Veranstaltungsbericht: DIE EU IN DER KRISE – REFORM, EXIT, WOHIN?

20. 05. DGB-Haus Köln,  Veranstalter „Griechenland Solidaritätskomitee Köln“, Referenten: Klaus Dräger und Steffen Lehndorff

Manfred Neugroda (Moderation) und Klaus Dräger (r.)

Anhand mehrerer Schaubilder zeichnete Klaus Dräger ein ernüchterndes Bild von der EU in ihrem aktuellen Zustand. Es bestehen Differenzen um den weiteren Ausbau „Festung Europa“, Schengen-Regeln und Dublin-Abkommen sind faktisch außer Kraft. Teils wird eine militärische Sicherung der Außengrenzen gefordert, eine „Aufrüstungs-Union“ (PESCO) wird vorangetrieben. Der Brexit gestaltet sich krisenhaft, allgemein nimmt die politische Instabilität zu. Die EU zeigt sich als zahnloser Tiger bei der Verteidigung ihrer Werte. Die Eurokrise ist nicht bewältigt, das Prinzip der „neoliberalen Wirtschaftsregierung“ schwächt die Demokratie innerhalb der EU. Die deutsche ökonomische Dominanz belastet das Verhältnis der Mitgliedstaaten. Macrons Pläne zur EU-Reform und zur Reform der Eurozone stehen vor dem Scheitern, der deutsch-französische Motor ist kaputt. Aufgrund des Lissabonvertrags und des Fiskalpakts ist eine Demokratisierung kaum möglich. Eine linke Reform der Verträge scheitert an der geforderten Einstimmigkeit.

Steffen Lehndorff schloss sich dieser Analyse an, benannte aber Unterschiede hinsichtlich der Schlussfolgerungen. Um aus dem „eisernen Käfig“ zu entkommen und eine andere EU zu generieren, müssten europäische Regierungen eine Politik des permanenten Regelverstoßes betreiben, wie dies unter den Linksregierungen in Spanien und Portugal und deren Nichteinhaltung der Haushaltsregeln schon geschehen ist. Durch solche Regelverstöße und Umwegsaktionen gegen die Austeritätspolitik könnten interessante Konstellationen auftreten und der Sanktionsdruck der EU-Kommission angefochten werden. Deutschlands Schuldenbremse ist die Ursache der europäischen Fiskalpolitik und nicht umgekehrt, auch dies ein Ansatz für positive Veränderung.

Seine Vorschläge für politische Aktivitäten und Kampagnen:

  • Stärkung der sozialen EU (Mindestlohn, Sozialfonds zur Einführung einer sozialen Grundsicherung, DGB als wichtiger Akteur)
  • Reform der Verträge gegen das Missverhältnis von Markt und sozialen Belangen
  • Kampagne gegen Aufrüstung und 2%-Ziel bei den Rüstungsausgaben
  • Regionale Netzwerke der Städte für die Aufnahme von Geflüchteten
  • Energiewende als europäisches Fortschrittsprojekt mit einem Finanzierungsfonds außerhalb des Haushalts (daran hängen viele weitere Fragen: Demokratie, regionale Strukturen, Reform der Verträge)

Insgesamt ginge es um radikalen Reformismus mit dem Ziel einer fortschrittlichen EU. Die ausgearbeiteten Details einer solchen Politik seien in dem grade erschienenen Buch “ MEMORANDUM 2019″ ( ISBN 978-3-89438-697-7) thematisiert.

In der anschließenden lebhaften Diskussion unter den insgesamt 30 Teilnehmer*innen ging es um die Frage, wie sich die Bewegungen gegen die Austeritätspolitik in den einzelnen Ländern entwickeln und europaweit vernetzen können. Es bestand weitgehend Einigkeit darüber, dass eine Reform der EU aus sich selbst heraus (sozial, freiheitlich, ökologisch) angesichts der Verträge und der Dominanz des Marktes schwer vorstellbar ist. Welche linken Perspektiven sind in dieser Situation möglich und aussichtsreich? Folgende Aspekte wurden herausgearbeitet:

  • gegen die Austeritätspolitik, für Investitionen und soziale Standards
  • für Energiewende und Durchsetzung der Klimaziele
  • gegen die „Aufrüstungsunion“, für Abrüstung, gegen den weiteren Ausbau der „Festung Europa“

Weiterführende Materialien:

„Europa neu begründen“ (Steffen Lehndorff)

„Ein gemeinsames Programm der Armutsbekämpfung in der EU – ein Strategievorschlag“ (von Prof. Dr. Martin Höpner, ebenfalls bei der Veranstaltung anwesend)

Zusammenfassung des Vortrags von Klaus Dräger (ausführlich)

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