„Die EU ist doch nur eine große Bank, die Kredite vergibt“

Kein Land der EU ist von der Demokratie so enttäuscht wie Griechenland. Das Leben von Helen Pasiali zeigt, wie nachhaltig die Sparpolitik die Gesellschaft verstört hat.

Von Benjamin Hindrichs, 8.12.2021 – Thessaloniki

Schlange vor einem Geldautomaten in Thessaloniki (2015)

Helen Pasiali hält den Rücken gerade. Ihr Blick wandert durch das Wohnzimmer, streift die Bilder ihrer zwei Kinder auf der Kommode, das weiße E-Piano, eine Kuchenhaube. Sie atmet aus. „Es ist hart“, sagt sie knapp. Die Rechnungen, die steigenden Preise im Supermarkt, die ausbleibenden Aufträge ihres Mannes, die Kraftlosigkeit, wenn sie spätabends nach Hause kommt. „Aber so ist das Leben.“

Pasiali lacht. Schatten liegen unter ihren blauen Augen. In ihren Händen hält sie eine Tasse Kaffee. Manchmal, sagt sie, wünsche sie sich, sie könne die Zeit zurückdrehen. „Aber das wünschen sich alle hier.“

Helen Pasiali war gerade geboren, als Ministerpräsident Konstantinos Karamanlis den Beitritt Griechenlands zur Europäischen Gemeinschaft unterzeichnete. Sie war 21, als das Land den Euro einführte, 32, als die Staatsschuldenkrise begann, und 37, als sie ihr Vertrauen in die Demokratie verlor. (…)

Pasiali ist das, was Politikerinnen und Sozialwissenschaftler oft „politikverdrossen“ nennen: Von der griechischen Politik fühlt sie sich allein gelassen, genau wie von der Europäischen Union. Den Medien glaubt sie nicht. Und den aktuellen Premierminister Griechenlands, Kyriakos Mitsotakis, würde sie nicht einmal dann wählen, „wenn der der letzte Politiker auf der Welt wäre“.

Nirgendwo in der EU sind die Bürgerinnen und Bürger so demokratiemüde wie in Griechenland. (…)

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