NATO gegen NATO

Griechenland bereitet neuem Kriegsgerät einen Staatsempfang. Aufrüstung wird zum Event. Tatsächlich ist sie Ausdruck einer Krise an der Südostflanke des Nordatlantikpaktes

Von Wassilis Aswestopoulos, 20.1.2022 – Telepolis

So einen Empfang hat eine Waffenlieferung selten erhalten: Am Mittwoch hoben nahe der griechischen Hauptstadt Athen Mirage-Jäger ab, um beim Eintritt in den griechischen Luftraum den neuen Stolz der Luftwaffe zu empfangen und zum Fliegerhorst Tanagra in Böotien zu geleiten: sechs Rafale-Kampfjets aus französischer Produktion.

In Tanagra wartete ein Empfangskomitee mit Premierminister Kyriakos Mitsotakis an der Spitze, weiteren Regierungsvertretern, dem französischen Botschafter, der Führung der Luftwaffe und einer Ehrengarde.

Es gab einen Staatsempfang und nach der Segnung der Flugzeuge durch Geistliche hielt der Premier eine Rede zur Feier des Tages. Es sprachen auch der Botschafter, der Verteidigungsminister, der Kommandeur der Luftwaffeneinheit sowie der Vertreter der Herstellerfirma. Es folgte der Segen von Erzbischof Hieronymos II.

Trotz der massiven Infektionswelle mit der Omikron-Variante des Coronavirus und der ansonsten sehr strengen Pandemieregeln im Land standen Offizielle und Pressevertreter dicht gedrängt am Flugfeld.

Nüchtern betrachtet lässt sich das Ereignis so beschreiben: Ein Nato-Staat, Griechenland, rüstet mithilfe eines weiteren Nato-Staates, Frankreich, gegen einen dritten Nato-Staat, die Türkei, auf. Und dies, obwohl Griechenland und die Türkei in massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken. (…)

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Philhellenismus: Wir sind alle Griechen

In den 1820ern zeigten sich weite Kreise in Europa solidarisch mit dem Befreiungskrieg der Hellenen

Von Jürgen Pelzer, 17.1.2022 – junge Welt

Eugène Delacroix: Scènes des Massacres de Scio, 1824, Öl auf Leinwand. 1822 verübten die Osmanen ein Massaker an der griechischen Bevölkerung der Insel Chios. Geschätzt 25.000 Menschen wurden ermordet, 45.000 versklavt. Das Ereignis beförderte den europäischen Philhellenismus

Vor 200 Jahren, am 17. Januar 1822, erklärte die provisorische griechische Regierung die Unabhängigkeit des Landes. Vorangegangen war eine mehrmonatige Serie lokaler Aufstände, die alle auf ein Ziel gerichtet waren: die Beendigung der fast 400jährigen Besatzung durch das osmanische Reich, die das Land in kolonialer Abhängigkeit gehalten und von den europäischen Entwicklungen weitgehend abgeschnitten hatte. Die Aufstände waren nicht spontan, sondern durch griechische Geheimgesellschaften im In- und Ausland vorbereitet. Von Anfang an wandte man sich zudem gezielt an die europäische Öffentlichkeit, um für Solidarität und Unterstützung zu werben.

Der griechische Befreiungskrieg hatte somit von vornherein eine gesamteuropäische Dimension. Er steht am Anfang einer ersten Welle revolutionärer Erhebungen, die sich nach 1820 gegen die restaurativen Tendenzen der Heiligen Allianz richteten, die den veränderten ökonomischen und sozialen Entwicklungen seit 1789 in keiner Weise gerecht wurden. Die Französische Revolution blieb stets ein zentraler Bezugspunkt, dabei ließ sich an diverse liberale oder gar radikaldemokratische Verfassungskonzepte anknüpfen. (…)

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Wo stecken die 25 000 Migranten, die von der griechischen Küstenwache gerettet wurden?

In Griechenland sind laut UNHCR im vergangenen Jahr rund 8600 Migranten angekommen. Die Regierung behauptet, allein 29 000 Personen aus dem Meer gerettet zu haben. Wohin wurden sie gebracht?

