Ökonomische Krise und Landraub in Griechenland

Bericht Horst Hilse

Die furchtbare Krise, die Griechenland zu einer EU-Kolonie degradierte zeitigt auch Folgen, die hierzulande kaum bekannt sind: die Eigentumsübertragung öffentlicher Flächen an private Investoren und ausländische Gesellschaften. Hierzu hielt Costis Hadjimichalis, Professor an der Athener Universität Harokopio einen spannenden Vortrag. Die Veranstaltung war von der Rosa Luxemburg Stiftung in Kooperation mit dem Griechenland Solidaritätskomitee Köln (GSKK) und der POP (ΠΟΠ) – Initiativgruppe Griechische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland e.V., und weiteren Partnern organisiert. Trotz subtropischer Hitze kamen über 40 Personen zu der Veranstaltung in der Melanchthon Akademie Köln.

Der Landraub im großen Stil wurde unter Ausnutzung der großen Krise und der Verschuldung international organisiert. Der bürgerliche Nationalstaat enteignet sich selbst und überträgt öffentliches Land an private Investoren. Hinzu kommt die Brandrodung, die sich aktuell zu einer Katastrophe ausgeweitet hat. Geschützte Flächen werden niedergebrannt um dann anschließend als Bauland umgewidmet zu werden.
All das ist im Kapitalismus nicht neu, betonte Costis Hadjimichalis. In gewisser Weise beruhe der Kapitalismus auf geraubtem Landbesitz, bzw. der Verfügung über Land. Die leidvolle Geschichte in Afrika, Asien und Lateinamerika ist voll von gewaltsamen Kämpfen um Landraub. Auch die USA gründen sich auf der Inbesitznahme des ehemaligen Indianerlandes. Doch anders als frühere Großgrundbesitzer haben die heutigen Eigentümer überhaupt kein Interesse an produktiver Landverwertung ( Landwirtschaft oder Infrastrukturmassnahmen).Investoren sind heute überall auf der Suche nach Land, das profitabel genutzt werden kann. In Griechenland wurde mit der TAIPED nach dem Vorbild der deutschen Treuhand eine spezielle Behörde eingerichtet, in die alle öffentlichen Vermögenswerte eingingen, die zum Zweck der Schuldentilgung veräußert werden sollen. Dramatisch zugespitzt ist die Situation aktuell durch das Spekulationskapital.

In den USA befeuerte die Immobilienblase eine weltweite Gier nach Bauland. Das Platzen dieser Blase im Jahr 2008 hatte eine massive Umwidmung und Eigentumsübertragung an große Immobilienkonzerne zur Folge. In Europa war Mallorca sowie die spanischen Küstenregionen bevorzugtes Spekulationsobjekt für Immobilienkonzerne. Heute ist Griechenland durch deren Raubzüge massiv betroffen.

Die ehemals staatliche Fluggesellschaft, die Eisenbahn und 14 Flughäfen sind heute in der Hand transnationaler Großkonzerne. Bei Bahn und Fliegerei erfolgten massive Preiserhöhungen, die jedoch heute nicht mehr dem griechischen Staat zugutekommen, der weiter verarmt. Im Falle der Flugpreise fließt der Gewinn an die Frankfurter FraPort als neuer Besitzer der Flughäfen. Deren Vertrag hat eine Laufzeit von 69 Jahren! Auch die deutsche staatliche Kreditanstalt hat kräftig verdient: So wurden mehrere tausend ha mit einem veranschlagten Wert von 1100 Euro pro Hektar zu einem Preis von 760 Euro pro Hektar verramscht.

Seit 2013 beteiligen sich auch die Kirchen und Klöster massiv an der Immobilienspekulation. Große US- Konzerne und englische Konzerne besitzen mittlerweile 52 000 ha Land, meist an der Küste. Nur noch 14% des griechischen BIP werden aus produktiven Tätigkeiten im weitesten Sinne (Tourismus, Landwirtschaft inbegriffen) generiert. Aber 29% kommen aus dem Spekulationssektor. Gelder, die früher in Infrastruktur und Produktion flossen, gehen heute in die Spekulation.

Der Professor verdeutlicht in der anschließenden Diskussion die Vorgehensweisen an praktischen Beispielen: So hat eine große schottische Immobilienfirma viele ha Küstenstreifen in bester Lage vor Jahren aufgekauft. Als das bekannt wurde, stiegen die Aktien um 20%. Nach über einem Jahr wurde mitgeteilt, dass man an Plänen für Luxuswohnungen arbeite. Wiederum machten die Aktien der Firma einen Gewinnsprung. Ein erneuter Sprung erfolgte, als die Fa. mitteilte, sie suche wegen der Größe einen Partner in dem Geschäft. Real vor Ort ist rein garnichts passiert: Bisher liegt bei den Behörden noch nicht einmal ein Antrag auf Baulanderschließung vor. (Rohrleitungen) Jeder Stein liegt dort noch genauso, wie zu dem Kaufzeitpunkt vor einigen Jahren. Trotzdem konnte die Firma große Gewinne machen.

Natürlich gibt es auch Widerstand gegen diese Entwicklung: Das oberste Gericht ermahnt die Regierung, kein öffentliches Land zu verschleudern. Oft werden die Investoren mit Auflagen und Besitzansprüchen konfrontiert, so dass langjährige Prozesse folgen. Manch ein Investor zieht sich dann zurück und verkauft wiederum an andere Privatbesitzer.
Auf die Frage nach der Politik der Syriza-Regierung teilt der Professor mit, dass Syriza nur dasjenige Land verkauft habe, was ihr durch die Memorandenpolitik abgepresst wurde. Aber die Verarmung des griechischen Staates ist mit all diesen Verkäufen rasant beschleunigt worden. Er frage sich, wie jemals Schulden durch einen arm gemachten Staat zurückgezahlt werden könnten. Der Zeitpunkt zum Austritt aus der Eurozone sei verpasst worden und hätte auch wahrscheinlich keine Mehrheit in der Bevölkerung gefunden.

Nach diesen Ausführungen muss man unwillkürlich an Rousseau denken:
„Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und dreist sagte: ‚Das ist mein‘ und so einfältige Leute fand, die das glaubten, wurde zum wahren Gründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, Leiden und Schrecken würde einer dem Menschengeschlecht erspart haben, hätte er die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinesgleichen zugerufen: ‚Hört ja nicht auf diesen Betrüger. Ihr seid alle verloren, wenn ihr vergesst, dass die Früchte allen gehören und die Erde keinem.’“


Die Veranstaltung fand in Kooperation mit
der Melanchthon Akademie, Köln, dem Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Athen, dem Geographischen Institut der Georg-August-Universität Göttingen, dem Geographischen Institut der Universität Salzburg, dem Griechenland Solidaritätskomitee Köln (GSKK) und der POP (ΠΟΠ) – Initiativgruppe Griechische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland e.V., statt.

Fotos: Jürgen Rompf und Horst Hilse


Literaturhinweis:
Costis Hadjimichalis ISBN: 978-3-89691-855-0 204 Seiten Preis: 19,90 €
Übersetzt von Céline Spieker
Erschienen: 2016 im Verlag Westfälisches Dampfboot

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