Vollständige Interviewfassung mit Manos (Antarsya)

1 – Manos, kannst Du uns die Vorgeschichte als auch den Formierungsprozess von ANTARSYA kurz skizzieren?

ANTARSYA (Die Antikapitalistische Linke Zusammenarbeit für den Umsturz – die Abkürzung steht für das griechische Wort „Meuterei“) wurde im Frühjahr 2009 gegründet. Der Auslöser für ihre Gründung war die Jugendrebellion im Dezember 2008, als ein großer Teil der antikapitalistischen und revolutionären Linken, der aktiv in den Ereignissen interveniert hatte, erkannte, dass eine tatsächliche Einflussnahme auf die Klassenkämpfe nur über eine Bündelung ihrer Kräfte möglich war. Die globale kapitalistische Krise signalisierte folgenschwere Kämpfe.

In einer Versammlung auf einem Basketballplatz haben tausende von Menschen (acht Organisationen und viele unorganisierte AktivisInnen) die Bildung einer gemeinsamen politischen Front der antikapitalistischen, revolutionären, kommunistischen und radikal öklogischen Linken beschlossen.
Es muss betont werden, dass das Konzept von Antarsya nicht aus heiterem Himmel fiel: es war das Ergebnis einer langjährigen, engen Zusammenarbeit dieser Organisationen und AktivistInnen.
Seit den frühen 90er Jahren arbeiten diese gemeinsam in den verschiedenen anitkapitalistischen sozialen Bewegungen, unabhängig von dem reformistischen Milieu. An den Universitäten war es die Vereinigte Unabhängige Linke Bewegung, die in den letzten 25 Jahren in der Studentenbewegung präsent war. Es sind die Interventionsbündnisse (ArbeitnehmerInnen) wie auch die Beteiligung an vielen Basisgewerkschaften, die den radikalen Flügel innerhalb der Gewerkschaftsbewegung darstellten.
In den verschiedenen Stadtteilen waren es die radikalen Bürgerinitiativen, in denen die Zusammenarbeite beispielhaft praktiziert wurde. Im Gegensatz zu anderen Vereinigungsexperimenten in Europa und Griechenland basierte unser Bündnis auf reichen, gemeinsamen, praktischen Erfahrungen. Diese Tatsache erklärt auch, warum Antarsya trotz der inneren Widersprüche und des Druckes, der auf sie ausgeübt wurde, stabil blieb.

2 – Welchen Charakter hat diese politische Formation und welche sind ihre strategischen Ansätze?

Der Kerngedanke von Antarsya war und ist die Nowendigkeit der Schaffung einer unabhängigen, antikapitalistischen Linken, die politisch und organisatorisch getrennt von den reformistischen Parteien im Parlament arbeitet. Diese strategische Ausrichtung ist während der Krise und der scharfen Klassenkämpfe notwendig; eine Radikalisierung existiert bereits innerhalb der Gesellschaft. Dieses Konzept sieht eben keinen Ausweg aus der Krise, ohne mit dem Kapitalismus, seinen Regeln und Institutionen, der EU und den imperialistischen Mechanismen zu brechen. Das Konzept trachtet nach der Einheit von Strömungen der Arbeiterbewegung im Kampf, besteht jedoch auf einem unabhängigen, politischen Ausdruck. Die größte Gruppe von A. Ist die NAR (neue linke Strömung), eine linke Abspaltung der kommunistischen Partei Ende der 80er Jahre, die auch mit den politischen Traditionen der KP gebrochen hat. Die zweitgrößte Gruppe ist die SEK (sozialisitische Arbeiterpartei), Mitglied der internationalen, sozialistischen Tendenz (IST). Unsere Gruppe, OKDE-Spartakos (Organisation der Kommunisten Internationalisten Griechenlands), griechische Sektion der IV. Internationale, war von Anfang an aktives Mitglied des Bündnisses. Es beteiligen sich noch ARIS, (linkes Bündnis), eine Jugendorganisation verwurzelt mit Althousser und dem europäischen Maoismus, EKKE (Revolutionary Communist Movement of Greece), eine kleine maoistische Organisation, und schliesslich eine kollektivgruppe der alternativen Ökologen. Die Koexistenz von verschieden Strömungen und Traditionen bietet Vielfalt doch gleichzeitig schafft sie auch relevante Widersprüche. Aus diesem Grund denkt OKDE Spartakos nicht an ihre Selbstauflösung.
Obwohl unsere Vertreter in mehreren Stadt-und Regionalräten in weiten Teilen des Landes sitzen, bleibt der Schwerpunkt von A. die Aktion auf der Strasse und ausserhalb der bürgerlichen Institutionen.

