Privatisierung des Nickelunternehmens Larco: alle 1080 Beschäftigte werden entlassen

(Dieser Beitrag erschien am 8.2.2022 auf griechenlandsoli.com)

Von Ralf Kliche:
Weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit eskaliert derzeit in Griechenland der Konflikt um die Privatisierung des Minen- und Verhüttungsunternehmens Larco: Die Vollversammlung der Beschäftigten hat am Ende der vergangenen Woche die folgenden Aktionen beschlossen:

  • am Montag 07.02.2022, 7:00 Uhr eine Protestdemonstration in Athen mit anschließender Besetzung des Hauptsitzes des Unternehmens
  • am Donnerstag, 10.02.2022 ein eintägiger Streik an allen Standorten des Unternehmens
  • am Donnerstag, 10.02.2022, 10:00 Uhr Demonstration und Versammlung vor dem Finanzministerium am Syntagma-Platz in Athen
  • am Sonntag, 13.02.2022 Treffen der Aktivistengruppen auf dem Firmengelände in Larymna, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Hintergrund sind die Aktivitäten des Staates als Besitzer des Nickel-Unternehmens, um Larco an Investoren zu verkaufen. Dazu gehört nicht nur die Entlassung von mehr als 1.000 Beschäftigten, im Vorfeld des Verkaufs sollen auch die Bewohner von ca. 300 Werkswohnungen ihren Wohnsitz verlieren.

Aber der Reihe nach:

Welche Vorgeschichte haben die aktuellen Entwicklungen?

Das Unternehmen Larco wurde zu Beginn der 60er Jahre als privatwirtschaftliches Unternehmen gegründet, der griechische Staat kontrolliert es seit 1985 als Mehrheitseigner. Larco beutet als inzwischen einziger Nickelproduzent in der EU die griechischen Vorräte an Nickel in verschiedenen Minen aus und verarbeitet sie zu industriellen Vorprodukten (Ferronickel). Der Abbau erfolgt an allen Nickelvorkommen Griechenlands vorzugsweise im Tagebau. Larco besitzt Minen auf Euböa, im nordgriechischen Kastoria und nahe Larymna auf dem Festland gegenüber von Euböa. Seit den 2000er Jahren beträgt die jährliche Nickelproduktion ca. 18.000 t. In einer großen Fabrik in Larymna erfolgt auch das Einschmelzen des geförderten Erzes und seine Verarbeitung. Zu Larco gehören auch ein eigener Hafen zur Verschiffung der Produkte und eine Mine in Servia bei Kozani, um Braunkohle für die Nickelproduktion zu fördern.

Mehr als 85% des gewonnenen Nickels wird – nach seiner Verarbeitung zu Ferronickel – für die Produktion von Edelstahl verwendet. Es wird auch für die Batterieproduktion benötigt, dafür werden bislang ca. 5% verwendet, durch die wachsende Nachfrage im Zuge der Elektromobilität wird diese Verwendung allerdings stark wachsen (bis 2025 wird ein Anteil > 20% erwartet). Larco rechnet sich zu den fünf größten Produzenten von Ferronickel weltweit. (1)

Bis in die 80er Jahre hinein war das Unternehmen durchaus profitabel. So kam es auch, dass im Zeitraum von 1968 bis 1975 ca. 300 Werkswohnungen nahe der Fabrik in Larymna gebaut wurden. Die ökonomischen Schwierigkeiten wurden aber über die Jahrzehnte immer größer, Larco meldete 1989 Konkurs an und wurde mit 80% staatlicher Beteiligung und einer Rekapitalisierung neu gegründet. Die Unternehmensverluste wurden dadurch aber nicht gestoppt, sie betrugen z.B. 2013 mehr als 76 Mio. € und 2014 knapp 29 Mio. €. Im Verlauf der Krise setzte 2012 der damalige Ministerpräsident Samaras flächendeckend Lohnsenkungen durch und entließ den damaligen Larco-Chef Anastasios Barakos, als dieser sich weigerte, die beschlossenen Sparmaßnahmen umzusetzen.

Der enorme Energiebedarf in der Produktion führte dazu, dass Larco heute der größte Schuldner bei dem zentralen staatlichen Energieversorger DEI ist – der Energieversorger ist mit 11,4% zugleich Anteilseigner von Larco. Es ist die Rede von insgesamt 280 Mio. € an unbezahlten Stromrechnungen bis Ende 2018. Angesichts dieser wirtschaftlichen Schieflage haben die griechischen Regierungen schon seit längerem – allerdings ohne Erfolg – versucht, Larco zu verkaufen. Deshalb wurden auch 55,2% an die griechische „Treuhand“ TAIPED (HRDAF) übertragen. Weiterer Eigentümer ist die griechische Bank „Ethniki Trapeza“ mit 33,45%. (2) Da der griechische Rettungsfonds in der Krise aber die Mehrheitsanteile dieser Bank übernommen hat, stehen faktisch alle Anteilseigner unter staatlicher Kontrolle.

