Erinnern für die Zukunft

Während einer digitalen Jugendbegegnung zwischen Thessaloniki (Griechenland) & Köln (Deutschland) haben sich die Jugendlichen aus Kölner Jugz-Einrichtungen mit Erinnerungsorten aus der NS-Zeit und der deutschen Besatzung in Griechenland auseinandergesetzt. Was damals geschehen ist, sollte nicht vergessen werden, das ist die klare Message der Jugendlichen. Alle hoffen nun auf ein Treffen von Angesicht zu Angesicht im Juli in Köln.

Video von Faros Tou Kosmou – Erinnern für die Zukunft
Video von Infinity Greece & Kids in Action
„Die Vergangenheit ist manchmal brutal, aber du sollst sie nicht vergessen, um von ihr zu lernen“

Die Vergangenheit ist manchmal brutal
Von Hans-Willi Hermans, 2.6.21 – KStA

Deutz/Neubrück. Kaliméra- guten Abend. Untermalt von melancholischen Klavierklängen spaziert eine junge Frau mit einem dicken Buch in der Hand durch Thessaloniki. Man sieht die Strandpromenade, Luxusvillen, Denkmäler, den jüdischen Friedhof. Zwischendurch wird immer mal auf eine andere Frau geschnitten, die auf griechisch – wie die Untertitel verraten – von den Juden erzählt, die im 16. Jahrhundert in Thessaloniki sesshaft wurden. Sie erzählt von ihrer Rolle im Wirtschaftsleben der Stadt, und dann von den Deutschen, die 1942 kamen. Mehr als 46 000 Mitglieder der jüdischen Gemeinde wurden in die Vernichtungslager gebracht, weniger als 2000 kehrten zurück. Der ungefähr fünf Minuten lange Clip ist zu Ende, nun sind wieder Anastasia Sakavara und Vincent Ullrich im Bild. (…)

Ullrich und Sakavara, eine Jugz-Mitarbeiterin, die als Vorsitzende der Initiativgruppe griechische Kultur in Deutschland auch als Übersetzerin gefragt ist, berichten über eine „digitale Jugendbegegnung“. Im März und April haben sich rund 30 junge Leute im Alter zwischen 14 und 27 Jahren aus Thessaloniki und Köln über eine Zoom-Konferenz mit Erinnerungsorten an den Nationalsozialismus in ihren jeweiligen Städten auseinandergesetzt. Gruppenweise wurden Videoclips vorbereitet und kürzlich unter Einhaltung der Hygienevorschriften abgedreht. Im Live-Stream erzählen vier Besucher der Einrichtung „Infinity Greece“ aus der Hafenstadt an der Ägäis, wie die Musik für das gerade gesehene Video entstand. Aber auch, dass sie noch nicht viel über die Judenverfolgung in ihrer Stadt wussten, als sie mit der Arbeit begannen.

Abseits der Sendung erzählt Sedina Bradic, Diplom-Pädagogin im Neubrücker Jugendzentrum Enbe, vom Fachkräfteaustausch im Bereich Jugendarbeit, den Köln 2019 mit der griechischen Partnerstadt organisiert hatte. Daraus entstand im Enbe ein Jugendaustausch, der anfangs noch analog möglich war: „Im Februar 2020 war eine Gruppe aus Thessaloniki in Neubrück zu Besuch, wir haben zusammen einen Wagen für den Sonntagszoch gebaut und mit griechischen Säulen verziert“, so Bradic, die verantwortlich für das Projekt ist. Ihr Wagen sei einer der „stimmungsvollsten“ gewesen, das habe nicht zuletzt an den Sinti- und Roma-Musikern aus Thessaloniki gelegen, ergänzt Vincent Ullrich, der ebenfalls im Enbe arbeitet.

Im „twitch“-Beitrag folgt nun ein Clip der Einrichtung „Faros Haus“, die hauptsächlich von Jugendlichen aus Thessalonikis Roma-Community besucht wird. Einige Schauplätze sind aus dem ersten Video bekannt, drei junge Männer treten mit einem behutsamen Rap auf: „Nie wieder Faschismus“ heißt es im Refrain. „Eine traurige Geschichte, ich fühlte mich furchtbar“, bekennt einer der drei, als die Musik aufgehört hat. (…)

„Für den Herbst 2020 war eigentlich ein Gegenbesuch in Thessaloniki vorgesehen, aber das war wegen Corona nicht möglich“, so Bradic. „Wir hoffen aber, dass die Jugendlichen aus Thessaloniki im Juli wieder nach Neubrück kommen können.“ Dann sollen sie auch ausführlich Trendsportarten wie Skaten, BMX-Radfahren oder Wakeboard betreiben und über solche Jugendthemen locker ins Gespräch mit den Enbe-Besuchern kommen. 

Wie das mit dem Gedenken an den Holocaust vereinbar ist, zeigt der letzte Clip. Emil, der darin zusammen mit vier anderen Jugendlichen aus dem Enbe, den Abenteuerhallen Kalk und dem Jugendpark auftritt, erzählt wie die Vorbereitungen getrennt und unter Anleitung von Workshop-Leitern in einer Tanzgruppe, einer Musikgruppe und einer BMX-Gruppe ablief. Gemeinsam wurde eine Route zu Kölner Gedenk-Orten an die Nazi-Diktatur erstellt, an einigen wurde gedreht. „Diese Orte uns auch zu den Texten inspiriert“, sagt Emil. (…)

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