Die Wahlergebnisse von A. In den Parlamentswahlen waren einerseits größer als die üblichen Ergebnisse der extremen lLinken, anderseits bewegten sie sich lediglich zwischen 0,4 bis 1,2%.
Doch der tatsächliche Anteil der Sympatisanten ist ungleich höher. In mehreren Gewerkschaften, (Lehrer, Gesundheit, Kommunalbereich, Ingeniure und Techniker, Druck und Papier, Präkariat,), ist die Präsenz von A. entscheident. Es ist bezeichnend, dass in der Gewerkschaftsführung von ADEDY, (nationaler Dachverband der Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor), A. 2 der 17 Stellen innehat, gleich mit der KP und nur eine weniger als die Syriza-Volkseinheit. Die gewerkschaftliche Organisierung im Industriebereich wird traditionell von der Sozialdemokratie und der KP kontrolliert, während die Präsenz von A. In der Jugend und an den Universitäten von Bedeutung ist. A. Besteht hat heute 2.500 Mitglieder. Den Größten Anteil macht die Jugend aus. Die Mitglieder sind in lokalen Ortsgruppen organisiert, die nationale Führung wird vom Kongress gewähl. Die Organisatinen behalten dabei ihre Selbständigkeit, das bedeutet, dass jedes Mitglied eine doppelte Zugehörigkeit hat.

3 – Was war die Politik der griechischen KP (KKE) während der gesamten Periode der Krise in Griechenland?

Die KP in Griechenland ist eine Massenpartei mit Wurzeln in der Arbeiterklasse und mit einer linkeren Rhetorik als die meisten KPen in Europa. Dennoch ist sie eine bürokratisch-reformistische Partei. Immer wieder hat sie eine rechte Volksfrontstrategie verfolgt, die zu kurzen Koalitionsregierungen mit den Konservativen (neue Demokratie) und der Sozialdemokratie (PASOK) im Zeitraum von 1998 bis 1990 geführt hat. Wir können die Logik ihrer Politik kurz zusammenfassen: wer nicht mit uns ist, ist unser Feind. Seit dem Ausbruch der Krise hat die KP einige Mobilisierungen initiiert, einige davon waren sogar Massenmobilisierungen. Trotzdem hat sie kategorisch jede gemeinsame Aktion mit anderen Strömungen der Arbeiterbewegung abgeleht. Sie hat den Aufstand vom Dezember 2008 verurteilt sowie die Mobilisierungen der Hundertausenden „Empörten“ im Sommer 2011. Der KP wurde Linksradikalismus vorgeworfen, weil sie es abgeleht hat über eine linke Regierung mit Syriza zu verhandeln und weil sie beim Referendum zur Enthaltung aufgerufen hat. In Wirklichkeit ist diese Kritik nicht korrekt, denn der angebliche Linksradikalismus der KP verdeckt eine tief konservative reformistische Strategie. Im Dezember 2008 wurde ihr von den Rechten gratuliert für die „verantwortungsvolle“ Position, die sie gegenüber dem Aufstand eingenommen hatte. Im Oktober 2011 als eine große Menge von Demonstranten versucht hatte, das Parlamentsgebäude zu stürmen, hatte die KP aktiv die Verteidigung und den Schutz des Gebäudes mitorganisiert und durchgeführt. Direkt danach hat sie die Ausschreibung der Wahlen, genau wie SYRIZY auch, gefordert, ohne die geringste Rücksichtnahme auf die Selbstorganisierung zu nehmen. Der Aufruf zur Enthaltung beim Referendum war in Wirklichkeit ihre Methode den Kleinbürgern ihre Angst vor einem eventuellen Austritt aus dem Euro zu nehmen. Aus diesem Grund und in vielen Punkten richtigen Kritik an SYRIZA hat die KP seit 2012 fast die Hälfte ihrer parlamentarischen Stärke verloren.

4 – Wie erklärst du den Aufstieg von SYRIZA und ihren Wahlsieg vom 25. Januar 2015?

