finden.

Corona, Waldbrände und steigende Energiepreise

Thodoros Skylakakis, Vizeminister im Finanzministerium und zuständig für Staatsfinanzen, rechnete vor, dass die Pandemie dem Staat bis zum Sommer 2021 vierzig Milliarden Euro gekostet hat. Eine Summe, die gemäß jüngsten Angaben auf 45 Milliarden Euro angewachsen ist.

Neben den Kosten der Pandemie muss der Staat auch die Schäden der verheerenden Waldbrände des Sommers bewältigen. Bewohner müssen entschädigt, die betroffenen Gebiete mit Maßnahmen gegen die nun drohende Überflutung gesichert werden. (…)

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Alexis – unvergessen

Der damals 15-jährige wurde am 6. Dezember 2008 von einer Spezialeinheit der griechischen Polizei nach einer verbalen Auseinandersetzung getötet, die laut Zeugenaussagen von dem Beamten und seinem Partner angezettelt worden war. Die beiden Beamten wurden im Zusammenhang mit dem Mord angeklagt und für schuldig befunden, der eine wegen des Mordes selbst, der andere als Komplize.

Der abscheuliche Mord löste im ganzen Land Unruhen und Proteste aus, die sich seitdem jährlich wiederholen. Der 6. Dezember ist bis heute auch ein Gedenktag gegen Polizeiwillkür. Nach Angaben von Ekathimerini nahm die Polizei, die mit einem Großaufgebot präsent war, in diesem Jahr drei (minderjährige) Demonstranten in Gewahrsam, elf weitere wurden kurzzeitig festgenommen.

Alexandros Grigoropoulos was shot and killed by a policeman on December 6, 2008. Public Domain

Ermordung des griechischen Studenten Alexandros Grigoropoulos (ausführlicher Bericht aus dem letzten Jahr)

Von Victoria Loutas, 6. Dez. 2020 – The Greek Herald

„Am 6. Dezember 2008 wurde der 15-jährige Schüler Alexandros Grigoropoulos von einem Polizeibeamten in Exarchia, Griechenland, erschossen. Der Mord löste eine Welle von Unruhen im ganzen Land aus, und schließlich nahm der Vorfall internationale Ausmaße an, so dass in vielen großen Städten auf der ganzen Welt Solidaritäts- und Unterstützungsveranstaltungen organisiert wurden.

Am Abend des 6. Dezember, gegen 21 Uhr, saßen Grigoropoulos und seine Freunde in einer Ecke in Exarchia, wo sie mit zwei Polizisten in einem vorbeifahrenden Streifenwagen Schimpfwörter austauschten. Später kehrten Epaminondas Korkoneas und Vasilis Saraliotis zu Fuß an den Tatort zurück. Hier ging die verbale Auseinandersetzung weiter, als plötzlich Alexandros Grigopoulos von Epaminondas Korkoneas, einem Mitglied der Spezialeinheit der griechischen Polizei, tödlich angeschossen wurde. Unmittelbar nach den Schüssen wurde der junge Grigoropoulos in das nahe gelegene Evangelismos-Krankenhaus gebracht, wo er für tot erklärt wurde.

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Asylsuchende werden illegal in neuem EU-finanzierten Lager festgehalten

AMNESTY International, 2.12.2021

„geschlossene Zentrum mit kontrolliertem Zugang“ (KEDN) auf Samos

In Folge eines bisher unveröffentlichten Entscheids des griechischen Ministeriums für Asyl und Migration werden Asylsuchende in einem neuen, von der EU finanzierten Flüchtlingslager auf der Insel Samos von den griechischen Behörden illegal festgehalten. Das geht aus Informationen hervor, die Amnesty International zugetragen wurden. Amnesty International fordert, dass die Einhaltung der Menschenrechte in den Flüchtlingslagern sichergestellt und die Freiheitsbeschränkungen der Asylsuchenden aufgehoben werden.

Rund 100 Menschen werden seit mehr als zwei Wochen illegal in einem von der EU finanzierten Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Samos festgehalten. Gemäß dem Beschluss des griechischen Ministeriums für Asyl und Migration dürfen seit dem 17. November Personen ohne gültige staatliche Ausweise (Asylkarten) das Lager auf unbestimmte Zeit nicht mehr verlassen. Der Beschluss gilt für Personen, denen die Karte aufgrund eines abgelehnten Asylantrags entzogen wurde, sowie für Neuankommende, die noch keine Karte erhalten haben. Nach inoffiziellen Schätzungen werden etwa 100 der rund 450 Bewohner*innen seit mehr als zwei Wochen daran gehindert, das einem Gefängnis ähnelnde Gelände zu verlassen, was eine Verletzung ihres Rechts auf Freiheit darstellt.

