Kampf um das Gold der Griechen

VON CARSTEN FIEDLER UND GERD HÖHLER / KStA 17.08.20

„Der Traum vom Gold endet abrupt. Ein drei Meter hohes Gitter versperrt die Einfahrt zum „Open Pit“, dem Erztagebau von Skouries auf der Halbinsel Chalkidiki im Norden Griechenlands. Im Boden der hügeligen Landschaft, gut eine halbe Stunde Autofahrt von der westlich gelegenen Küstenstadt Thessaloniki entfernt, werden gewaltige Goldvorkommen vermutet. Wenige Kilometer vor dem Gelände der Goldmine Skouries wird die Schotterpiste, über die der schwarze Pick-up von Dimitris Pitsolis und seinem deutschen Beifahrer dahinrumpelt, zu einer makellos asphaltierten Straße. Doch am Gittertor ist Schluss.(…)

Dimitris Pitsolis hat Biologie an der Universität in Sofia studiert. Vor einigen Jahren übernahm er den elterlichen Hotelbetrieb auf Sithonia, dem mittleren der drei „Finger“ von Chalkidiki. Sowohl aus ökologischer als auch aus touristischer Sicht sieht der 38-Jährige die Pläne der Kanadier kritisch: „Eldorado Gold ist so etwas wie das Ryan Air der Goldbranche“, sagt er. „Sie werden niemals unbedenkliche, aber dafür kostenintensive Verfahren anwenden, auch wenn sie es versprechen“, fürchtet Pitsolis, der sich jahrelang aktiv am Protest gegen das Vorhaben beteiligt hat. „Nichts an dem, was Eldorado Gold hier machen will, ist nachhaltig. Sie werden uns nur die Verschmutzung der Umwelt hinterlassen.“

Im langen Kampf um das Gold der Griechen haben sich in den Wäldern von Chalkidiki die Gegner der Mine gesammelt: Umweltschützer, politische Aktivisten. Zu ihren Unterstützern zählen auch die Bauern, die Tourismusbetriebe der Gegend, Gastronomen und Hoteliers wie Pitsolis. Sie alle befürchten massive Schäden für Mensch und Natur, falls die Ausbeutung der Bodenschätze von Skouries in Gang kommen sollte. Das Camp der Eldorado-Gold-Gegner liegt nur wenige Kilometer vom „Open Pit“ entfernt in einem Waldstück. (…)

Doch die Goldförderung aller vergangenen Epochen ist nichts im Vergleich zu dem, was Eldorado Gold hier vorhat. Das Unternehmen, hinter dem auch große internationale Finanzkonzerne wie Black Rock, Van Eck Associates, die Vanguard Group und der Invesco Oppenheimer Fund stehen, will Griechenland zum größten Goldproduzenten Europas machen. Im Boden von Skouries und dem rund zehn Kilometer entfernten Nachbarort Olympiada werden Vorkommen von etwa 250 Tonnen vermutet. Schätzwert: 22 Milliarden Euro. (…)

Schon 2015 wollte Eldorado Gold über das Tochterunternehmen Hellas Gold mit der Ausbeutung beginnen und den Menschen der Region damit wirtschaftlichen Aufschwung sowie Tausende Arbeitsplätze bescheren. So stellen es der Konzern und seine Unterstützer dar. Ökologische Bedenken versucht Eldorado Gold zu zerstreuen: (…)

Nach dem Sieg des Linksbündnisses Syriza in den Parlamentswahlen 2015 entzog die Regierung des neuen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras Hellas Gold alle bereits erteilten Bau- und Betriebsgenehmigungen unter Berufung auf drohende Umweltschäden. 2017 stellte das Unternehmen die Arbeiten ein, klagte sich jedoch erfolgreich durch alle Instanzen bis hinauf zum Staatsrat, dem obersten Verwaltungsgericht. Zugleich stellte Hellas Gold Schadenersatzforderungen von umgerechnet mehr als 600 Millionen Euro an den griechischen Staat. Daraufhin signalisierte die Regierung Tsipras, die Genehmigungen würden nun doch erteilt. Es blieb aber bei Ankündigungen. (…)

Wieder in Gang kam das Projekt erst im Herbst 2019 nach dem Wahlsieg der konservativen Nea Dimokratia, die das Vorhaben befürwortet. Regierungschef Kyriakos Mitsotakis war kaum im Amt, als George Burns, CEO von Eldorado Gold, schon bei ihm vorstellig wurde. Der Konzessionsvertrag für den Goldabbau sollte eigentlich im Sommer 2020 erneuert werden. Doch wegen Corona verzögerte sich der Zeitplan. Mit einem Abschluss wird nun bis Ende des Jahres gerechnet.

Im Wald von Skouries wollen sie das Vordringen der Goldgräber verhindern – mit zivilem Ungehorsam und alternativem Protest. Im Camp herrscht reges Treiben. Freiwillige Helfer laufen hin und her, sorgen für Essen und Getränke. Andere bauen gerade die Bühne für ein Konzert der Band „Social Waste“ und des bekannten Folk-Gitarristen Dimitris Mistakidis auf. Das Setup verbindet jugendlichen Aufruhr mit griechischer Tradition. Ein Hauch von Hambacher Forst weht durch den Wald von Skouries. An einem Baum im Lager der Minen-Gegner klebt sogar ein Foto von vermummten Umweltaktivisten aus dem Rheinischen Revier. Mit solidarischen Grüßen.

MILLIARDENPROJEKT
Nach der Finanzkrise ist in Griechenland immer noch jeder Fünfte arbeitslos. Als Jobmaschine, so das Kalkül von Eldorado Gold, sollte das Minen-Projekt willkommen sein. Das Unternehmen beschäftigt in Griechenland etwa 2400 Mitarbeiter. Insgesamt hat Eldorado Gold zwei Milliarden Dollar investiert und eine weitere Milliarde für den Ausbau der Minen und die Beseitigung von Altlasten bereitgestellt. „

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