Das Meer spült noch immer die Toten an. Am Samstag wurde ein Kleinkind an einem Strand der Kykladeninsel Naxos gefunden. In den Tagen zuvor waren bereits vier Leichen entdeckt worden, unter ihnen die eines Teenagers. Es wird vermutet, dass die angeschwemmten Toten Opfer eines Bootsunglücks sind, das sich an den Weihnachtstagen vor der Nachbarinsel Paros abgespielt hat. Unmittelbar nach dem Unglück wurde die Zahl von 16 Toten bestätigt, es gibt zahlreiche Vermisste. Zur gleichen Zeit kam es zu Unglücken vor der Insel Folegandros und nördlich vor Kreta, bei denen mindestens 14 Personen ums Leben kamen. Die Migranten waren in der Türkei gestartet und befanden sich auf dem Weg nach Italien.

Die Toten rufen in Erinnerung, dass noch immer zahlreiche Menschen über das Mittelmeer von der Türkei in EU-Staaten zu gelangen versuchen, auch wenn ihre Zahl im vergangenen Jahr weiter abgenommen hat. Am 31. Dezember setzte der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis einen freudigen Tweet ab: «Wir verabschieden 2021, das Jahr mit den niedrigsten Migrantenströmen seit Beginn der Krise. Mit Planung, Entschlossenheit und harter Arbeit haben wir die Kontrolle wiedererlangt. Und wir bleiben dran!» (…)

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Das Ende einer Flucht: 146 Jahre Haft

Von Alexandra Senfft, 16.1.2021 – ZDF

Menschenrechtsorganisationen sind alarmiert: Küstenwache und Behörden in Griechenland gehen zunehmend illegal gegen Geflüchtete vor – und die EU schaut zu.

79 Menschen an Bord eines für Kurzstrecken gebauten Taxiboots: So machte sich am Morgen des 24. Dezember vergangenen Jahres eine Gruppe von Syrern, Palästinensern und Afghanen weiter auf den Weg. In der Türkei nahe Izmir setzten maskierte Schlepper sie auf das zwölf Meter kurze Boot. 

Für die gefährliche Überfahrt durch die Ägäis nach Italien hatten die Flüchtenden hohe Summen gezahlt, teils ihre Häuser verkauft. Nach 160 Kilometern auf See fielen nahe der Kykladeninsel Paros beide Maschinen aus, das Boot kenterte. 16 Menschen ertranken, darunter drei Frauen und ein Säugling.

Von Geflüchteten zu Gefangenen 

63 Passagiere wurden nach Stunden im Wasser gerettet und nach Paros gebracht – unterkühlt, hungrig, schwer traumatisiert. Wenige Stunden später waren die Menschen jedoch nicht mehr hilfsbedürftige Geflüchtete, sondern Gefangene – beschuldigt der illegalen Einreise und des vorsätzlichen Mords. 

Die Küstenwache nahm ihnen Handys und Dokumente ab, unterband Kontakte nach außen, unterließ jegliche Rechtsbelehrung. Ihr Fokus lag einzig auf der strafrechtlichen Verfolgung: 

Wer sind die Schlepper? Wer steuerte das Boot?

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Krise revisited. Zur aktuellen sozialen Lage in Griechenland

Präsentiert vom 24. Griechischen Salon – Do., 03.02.2022 | 19:00 | Livestream aus dem RegenbogenKino

Online-Veranstaltung (Zoom) in deutscher und griechischer Sprache
Registrierung per Link, Details s.u.

Nicht nur konservative Kreise in Europa und europäische Institutionen werden nicht müde zu betonen, dass Griechenland die Krisenjahre hinter sich gelassen hat und sich durch die Regierung Mitsotakis auf dem Weg der Konsolidierung befindet.
Sind Armut und soziale Ungerechtigkeit in Griechenland aber tatsächlich auf dem Rückzug? 

Die Realität spricht eine andere Sprache: Gesellschaftliches Eigentum wird hemmungslos privatisiert, das Land wird auf die Bedürfnisse von Unternehmen und ausländischen Investoren ausgerichtet – und Polizeigewalt und die aggressive Abwehr von Geflüchteten ist an der Tagesordnung. (…)

Wir wollen diskutieren mit:

  • Tonia Katerini | Architektin und Aktivistin in Athen. Arbeitet in einer Gruppe, die sich gegen die Zwangsversteigerungen von Wohnungen und Häusern wendet, und ist Mitglied der „European Action Coalition for the Right to Housing and the City“
  • Apostolos Kapsalis | Arbeitswissenschaftler und Sozialforscher, Wissenschaftl. Mitarbeiter am Institut für Arbeit des griechischen Gewerkschaftsverbandes GSEE
  • Babis Dinakis | Aktivist des sozialen Stadtteilzentrums von Perama (Piräus).