Prinzipiell herrscht im Ausland der Eindruck, dass SYRIZA der Ausdruck der Bewegung gegen die Sparpolitik in Griechenland ist. Diese Meinung ist aber nicht korrekt und basiert auf einer jounalistischen Art der Analyse. SYRIZA kam tatsächlich an die Macht, indem sie den Hoffnungen der Menschen auf ein Ende der Sparpolitik Ausdruck verlieh, aber gleichzeitig nährte sie die Illusion, dass dies einfach mit Wahlen zu erreichen wäre.
So gesehen, gab es schon einen parlamentarischen Ausdruck der Bewegung, doch gleichzeitig zeigten sich auch seine Grenzen. Oder anders gesagt, dieses Merkmal der Bewegung charakterisierte die Phase des Rückzugs und nicht die des Aufschwungs. Um diese Frage konkret zu beantworten, müssen wir zum einen die organische Beziehung zwischen SYRIZA und den Bewegungen untersuchen und
zum anderen klären, ab wann sie in den Meinungsumfragen zulegte. In Wirklichkeit war SYRIZA nie eine Massenpartei. Bestenfalls hatte sie 30.000 Mitglieder für einige Monate, die meisten waren kaum aktiv, und dies nur kurz vor der Regierungsübernahme.
Ihre Präsenz in den Gewerkschaften übersteigt kaum die der antikapitalisitischen Kräften und hinkt deutlich hinter der Kommunistischen Partei.
Nach der Abspaltung der Volkseinheit hat sie die Mehrheit ihrer Gewerkschafter und Jugend verloren. Seit ihrer Gründung, 2004, hat SYRIZA das Konzept verfolgt, die sozialen Bewegungen zu „vertreten“, nicht sie aufzubauen. Das heißt, das Verhältnis zu den sozialen Bewegungen war der Versuch, sie parlamentarisch zu vertreten.
Die AktivistInnen in Griechenland wissen, dass SYRIZA nie der praktischer Organisator der großen Bewegungen war. Wie aber kam es dazu, dass eine reformistische Partei wie SYRIZA zum richtigen Zeitpunkt in der Lage war, die Regierungsmacht zu übernehmen? Zuerst müssen wir feststellen, dass die griechische Arbeiterbewegung in den letzten 5 Jahren zwei verschiedene Phasen durchlaufen hat. Die erste, seit der Einführung des ersten Memorandums der Troika im Oktober 2010 bis Anfang 2012, war gekennzeichnet durch explosive Kämpfe: mehr als 20 Generalstreiks, Demonstrationen, die manchmal bis zu einer halben Million Menschen erreichten, Besetzungen von öffentlichen Gebäuden (Rathäuser, Ministerien, etc.).

Auf dem Höhepunkt dieser Bewegung, kam es zu einer raschen Radikalisierung der ArbeitnehmerInnen und der Jugend.
Die AktivistInnnen begannen sich zu fragen, wie die Strukturen von Selbstorganisierung aussehen könnten und wie die Organisation der Gesellschaft ohne die unechte Demokratie des Parlaments und ohne die Logik des kapitalistischen Profites funktionieren könnte.
(Siehe Besetzung von Syntagmaplatz)
In dieser Phase hatte SYRIZA kaum 10.000 Mitglieder und die Wahlergebnisse waren sehr niedrig. SYRIZA erlebte ihren Aufschwung im Februar 2012, als die Bewegung in die 2te Phase eintrat, die bis heute andauert. Die Kämpfe dauern zwar noch immer an, erreichen aber nicht mehr das Niveau der ersten 2 Jahre.
Auch das Niveau der Selbstorganisierung ist jetzt viel niedriger. Mit anderen Worten, SYRIZA stieg auf als die Bewegung nachliess. Diese Resignation der Menschen war natürlich auch darauf zurückzuführen, dass die riesigen Mobilisierungen nicht in der Lage waren die Massnahmen der Troika zu verhindern. Trotzdem ist das keine ausreichende politische Erklärung. Wir müssen auch berücksichtigen den Einfluss der Führungen der parlamentarischen, reformistischen Linken, besonders SYRIZA, die massiv die Hoffnungen der Menschen geweckt hat, dass es zu einem Wechsel durch eine Regierung der Linken möglich sei.
Seit dem Frühjahr 2012 gab es eine Periode der Wahlerwartung und der Mandatierung. So wurde ein leichter Sieg von SYRIZA im Januar 2015 möglich, und zwar mit einem bereits gemässigtem Programm, das die Beendigung der Sparpolitik ohne den Bruch mit dem System und mit der EU versprach.
Dieses Programm wurde nach wenigen Monaten des Regierens zu einem neuen, noch schlimmeren, und noch nie dagewesenen Sparprogramm umgewandelt. Es ist jetzt an der Zeit, dass die Periode der Parlamentarischen Illusionen zu Ende geht und eine neue Massenbewegung entsteht.

