„Es wird vom öffentlichen Gut zur Handelsware“

In der Jungen Welt vom 23.3.17 erschien ein Gespräch von Sascha Stanicic mit Monika v. zur Mühlen (GSKK) zur erzwungenen Wasserprivatisierung in Griechenland und kann dort nachgelesen werden. (Wir veröffentlichen hier eine Langfassung des Interviews.)

  1. Sie beteiligen sich an einer Kampagne gegen die Privatisierung der Wasserwerke in Griechenland. Was ist die Situation?

Die sog. Hilfsprogramme für Griechenland waren seitens der Troika (später Quadriga) stets an die Bedingung geknüpft, griechisches Staatsvermögen in großem Umfang zu privatisieren und die Erlöse für den Schuldendienst, die Rettung der Banken und – als letztes, bisher tatsächlich nur zu 5% – Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaft zu verwenden. Mit dem 3. Memorandum (2015) wurde Griechenland auch die Privatisierung der beiden größten Wasserwerke in Athen und Thessaloniki aufgezwungen, gegen den erklärten Willen der Bevölkerung und entgegen einer früheren Zusage seitens der EU-Kommission, die Wasserversorgung in der EU von den Privatisierungsvorhaben auszunehmen.

Das Ergebnis der bisherigen Privatisierungen ist desaströs. Obwohl fast durchweg profitable Unternehmen ganz oder zum Teil verkauft wurden, wie der Hafen Piräus oder 14 Regionalflughäfen, betrug der Erlös bis Ende 2015 gerade einmal 3 Mrd. €, meilenweit entfernt von den angestrebten 50 Mrd. €, und in einem krassen Missverhältnis stehend zur Schuldenlast, die sich Ende 2015 auf 215 Mrd. belief; allein die Zinszahlungen erreichten eine Höhe von 52,3 Mrd. € von 2010 bis 2015.

Nachdem das griechische Parlament im Herbst 2016 unter dem Druck der Gläubiger dem Verkauf der Wasserwerke zugestimmt hatte, wurden diese in den für weitere Privatisierungen geschaffenen „Superfonds“ überführt.

  1. Welche Folgen hätte eine Privatisierung?

Werden Wasserwerke privatisiert  oder auch in Public-private-Partnership (PPP) überführt, so weist die Erfahrung in verschiedenen Ländern durchweg negative Folgen für die Bevölkerung auf. Es ist stets dasselbe Bild: Wasser, als lebensnotwendiges Gut wird den Profitinteressen internationaler Konzerne unterworfen, es wird teurer und gleichzeitig schlechter in der Qualität, weil notwendige Investitionen ausbleiben. Für die Ärmsten ist Wasser oft nicht mehr bezahlbar, und das von den UN erklärte Menschenrecht auf Wasser wird mit Füßen getreten.

In Griechenland wird es zu ähnlichen Konsequenzen kommen, insbesondere ist damit zu rechnen, dass noch bestehende soziale Regelungen abgeschafft werden: d.h. Rabatte auf den Wasserpreis in Höhe von 50% für Arme und sogar kostenloser Zugang zum Wasser für die Ärmsten, eine Regelung, die von der Wassergewerkschaft in Thessaloniki erkämpft wurde, wird es mit Sicherheit nicht mehr geben.

Die Erfahrungen zeigen auch, dass die Sache nicht anders aussieht, wenn statt vollständiger Privatisierung PPP-Lösungen durchgeführt werden, bei denen 51% der Wasserwerke in öffentlichem Eigentum verbleiben. Die dann abgeschlossenen Geheimverträge sehen in der Regel vor, dass die strategische Leitung und die Ausrichtung der Wasserbetriebe in der Hand der privaten Partner liegt und sich an deren Interessen orientiert.

Privatisierungen von öffentlichem Eigentum werden im allgemeinen damit begründet, dass die Effizienz gesteigert, das Wirtschaftswachstum befeuert und dem Staat zu mehr Steuereinnahmen verholfen werden könne. Doch in Griechenland sind es fast ausschließlich profitable Unternehmen (z. B. beträgt der Jahresgewinn der Wasserwerke in Thessaloniki zwischen 10 und 14 Mio. € im Jahr), die weit unter Wert verschleudert werden, und deren regelmäßige Gewinne nun dem Staat als Einnahme verloren gehen und der Gesellschaft entzogen werden. Auch handelt es sich in der Regel um Monopole, wie auch im Fall der Wasserwerke, die in privater Hand nicht mehr dem öffentlichen Interesse dienen und vor allem zur Profitsteigerung genutzt werden. Wasser wird so von einem öffentlichen Gut zur Handelsware.