Verschärft wird die Situation durch den Konflikt mit der Europäischen Kommission und die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes: 2014 hatte die Kommission entschieden, dass Hilfen des griechischen Staates für das Unternehmen (Kapitalzufluss und Garantien) gegen die EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen verstoßen würden. Der griechische Staat müsse deshalb aus dem Zeitraum 2008 – 2011 insgesamt 135,8 Mio. € von Larco zurückfordern. Gleichzeitig wurde der Verkaufsdruck erhöht, indem die EU erklärte, dass ein eventueller Käufer die Beihilfen nicht zurückzahlen müsse, auch wenn sie illegal erfolgt seien. Griechenland kam dieser Aufforderung allerdings nicht nach und die EU-Kommission erhob deshalb Klage vor dem EU-Gerichtshof. 2017 wurde dort zugunsten der Kommission entschieden, aber Griechenland kam erneut der Aufforderung nicht nach, die Beihilfen zurückzufordern. (3) Nachdem eine weitere Aufforderung Anfang 2019 auch nicht zum gewünschten Ergebnis führte, hat nun das Gericht nach entsprechendem Antrag der EU-Kommission Strafzahlungen als Sanktionen verhängt. Danach muss Griechenland eine einmalige Geldbuße in Höhe von 5,5 Mio. € bezahlen. Bis die Beihilfen zurückgezahlt sind, muss Griechenland weiterhin jedes Halbjahr ein Zwangsgeld von 4 Mio. € an die Europäische Union bezahlen.

Die aktuellen Entwicklungen – der Konflikt eskaliert

Diese Kosten haben offensichtlich die Regierung bewogen, den Verkaufsprozess zu forcieren. Bislang sind beide von TAIPED und staatlichem Verwalter betriebenen Ausschreibungen (Minen / Flächen sowie Produktionsstätten) nicht über die Phase der Interessenbekundung hinausgegangen. Bereits vor einem Jahr, im Februar 2021, hatte Larco von sechs interessierten Investoren gesprochen.

Am 02. Februar dieses Jahres kam es nun zu einer Telefonkonferenz zwischen den beteiligten Ministern Staikouras (Finanzen), Hatzidakis (Wirtschaft) und Skrekas (Umwelt) sowie Arbeitnehmervertretern. (4) Dabei eröffneten die Minister, dass zur Erleichterung des Verkaufs und um den Investoren entgegenzukommen, alle Beschäftigten von Larco incl. der Leiharbeiter noch im Februar entlassen werden sollen, das sind ca. 1.080 Personen. Im Rahmen gesetzlicher Regelungen sollen Entschädigungszahlungen erfolgen. Auch die ca. 300 Familien, die derzeit Werkswohnungen bewohnen, sollen dort ausziehen.

Weiterhin soll gelten:

  • Beschäftigte ab 55 Jahren werden bis zur Vollendung des 62. Lebensjahrs und der Pensionierung in gemeinnützige Einrichtungen aufgenommen. Allerdings wurden keine Angaben gemacht, wo und zu welchen finanziellen Konditionen dies erfolgen soll. Beschäftigte unter 55 Jahren werden in kurzfristige Arbeitsbeschaffungsprogramme integriert.
  • Das Management legt eine Gruppe von Beschäftigten fest, die übergangsweise den Betrieb aufrechterhalten. Sie erhalten neue Arbeitsverträge, die Vertragsbedingungen bleiben aber offen.
  • Beschäftigte, an denen die Investoren Interesse haben, sollen von diesen neue Vertragsangebote erhalten. Einzelheiten wurden nicht genannt. Voraussichtlich werden Neueinstellungen aber nur zu schlechteren Bedingungen erfolgen.

Die Ministerien wollen im Lauf der aktuellen Woche ab 7.02. Vertragsentwürfe an Bieter versenden und erwarten einen Rücklauf bis Mitte März.

Sollte ein Verkauf nicht möglich sein, sollen die Werke geschlossen werden.

Über das Treffen wurde übrigens nicht durch die beteiligten Regierungsstellen berichtet, sondern von dem Gewerkschaftsvorsitzenden der betroffenen Region im Internetradio der kommunistischen Gewerkschaft PAME. Auch in Syriza gibt es inzwischen Aufrufe, die Beschäftigten zu unterstützen, zumindest bei denjenigen, die nicht mit der Planung des anstehenden Parteikongresses ausgelastet sind. Aus den Basisinitiativen heißt es:

LARCO-Arbeiter haben eine lange Geschichte des Kampfes und werden nicht zulassen, dass die Regierung ihren unmenschlichen Plan durchführt. Sie arbeiten seit Jahrzehnten in den Minen und Brennöfen und wissen, wie sie für ihre Rechte kämpfen müssen. Wir unterstützen sie weiterhin und fordern die lokale Gemeinschaft und die Arbeiterbewegung des Landes auf, dasselbe zu tun, damit wir mit Solidarität, Einheit und Kampf auf die arbeiterfeindlichste Regierung reagieren können, die das Land seit dem Putsch erlebt hat.“ (5)

Quellen / Anmerkungen:

  1. Genauere Ausführungen finden sich auf der Homepage des Unternehmens http://www.larco.gr/ und bei Wikipedia (https://de.frwiki.wiki/wiki/Larco), zu Nickel und Batterieproduktion siehe: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/nickel-e-autos-batterien-nachfrage-mangel-101.html
  2. https://www.efsyn.gr/oikonomia/elliniki-oikonomia/330467_1080-apolyseis-sti-larko Achtung: Trotz ihres Namens handelt es sich bei der Ethniki Trapeza NICHT um die staatliche Zentralbank – die heißt „Trapeza tis Ellados“. Die Ethniki Trapeza wirkte aber bis in die 20er Jahre des 20.Jhs. als Zentralbank, daher der Name.
  3. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_19_6313
  4. http://www.ergasiasimera.gr/?p=38546
  5. http://www.ergasiasimera.gr/?p=38548
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