5 – Wieso ist den linken Gruppierungen innerhalb von SΥΡΙΖΑ nicht gelungen die scharfe Wende der Partei bzw. von Tsipras und seiner Truppe abzuwenden?

Die Linke innerhalb von SYRIZA hatte bis zum letzte Moment die Illusion, dass sie den Umwandlungs-prozess zu einer Partei der bürgerlichen Interessen aufhalten könnte. Sie glaubte, dass die Wende der Führung von Tsipras mit Empörung innerhalb der Partei zurückgewiesen werden könnte und ein entschiedener Widerstand gegen ein drittes Memorandum mit dem dazugehörigen Sparpaket aus den eigenen Reihen kommen würde. Sie hatten aber zwei wichtige Punkte nicht berücksichtigt: a) SYRIZA war eine Partei mit sehr lockeren innerorganisatorischen Strukturen, das wiederum bedeutete, dass
seine Führungsriege weitestgehend autonom handelte. Die Regierung konnte nicht von der Partei kontrolliert und die Parteiführung nicht von der Basis überwacht werden.
b) Die Autorität der Tsipras-Führung war inzwischen gefestigt und konnte die Wählerbasis ohne Rücksichtnahme auf die innerorganisatorischen Entscheidungsprozesse stark beeinflussen.
Aber es war auch der politische Charakter der linken Gruppierungen in SYRIZA, der ihnen nicht erlaubte, den Degenerierungskurs der Partei aufzuhalten und dementsprechend einen Anziehungspol aufzubauen, der SYRIZA von links hätte gefährlich werden können.
Einige linke Tendenzen hatten die Mehrheitsplattform von Tsipras unterstützt, in der Hoffnung, dass sie diese ändern könnten. Doch das Resultat war, dass die einen sich anpassten und die anderen sich auflösten. (z.B. der Lieblingsminister der Troika, Tsakalotos, der selber Mitglied der linken Tendenz der 53+ war).
Die meisten versammelten sich unter der Führung von Lafasanis in der Linken Plattform. Der Einfluss der Trotzkisten innerhalb der Linken Plattform war sehr gering, im Gegensatz zu dem, was behauptet wurde. Die Linke Plattform hatte mit sehr viel Verspätung eine schüchterne Oppositionspolitik angefangen zu betreiben.
Sie hat einstimmig die Koalitionsregierung mit der nationalistischen Rechten, der ANEL unterstützt. Sie hatte auch die Kandidatur des rechten Pavlopoulos bei der Präsidentschaftswahl mitgetragen. -diesmal ohne die Stimme der Trotzkisten-.
Pavlopoulos war als Minister von Nea Demokratia für die Unterdrückung des Aufstandes im Dez. 2008 verantwortlich.
Bis zum Sommer hatte die Plattform kein einziges Mal gegen die Führung von Tsipras gestimmt.
Der neoliberalen Wende von SYRIZA hatte sie nur das Programm von Thessaloniki entgegenzusetzen.
Doch dieses Programm war bereits sehr gemässigt, hatte der Nationalisierung der Banken und allen radikalen Massnahmen abgeschworen. Das Programm versprach nur einige Linderungsmassnahmen die den allerärmsten Schichten zugute kommen sollten -letztendlich machte das eine erneute europäische Finanzierung erforderlich-.
Die Linke Plattform und später die Volkseinheit hatten in der Öffenltlichkeit keine wesentlichen Unterscheidungsmerkmale zu SYRIZA.

6 – Wie deutest du die letzten Wahlergebnisse sowohl von ΣΥΡΙΖΑ und Volkseinheit als auch von ΑΝΤΑRSIA?
Der Wahlsieg von SYRIZA war eine Wiederholung vom Januar 2015 doch diesmal unter einem anderen Vorzeichen. Dieses Wahlergebnis drückte die Hoffnung auf eine Beendig- ung der Sparpolitik aus. (gleichzeitig auch die Illusion). Im September hatte das gleich Resultat die Ratlosigkeit der Bewegung und auch die -hoffentlich vorläufige – Akzeptanz der Alternativlosigkeit ausgedrückt.

