„Seit vier Monaten halten wir in Athen Mahnwachen ab“ Ein Gespräch mit Litza Alexakis eine der 595 Putzfrauen

„Seit vier Monaten halten wir in Athen Mahnwachen ab“

In Griechenland wurden alle 595 Putzfrauen der Finanzbehörden entlassen – sie wehren sich seit einem Jahr dagegen. Ein Gespräch mit Litza Alexakis

Wolfgang Pomrehn
Litza Alexakis lebt auf der Insel Korfu, sie wurde vor einem Jahr als Putzfrau entlassen

Seit fast einem Jahr kämpfen Sie mit Ihren Kolleginnen gegen Ihre Entlassung. Wie fing alles an?

Wir hatten aus dem Fernsehen von unser Entlassung erfahren, das war am 28. September 2013. Alle 595 Putzfrauen, die im ganzen Land im Finanzministerium sowie in den Zoll- und Finanzämtern gearbeitet haben, wurden in den Status der sogenannten Verfügbarkeit gesetzt. Das heißt, wir werden freigestellt und bekommen acht Monate lang nur 75 Prozent unseres Gehalts. Wenn man in dieser Zeit keine andere Arbeit beim Staat gefunden hat, wird man entlassen.

Waren diese Entlassung eine Bedingungen der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank?

Ja. Das war ein Teil der Vereinbarungen, die die Troika mit der Regierung von Antonis Samaras geschlossen hat. Ziel ist es, die Menschen so weit zu verarmen, daß sie nicht mehr kämpfen und sich wehren können.

Wieviel haben Sie verdient?

Wir haben je nach Dienstalter 600 bis 700 Euro im Monat bekommen und mußten dafür pro Person 1600 Quadratmeter sauberhalten.

Und wer putzt jetzt die Finanzämter?

Es wurden Aufträge an private Unternehmen vergeben, was teurer ist, als wenn man uns weiter beschäftigt hätte. Doch die Angestellten bekommen dort nur zwei Euro in der Stunde. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal, die Beschäftigten werden massiv eingeschüchtert, damit sie sich nicht gewerkschaftlich organisieren. Konstantina Kuneva, die seit den letzten Wahlen für Syriza im EU-Parlament sitzt, hatte 2008 versucht, bei privaten Putzfirmen eine Gewerkschaft aufzubauen. Daraufhin gab es ein Säureattentat auf sie. Ihr wurde Schwefelsäure ins Gesicht geschüttet. Ein halbes Jahr hat sie zwischen Leben und Tod geschwebt; sie hat ein Auge verloren und schwere Schädigungen der inneren Organe davongetragen. Aber sie macht weiter und unterstützt uns heute.

Wie haben Sie Ihren Widerstand gegen die Entlassungen organisiert?

Zunächst haben wir uns die Telefonlisten vorgenommen und alle Frauen angerufen. Dann haben wir eine landesweite Koordination gegründet. Seitdem machen wir regelmäßig Aktionen in Athen. Zum Beispiel organisieren wir nun schon seit fast vier Monaten eine Mahnwache vor einem Gebäude des Finanzministerium in der Innenstadt von Athen. Jede von uns kommt im Wechsel für zwei Wochen in die Hauptstadt. Eine unserer ersten Maßnahmen war, daß wir das Ministerium mit einer Menschenkette blockiert haben. Tagelang, immer wieder. Streiken konnten wir ja nicht, denn wir waren bereits freigestellt. Aber wir haben mit phantasievollen Aktionen viel Lärm gemacht.

Zum Beispiel womit?

An einem Tag sind wir ins Foyer des Finanzministeriums gegangen und haben gesagt, daß wir bleiben, bis der Minister mit uns spricht. Doch schließlich kam eine Sondereinheit der Polizei, die uns ziemlich brutal aus dem Gebäude vertrieben hat. Seitdem sind in meinem rechten Arm Sehnen beschädigt, so daß ich ihn kaum gebrauchen kann.

Außerdem sind wir jedes Mal erschienen, wenn Vertreter der Troika nach Athen kamen. Immer wieder haben wir die Haupteingänge der jeweiligen Sitzungsgebäude blockiert, so daß Poul Thomsen, der IWF-Gesandte für Griechenland, durch die Hintertür gehen mußte. Einmal haben wir ihn und seine Leibwächter regelrecht Spalier laufen lassen. Premierminister Samaras hat sich später mit den Troika-Beamten in Athen getroffen. Aber auch dort haben wir sie am 3. September mit Unterstützung französischer Gewerkschafter belagert.

Wie geht es weiter?

Am Dienstag sollte eigentlich das oberste Gericht über unseren Fall entscheiden, doch das Urteil wurde auf Ende Februar vertagt. So haben wir etwas Zeit gewonnen. Letztlich muß es ohnehin eine politische Entscheidung geben. Von den Gerichten haben wir wenig zu erwarten.

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