  1. Welche Rolle spielt die Bundesregierung bei den Privatisierungsvorhaben?

Die Bundesregierung, besonders Finanzminister Schäuble, hat stets die Linie eines harten Sparkurses vertreten. Rentenkürzungen und Steuererhöhungen und eben der Ausverkauf griechischen Staatsvermögens gelten als Allheilmittel dieser „Reformpolitik“. Diese Linie wird auch den Einwänden des IWF gegenüber, der mehrfach auf die „Unbezahlbarkeit“ der griechischen Schulden hinwies und Erleichterungen verlangte, wie verlängerte Laufzeiten, Hinaussschieben des Schuldendienstes usw. , stur durchgehalten. Lieber bringt Schäuble den Grexit ins Spiel. Ein beispielloser Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft und der Sozialsysteme, begleitet von wachsender Armut, Obdachlosigkeit und medizinischer Unterversorgung, wurde achselzuckend hingenommen, stets mit dem Hinweis, die Griechen müssten ihre Reformbemühungen verstärken. Schäuble wirft Griechenland auch immer wieder vor, sich einen höheren Lebensstandard zu „leisten“, als die Griechen selbst erwirtschaften könnten. Gleichzeitig wird offener Neokolonialismus im Dienste großer Unternehmen in den wohlhabenden EU-Ländern praktiziert, der den Griechen immer weiter die Luft abdrückt.

  1. Wie verhält sich die SYRIZA-Regierung und gibt es Widerstand in der Bevölkerung oder von den Beschäftigten?

Die Syriza-Regierung hat 2015 kapituliert und sich dem Sparkurs unterworfen. Verbliebene Gegner der Privatisierungen wurden im letzten Herbst aus der Regierung entfernt, Tsakalotos, der Finanzminister, hat erklärt, Griechenland werde keine Entscheidungen ohne Absprache mit der Troika/Quadriga mehr treffen. Kritik wird zwar geübt, z.B. durch Tsipras auf dem jüngsten Parteitag im Februar, als dieser der Bundesregierung vorhielt, sie riskiere die Spaltung bzw. den Zerfall der EU. Aber tatsächliche Widerstandsmaßnahmen werden nicht organisiert.

Große Teile der Bevölkerung wehren sich jedoch auf vielfältige Weise gegen die weitere Verschlechterung ihrer Lage. Dies geschieht auf der einen Seite durch Selbstorganisation und Projekte von unten, wie z.B. die ca. 60 Sozialkliniken, die Flüchtlinge behandeln und alle diejenigen, die keine Krankenversicherung mehr haben, wie auch die zahlreichen Initiativen, die der Beschaffung und Verteilung von Nahrungsmitteln dienen oder besetzte, in Arbeiterselbstverwaltung übernommene Betriebe, z.B. VioMe. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder direkte Kämpfe, z.B. gegen die Zwangsversteigerung von Erstwohnungen, und große Streiks, wie jüngst durch die Straßen- und U-Bahn-Fahrer in Athen, die sich gegen die geplante Privatisierung des Bahnverkehrs richteten.

Auch gegen die Privatisierung der Wasserwerke EYDAP (Athen) und EYATH (Thessaloniki) gibt es seit Jahren Widerstand. So kam es 2013/14 in Thessaloniki zu einer breiten Kampagne und einer Mobilisierung der ganzen Stadt, wesentlich organisiert von der Wassergewerkschaft und der damals gegründeten Initiative „savegreakwater“, mit Unterstützung der kommunalen Bürgermeister und Delegationen von anderen europäischen Gewerkschaften, u.a. auch von Verdi. In einem Referendum sprachen sich 98,3% gegen die geplante Privatisierung aus, was damals zur Abwehr des Vorhabens führte.

  1. Was kann wer in Deutschland tun?

Da nun die Wasserprivatisierung in Griechenland mit der Übertragung von EYATH und EYDAP an den Superfonds bereits in Gang gesetzt wurde, ist eine Wiederbelebung der europäischen Widerstandsfront, wie sie 2013 existierte, dringend geboten. Das Thema muss wieder in den Focus der fortschrittlichen Öffentlichkeit gerückt werden, und es gilt, Druck gegenüber den EU-Institutionen aufzubauen. Bereits jetzt helfen die seitens des Netzwerks der Griechenlandsolidarität gestartete Kampagne und nahezu 100.000 Unterschriften den Kolleg*innen und Aktiven in Griechenland, den Protest wieder zu organisieren. Besonders angesprochen sind die Mitglieder von Verdi, sich erneut gegen die Wasserprivatisierung in Griechenland einzusetzen.

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