Nach der Niederlage im Sommer waren die Menschen wie betäubt. Das Volk hatte massiv mit „OXI“ abgestimmt, trotzdem wurde das neue Sparpaket innerhalb von wenigen Tagen beschlossen.
Bei den Wahlen hatte nur einer von zwei Wählern teilgenommen, denn er hatte begriffen, dass Wählen keinen Sinn macht, da auf jeden Fall die Politik umgesetzt werden sollte, die sowieso schon feststand.
Diejenigen ArbeitnehmerInnen, die zur Wahl gingen, haben mehrheitlich für SYRIZA gestimmt, z. Teil gegen die verhasste Rechte, z. Teil weil sie akzeptierten, dass es keine Alternative gab.
Die schlimmste Auswirkung von SYRIZA auf die Gesellschaft waren noch nicht einmal die neuen Maßnahmen, sondern vielmehr die defätistische Einstellung der Menschen. Trotzdem bigt es keinen Grund zu glauben, dass diese Ratlosigkeit für immer anhalten wird.
Schon bei der Durchführung der Maßnahmen wird SYRIZA nicht in der Lage sein, der Wut der ArbeitnehmerInnen und der Jugend zu entgehen.
Die Volkseinheit hielt es für sicher, dass sie ins Parlamen kommen würde; sie musste ihre unzureichende Differenzierung von SYRIZA teuer bezahlen.

Die Volkseinheit präsentierte sich als die authentische SYRIZA.
Sie war nicht mit dem neuen Sparpaket einverstanden, hinterfragte aber nicht die Strategie, die dazu geführt hat: eine Regierung, die zwar gegen die Sparpolitik ist, ohne jedoch in Konflikt mit dem Kapitalismus geraten zu wollen. Doch genau dieses Konzept hat sich als undurchführbar erwiesen.

Die Führung der Volkseinheit wurde von Bürokraten, Parlamentarien und Ministern der SYRIZA beherrscht, die für viele der reaktionären Entscheidungen verntwortlich waren (Unterzeichnung des Militärabkommens mit Israel, diplomatische Kontaktpflege mit dem SISSY-Regime in Ägypten, Ausweitung der COSCO-Privatisierung des Hafens von Piräus, u.s.w.)
In meinem Wahlkreis benannte die Volkseinheit einen früheren Polizeichef zum Kandidaten der Parlamentswahl! Auf die reaktionären Angriffe der Medien bezüglich ihrer Positionierung gegenüber dem Euroaustritt reagierte sie kleinmütig und ohne politisch zu argumentieren.
So hat die Volkseinheit nicht überzeugend darlegen können, dass sie eine wirkliche Alternative sei.
Dei ANTARSIA war die einzige linke Kraft, die gestärkt aus den Wahlen hervorging. (sowohl prozentual als auch in absoluten Zahlen). Die 0,86%, obwohl bisher eines der besten Ergebnisse der antikapitalistischen Linken in Griechenland, ist eindeutig unzureichend für die Bedürfnisse der Zeit und zeigt auf, dass wir noch keine führende Rolle auf der politischen Ebene spielen.
Aber es ist ein ordentliches Ergebnis, das zumindest die ANTARSIA sichtbar gemacht hat, trotz der Spaltung vor der Wahl, als etwa 15 – 20% unserer organisierten Mitglieder der Volkseinheit beigetreten sind.
Der Wahlkampf von ANTARSIA war recht gut und hat uns eine größere Öffentlichkeit erreichen lassen.

7 – Kannst du erklären warum ANTARSIA nicht mit der Volkseinheit zusammengegangen ist?
Immerhin die letztere versucht, sich als gesellschaftliche Front des OXI zu präsentieren. Wäre es nicht richtig gewesen, wenn in diesem Fall beide politischen Kräfte zusammengearbeit hätten?