Moderation: Ingrid Stipper, aktiv im Bündnis Griechenlandsolidarität Berlin. (…)

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Der Tod des Bischofs: Wie das Coronavirus die griechische Kirche spaltet

  • Während in Griechenland die Omikron-Infektionszahlen explodieren, tobt im orthodoxen Klerus ein erbitterter Glaubenskampf.
  • Weltfremde Corona-Leugner stehen aufgeklärten Geistlichen gegenüber.
  • Der Tod eines Bischofs facht die Corona-Kontroverse in den Reihen der orthodoxen Kirche weiter an.

Von Gerd Höhler, 6.1.2022 – RND

Athen. Fast vier Wochen lang rang Kosmas, der Bischof von Aetolia, auf der Intensivstation des Athener „Evangelismos“-Krankenhauses um sein Leben. Am vergangenen Sonntag starb der 76-Jährige an Covid-19. Der Geistliche war ein fanatischer Kritiker der Corona-Maßnahmen, mit denen die griechische Regierung die Ausbreitung des Virus zu bremsen versucht. Die fünfte Welle der Pandemie überrollt das Land wie ein Tsunami. Die Sieben-Tage-Inzidenz hat sich in den vergangenen zwei Wochen auf 2445 verachtfacht.

Bischof Kosmas wetterte in Hasstiraden von der Kanzel gegen die Maskenpflicht und die Impfkampagne. Wer sich aus Angst vor einer Infektion nicht in eine vollbesetzte Kirche traue, sei ein „Ungläubiger“, predigte der Bischof. (…)

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Der Metropolit von Ätolia und Akarnania, Kosmas (links) ist am Montag (3.1.) im Athener Krankenhaus Evangelismos verstorben. (…) Der Metropolit, der sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen wollte, war bereits seit dem 1. Dezember im Krankenhaus von Agrinio in Mittelgriechenland behandelt worden. Als sich sein Gesundheitszustand drastisch verschlechterte, wurde er in die Hauptstadt verlegt: Auch hier konnten die Ärzte nichts mehr für ihn tun. (Griechenland Zeitung / eh)

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»Wir befinden uns in einer Postdemokratie« (Varoufakis)

Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis skizziert eine gesellschaftliche Dystopie, gegen die er sich auflehnt

Von Marta Moneva 04.01.2022 – nd

Der neue deutsche Finanzminister Christian Lindner hat erklärt, dass die griechische Sparpolitik in der Eurokrise als Modell für Deutschland dienen könnte. Was halten Sie davon? Er hat recht, aber ich habe eine besondere Theorie über die Austerität in Griechenland und Deutschland – das erste Land, in dem Austerität praktiziert wurde, war nicht Griechenland, sondern Deutschland unter dem Kanzler Gerhard Schröder. Als die Krise ausbrach, war es zunehmend der damalige Finanzminister Peer Steinbrück, der die Schuldenbremse und massive Austerität einführte. Dann, ein Jahr später, 2010, ging Griechenland pleite, und die Austerität wurde von Deutschland nach Griechenland exportiert. Was in Deutschland begann und über Griechenland die Runde in Europa machte, kommt nun nach Deutschland zurück.

Und Lindner verfolgt eine ähnliche Politik wie Wolfgang Schäuble (von 2009-2018 Bundesfinanzminister Anm. d. Red.), der als Libertärer einfach nur die Märkte befreien und in Deutschland Thatcher’sche Austerität betreiben wollte. Er wollte den Grexit, er wollte sogar Italien rauswerfen und den ursprünglichen Plan der Bundesbank umsetzen, der eine gemeinsame Währung für die Überschussländer Deutschland, Österreich, Holland, Belgien, vielleicht Polen, die Slowakei und die Tschechische Republik vorsah. (…)

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