Freiheitsentzug als Programm

2020 brannte das griechische Flüchtlingslager Moria ab. Die EU versprach einen Neustart und ließ neue Camps bauen. Wie leben die Ankommenden dort?

Von Christian Jakob, 28.9.2022 – TAZ

Alles hier ist grau. Das Grau hat so viele Schattierungen wie im Frühling das Grün des Waldes: mehliggrau ist der staubige Schotter auf dem Boden, bleigrau die Zaunmasten mit dem Klingendraht, mausgrau die Zelte, ICE-grau die Wohncontainer und Klimaanlagen. Das Grau spiegelt sich hell in den Sonnenbrillen der Polizisten, die in engen T-Shirts in schattigen Ecken stehen, die Schlagstöcke am Gürtel. Private Sicherheitsleute laufen herum, sie tragen weiße Hemden, kugelsichere Westen, Pistolen im Holster. Sie arbeiten für G4S, einen britischen Sicherheitskonzern. Rund um die Uhr bewachen sie das Registrierungszentrum RIC auf einer Landzunge im Osten der Insel Lesbos.

Auf einer Bank sitzen zwei junge Afrikaner. Drei Männer in Zivil stehen vor ihnen. „Wann bist du gekommen? Selbes Boot?“, fragt einer auf Englisch. Die beiden verstehen ihn nicht.

1.500 Menschen wie diese jungen Geflüchteten leben heute im Registrierungszentrum, das auf einem alten Schießplatz der Armee errichtet wurde. Genau zwei Jahre ist es her, dass nur wenige Kilometer entfernt Moria abgebrannt ist – ein von der EU bezahltes, damals zum Bersten überfülltes Flüchtlingscamp, das einer Mischung aus Slum und Straflager glich, voller Ratten, Krankheiten und Gewalt. (…)

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