Die Zusammenarbeit zwischen ANTARSIA und der Volkseinheit war politisch und programmatisch unmöglich. Die Volkseinheit bestand auf der Notwendigkeit einer Partei nur gegen die Sparpolitik und den Neoliberalismus, nicht aber gegen den Kapitalismus. Sie wollte eine „demokratische, patriotische, Antimemorandums-“ Front, und das mit einer reichlich nationalistischen Rhetorik.
Das Konzept der breiten Front dieses Typs wurde wiederholt in vielen Ländern experimentiert, hat aber immer wieder versagt: die Rifondazione Communista in Italien, der Labour Brazilian Party, der SYRIZA in Griechenland. Alle diese breiten antineoliberalen Parteien haben zum Schluss entweder selbst oder in Koalition mit bürgerlichen Regierungen eine liberale Politik betrieben. Der Grund ist einfach: der Kapitalismus erlaubt heute kein fortschrittliches oder arbeitnehmerfreundliches Management.
Wenn ein linke Partei nicht bereit ist, den Bruch mit dem System zu wagen, wird sie sich alsbald gezwungen sehen, eben diese Sparpolitik gegen das eigene Volk durchzusetzen.
Programmatisch hat sie den Bruch mit der imperialistischen EU nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Sie hat nur die Frage des Euro thematisiert, hat aber Forderungen, wie die der Nationalisierung der Schlüsselindustrien, ohne Entschädigung und unter Arbeiterkontroll, der Legalisierung aller Flüchtlinge, Auflösung aller Spezialeinheiten der Polizei und ihrer Abrüstung vermieden. Das aber sind wesentliche programmatische Kernpunkte von ANTRASIA.
Gleichzeitig ist der Loslösungsprozess von SYRIZA nicht vollständig erfolgt. In den Gewerkschaften ist Volkseinheit noch immer Teil des Regierungslagers.
In der Athener Region und in einigen Kommunen gibt es Mitglieder der Volkseinheit, die der Regierungsflügel angehören. Also gibt es praktische Fragen, die uns trennen: wird die Volkseinheit
Mobilisierungen der ArbeitnehmerInnen unterstützen oder wird sie den gemeinsamen Strukturen mit SYRIZA gehorchen?
Letzendlich hatte das Angebot der Volkseinheit überhaupt keinen Raum für eine eventuelle Zusammenarbeit mit anderen Kräften gelassen. Der Name, die Führung und das Programm waren bereits ohne jede demokratische Prozedur beschlossen worden. Die ersten Plätze auf den Stimmzetteln waren den ehemaligen Parlamentariern vorbehalten. Nur, wenn sie ins Parlament gekommen wären, hätten die anderen eine Chance gehabt, was wiederum einen viel höheren Prozentsatz erforderte als die optimistischen Prognosen vorausagten.
Wir müssen noch erwähnen, dass eine Partei des OXI allein ein schlechter Ausgangspunkt ist. Das OXI war eine soziale Bewegung und eine soziale Bewegung dürfte nicht mit einer Partei identifiziert werden.

In diesem Fall würde die Partei entweder autoritär entsheidungen für die Bewegungen treffen und so jede andere Strömng aussclhliessen, oder aber sie würde alle Widersprüche und Gegensätze die ein einer breiten Bewegung existieren einverleiben was aber bedeuten würde, dass die Partei keinen politischen Charakter mehr hätte.

In diesem Fall hätten wir folgende Konstellation: Entweder würde die Partei autoritär Entscheidungen für die Bewegung treffen und so jede andere Strömung aus ihren Reihen ausschließen. Die andere Möglichkeit wäre, dass diese Formation versuchen würde, sich alle Widersprüche und Gegensätze die zwangsläufig in einer breiten Bewegung existieren, einzuverleiben, dann aber wäre sie keine Partei mehr.
In jedem Fall wäre der praktische Gewinn aus dieser Zusammenarbeit sehr gering und der Nutzen kleiner als die Kosten. Unter Umständen wären dann 8 antineoliberale Abgeordnete ins Parlament gekommen, die dort bereits früher schon waren. Sie würden nicht in der Lage sein, gegen die neue Sparpolitik etwas auszurichten. Die antikapitalistische Linke hätte ihren systemoppositionellen Charakter veloren und würde einer reformistischen, bürokratischen Führung folgen.