Dieses Lager ähnelt eher einem Gefängnis als einem Ort, an dem Menschen Schutz suchen. Das ist ein grober Missbrauch von EU-Geldern und ein schwerwiegender Verstoß gegen die Rechte der Bewohner*innen.

Adriana Tidona, Expertin für Migration bei Amnesty International

(…)

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Hintergrund

Eine Delegation von Amnesty International besuchte am 22. November 2021, dem fünften Tag der Restriktionen, das Gelände der „Closed Controlled Island Facility“ (auf Griechisch: Κλειστή Ελεγχόμενη Δομή Νήσων, KEDN) auf Samos und traf einige der betroffenen Bewohner.

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Störung im Betrieb

Festung Europa: Griechenland kriminalisiert Fluchthelfer und verurteilt sie zu hohen Gefängnisstrafen

Von Hansgeorg Hermann, 25.11.2021 – junge Welt

Griechische Gerichte schicken Flüchtlinge für Jahrzehnte hinter Gitter, Polen legalisiert »Pushbacks«, Deutschland will seine Asylgesetze »der Situation anpassen«. Die EU, deren Regierungen und Parlamente bei passender Gelegenheit insbesondere gegenüber Russland und China die Einhaltung nicht näher definierter Menschenrechte reklamieren, schert sich an ihren Außengrenzen wenig um die von ihr von anderen geforderten Standards. Der ultrarechte griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis lässt von seiner Regierung als solche bezeichnete »illegale Migranten« kriminalisieren. Gerichte des Landes haben begonnen, Familienväter ebenso wie junge Menschen, die in Europa Zuflucht vor Krieg und bitterer Armut suchen, für lange Zeit im Gefängnis wegzuschließen.

Ein prominentes Opfer der griechisch-europäischen Abschreckungspolitik ist die junge Syrerin Sarah Mardini. Vor einer Woche, am 17. November, sollte sie eigentlich in Mytilini, der Hauptstadt der Insel Lesbos, als Angeklagte vor einem dreiköpfigen Amtsgericht stehen, mit ihr 23 andere Helfer internationaler und einheimischer Hilfsorganisationen, die sich seit dem Krieg in Syrien um hilfesuchende Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten kümmern. Mardini, die 2015 weltweit als »Heldin« gefeiert wurde, weil sie und ihre jüngere Schwester Yusra ein mit mehreren Familien überladenes, bereits sinkendes Schlauchboot schwimmend an die rettende griechische Küste gezogen hatten, war für die Regierung in Athen allerdings nie mehr als eine der vielen hundert lästigen Ehrenamtlichen, die den ordnungspolitischen Betrieb in der Ägäis – Misshandlung, Inhaftierung und Pushback von Flüchtlingen – stören. (…)

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Auch in diesem Winter in Zelten

Auf Lesbos und Chios werden die Menschen weiter in provisorischen Behausungen leben müssen. Der Bau fester Wohneinheiten hat noch nicht einmal begonnen.

27.11. – dpa/taz

BRÜSSEL/ATHEN dpa | Geflüchtete auf den griechischen Inseln Lesbos und Chios können nicht wie geplant bis zum Winter in neue Flüchtlingslager ziehen. Rund 2550 Menschen werden dort weiterhin in Zelten und Containern wohnen. Der Bau der Unterkünfte hat noch nicht einmal begonnen, wie aus einer Antwort der EU-Kommission auf Fragen der Deutschen Presse-Agentur hervorgeht.

Schwierig ist die Lage im nahenden Winter vor allem auf Lesbos, wo weiterhin rund 2200 Migranten im Übergangs-Camp Kara Tepe leben. Das Lager war vor gut einem Jahr in Windeseile errichtet worden, nachdem ein Großbrand das berüchtigte Auffanglager Moria fast vollständig zerstört hatte. Zwar kündigte der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis im Frühjahr an, dass bis zum Winter ein neues Lager fertiggestellt würde, aber dieses existiert – genau wie auf Chios – weiterhin nur auf dem Papier. (…)

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Siehe auch: Flüchtlinge auf Lesbos müssen erneut in Zelten und Containern überwintern

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