8 – Wäre mit der Wiedereinführung der Drachme eventuell möglich, die heutige, brutale Sparpolitik -auch nur teilweise- aufzuhalten?
Das ist tatsächlich die Position der Volkseinheit. Es ist wahr, dass der Euro als ein internationales Instrument der Austerität funktioniert. Es ist auch wahr, dass Staaten mit einer niedrigeren Arbeitsproduktivität, wie Griechenland, nicht in der Lage sind gegen Staaten mit einer höheren Arbeitsproduktivität, wie Deutschland, zu konkurrieren wenn sie die gleiche Währung haben.
Doch die kapitalistische Krise, insbesondere die Krise der Staaten in der Peripherie (und Griechenland ist ein solcher Staat auf dem Balkan und in dem östlichen Mittelmeerbereich) ist viel mehr als eine Währungskrise.
Sie lässt sich nicht einfach mit geldpolitischen Operationen korrigieren, wie die Abwertung zur Stimulation der Exporte und des Tourismus. Vielleicht stimmt es, dass eine schwache Währung die Exporte wettbewerbsfähiger macht, doch gleichzeitig stimmt es auch, dass dies die Importe verteuern würde.
Das Rezept der Volkseinheit ist eine Keynsiansiche Politik, die aber der Kapitalismus nicht haben will.
Der nationale Kapitalismus hält das Lohnniveau absichtlich niedrig . Er könnte über Lohnerhöhungen die Binnennachfrage bzw. die griechische Wirtschaft stärken, was er aber nicht tut weil seine Profite stark unter Druck geraten sind. Solange die Kapitalisten die wirtschaftliche und politische Herrschaft ausüben werden sie gleichgültig mit welcher Währung die Sparpolitik durchsetzten. Die ArbeitnehmerInnen werden immer für die Krise bezahlen müssen.
Doch das bedeutet nicht, dass uns die Eurofrage nicht interessiert. ANTARSIA fordert den Bruch mit dem Euro und EU auf einer anderen Ebene. Der Euro und die EU sind kapitalistische und
imperialistische Instrumente, die die Machterhaltung der griechischen herrschenden Klasse garantieren. Die Stabilität des Euro war eine Erpressungspolitik, um die Austeritätsmassnahmen durchzusetzen. Im Rahmen dieser Mechanismen gibt es keinen Platz für die Rechte der ArbeitnehmerInnen.
Um unsere Rechte zu schützen und um den Reichtum den die ArbeitnehmerInnen schaffen und den das Kapital stiehlt zurückzugewinnen, müssen wir den Bruch mit diesem System vollbringen.
Ausserhalb des Euro wird die Situation nicht leicht sein, doch es gibt Mittel und Wege und ANTARSIA hat bereits einige Vorschläge gemacht.
Doch im Endeffekt, damit die ArbeitnehmerInnen gewinnen, müssen die Kapitalisten verlieren. Egal mit welcher Währung gibt es keine gemeinsame Lösung. Also schlagen den Bruch mit dem Euro, der EU und zwangsläufig dem kapitalistischen System vor.

9 – Wird es für die Regierung von ΣΥΡΙΖΑ leicht werden, die notwendigen Gesetzes- änderungen, die das dritte Memorandum verlangt, ohne größere soziale Unruhen durchzusetzten? Oder wird das eine Chance sein, für die Initiierung von neuen Kämpfen? Eine wichtige Frage ist heute wie die Menschen die tiefe Verzweifelung überwinden und eine Widerstandsfront aufbauen können. Könntest du die künftige strategische Linie von ΑΝΤΑΡΣΥΑ kurz beschreiben?

Wie ich bereits erwähnt habe, wird SYRIZA es schwer haben der Wut des Volkes etwas entgegenzusetzen. Die neuen Massnahmen werden noch brutaler als die bisherigen sein. Wir hatten bereits einen ähnlichen Präzidentsfall mit der Regierung von PASOK. Im Jahr 2009 wurde PASOK mit überwältigender Mehrheit gewählt. Sie hatte versprochen, dass es „genug Geld“ für Löhne und Sozialleistungen gab.
Im Jahr 2010 bescherte uns der internationale Währungsfond das erste Sparpaket. Kurz danach folgten Kommunal- und Regionalwahlen, die die PASOK erfolgreich bestritt. Doch wenige Monate später, als das Ausmass der Massnahmen sichtbar wurde, kam es zum Zusammenbruch der Partei.
Es muss nicht genauso ablaufen, trotzdem bin ich optimistisch! Die Kampferfahrungen, die die Arbeiterklasse bereits gesammelt hat, werden eine historische Niederlage nicht erlauben. Wir werden wahrscheinlich mit neuen, großen sozialen Kämpfen rechnen müssen.
Als erstes muss heute der Kreis der Wahlerwartung und der Mentalität der Mandatierung geschlossen werden. DieArbeitnehmerInnen, die Arbeitslosen und die Jugend müssen wieder auf die Strasse gehen, Streiks, Demos und Besetzungen organisieren.
Wir müssen uns von der Illusion trennen, dass uns die Arbeit von welcher Regierung auch immer, abgenomen wird. Keine Regierung wird uns retten, wenn wir uns nicht mobilisieren und die Macht für uns beanspruchen.
Damit die Mobilisierung in die Tat umgesetzt wird, schlägt ΑΝΤΑRSIA eine gemeinsame kämpferische Front vor, und zwar an alle, die gegen die neuen Massnahmen vorgehen wollen: KKE, Volkseinheit, Anarchisten und Autonome, sonstige Organisationen der extremen Linken und auch an AktivistInnen innerhalb von SYRIZA die mit der Regierungspolitik nicht einverstanden sind.
Diese gemeinsamen Aktionen wären effizienter mit der Bildung von Bündnissen und Kollektivstrukturen auf lokaler Ebene und mit einer entsprechenden Zentralisierung der Koordiantion. ΑΝΤΑRSIΑ hat solche Initiativen ins Leben gerufen, die auch teilweise erfolgreich waren aber durch die Wahlen zum Stillstand gekommen sind. Vielleicht kann man sie (auch in abgeänderter Form) wiederbeleben.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Koordinierung der Basisgewerkschaften und Kollektivstrukturen zur Verteidigung des Hafens von Piräus gegen die Privatisierung. Bei diesem Bündnis beteiligen sich fast alle linken Kräfte, sogar die KP, die sonst sehr selten bei solchen Anlässen mitmacht.
Auf jeden Fall und im Rahmen einer breiten Bewegung müssen ANTARSIA und die revolutionäre/antikapitalistische Linke ihre politische Unabhängigkeit bewahren in dem sie ein Übergangsprogramm des Bruches mit dem Kapitalismus propagiert. OKDE Spartakos versucht diese Programm zu bereichern und den Aufbau einer revolutionären Partei in Griechenland voranzutreiben.

10 – Kannst du uns zum Schluss noch ein paar Worte zu dem Flüchtlingsdrama in Griechenland sagen und wie dieses Phänomen die griechische Gesellschaft beeinflusst?

Die Frage der Solidarität mit den Flüchtlingen in Griechenland ist für uns alle Pflicht.
Da die Flüchtlinge die geschlossenen Landesgrenzen und die von Griechenland gezogene Mauer von Evros an der griechischen Nordgrenze zur Türkei nicht überwinden können, versuchen sie die Ägäis in kleinen Booten zu überqueren. Obwohl SYRIZA versprochen hatte, dafür zu sorgen, dass diese Mauer niedergerissen wird, steht sie noch immer! Es vergeht kein Tag, an dem nicht Kinder, Frauen und Männer in der Ägäis ertrinken.
Inzwischen leben 10.000de von Flüchtlingen unter menschenunwürdigen Umständen in Stadien, auf Plätzen und in Konzentrationslagern. Sie sind konfrontiert mit der aggressiv rassistischen Politik der EU und des griechischen Staates.
Die rassistischen Aktionen der Nazipartei „Goldene Morgenröte“ sind zahlreich und brutal.
Die Flüchtlinge werden von verschiedenen Schwarzhändlern und Schiffsgesellschaften ausgebeutet: u.a. werden sie gezwungen, horrende Preise für die Tickets zu bezahlen. Im Großen und Ganzen aber muss man sagen, dass die Solidarität unter der Bevölkerung mit den Flüchtlingen überwiegt. Es gibt überall Bürgerinitiativen für die Sammlung von Nahrungsmittel, Bekleidung u.s.w.
Es wurden ebenfalls leerstehender Wohnraum für die Flüchtlinge besetzt. Viele Basisgewerkschaften, in denen die antikapitalistische Linke mitarbeitet, versuchen die Solidaritätsarbeit auf nationaler Ebene zu koordinieren.
ΑΝΤΑRSIΑ versucht die politische Dimension diese Problems aufzuzeigen. Sie beschuldigt die EU und die griechische Regierung, die wirklichen Verantwortlichen für die vielen Toten an den Grenzen zu tragen. Sie fordert das Niederreissen der Mauer von Evros, die Schliessung der Konzentrationslager sowie eine menschenwürdige Versorgung mit dem Nötigsten. Ausserdem fordert sie die Gewährung von Asyl für alle Flüchtlinge (bisher hat Griechenland niemandem Asyl gewährt); damit fordert die anitkapitalistische Linke die Aufhebung der Illegalität.
OΚDΕ-Spartakos vertritt eine Schlüsselforderung: offene Grenzen, denn nur so können die täglichen Todesopfer gestoppt werden.

interview wurde nach Ende der Rundreise in Deutschland Anfang Okt.2015 erstellt

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